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Mehr als blosse Spielerei?

Von unterwegs aus kreativ und produktiv sein – das geht nicht nur mit dem Notizbuch. Mit iPad, iPhone und den Mobile Apps von Adobe sind Workflows möglich, die die Arbeit vielseitiger und effizienter machen.

Rebekka LudwigSchon lange sind Smartphones und Tablets nicht nur zum Telefonieren, Mailschreiben oder Surfen da. Adobe hat mit Adobe Ideas 2013 die erste Kreativ-App lanciert und seither stark weiterentwickelt, um den Kreativen aus allen Bereichen mobile Werkzeuge an die Hand zu geben. Was aber kann man wirklich mit den Adobe-Apps machen, helfen sie im kreativen und produktiven Workflow oder sind sie nichts mehr als nette Spielereien?

Seit Beginn arbeite ich mit den mobilen Apps, und gerade in den letzten zwei Jahren hat sich einiges getan. Elf der Kreativ-Apps stelle ich in diesem Artikel vor. Anhand von vier dieser Apps zeige ich meinen eigenen krea­tiven und produktiven Workflow.

Die Apps wurden ursprünglich nur für iOS entwickelt, Capture CC, Illustrator Draw, Lightroom Mobile und Photo­shop Mix stehen mittlerweile auch für Android-Geräte zur Verfügung.

Welche App für welchen Zweck?

Capture CC ist die App, mit der oftmals die kreative Arbeit startet. Sie hält Inspirationen fest: Formen, Muster, Farbpaletten, Vektorgrafiken oder benutzerdefinierte Pinsel.

Zu den Design- und Illustrations-Apps zählen Illustrator Draw, Photo­shop Sketch und Comp CC. Illustrator Draw ist dabei perfekt geeignet für Illustratoren und Grafikdesigner, die unterwegs präzise Vektorgrafiken gestalten wollen. Photoshop Sketch ermöglicht kreatives Zeichnen und Malen wie auf Papier – mit Bleistift und unterschiedlichen Pinseln. Comp CC bringt schliesslich alles zusammen und hilft bei der Erstellung von Layouts im Print-, Mobile- oder Webbereich.

Auch für den Bereich Fotografie und Bildbearbeitung gibt es mehrere Apps mit unterschiedlichen Aufgaben: Lightroom Mobile ist die mobile Variante der digitalen Dunkelkammer von Adobe. Damit lassen sich Bilder organisieren, bearbeiten und präsentieren. Mit Photohop Mix entstehen neue Bildwelten – Composing ganz intuitiv am Smartphone oder Tablet. Und Photoshop Fix ist, wie es der Name sagt, für die Retusche da: mit wenigen Fingertipps werden Elemente entfernt oder Hautretuschen vorgenommen.

Die Spark-Apps sind schliesslich die Storyteller unter den Kreativ-Apps. Sie helfen dabei, Geschichten auf unterschiedliche Art und Weise zu erzählen und diese zu verbreiten. Spark Page ermöglicht die Aufbereitung toller Geschichten mit Text, Bild und Grafik in Form von Webpräsentationen. Für die schnelle Verbreitung von Informationen in sozialen Netzwerken ist Spark Post zur Stelle – ganz einfach mit vorgestalteten Visuals.Wenn es etwas mehr sein soll, gibt es Spark Video, das aus Fotos, Filmclips, Symbolen und Musik Filme hervorzaubern hilft – vom Erklärvideo bis hin zum Werbeteaser der eigenen Website.

In der heutigen Zeit ist es noch wichtiger geworden, die Zeit effektiv zu nutzen. Smartphone und oft auch Tablet sind ständige Begleiter, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Die Tools von Adobe können dabei helfen, den eigenen Workflow zu optimieren und unterwegs auch ohne Laptop richtig produktiv zu sein.

Kreative Ideensammlung

Die wichtigste Ingredienz für Kreativität bleibt wohl, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Capture CC hilft mir dabei, Ideen festzuhalten. Gerade wenn ich an einer Logogestaltung sitze, nutze ich die App auf dem iPhone und halte mit der Kamerafunktion Inspirationen fest. Ob auf Reisen, an Events oder wenn mir in einem Café ein Look gefällt – mit der App halte ich Farbkompositionen oder Formen fest. Das ist mein erstes Brainstorming visueller Art, meine Sammlung von Ideen für Projekte wie Logodesign, Flyer oder Präsentationen.

Mit Farbkompositionen habe ich mich allerdings schon immer schwer getan und gerade dafür gibt die App tolle Hilfestellungen: Gefällt mir auf einem Plakat, einem Flyer oder auf einer Magazinseite ein Farbschema, erstellt die App aus dem Bildausschnitt automatisch fünf Farben, die ein Farbdesign bilden, das man manuell oder durch einen anderen Bildausschnitt anpassen kann. Ab und zu wähle ich anstelle eines Bildes auch die Farbregler oder den Farbkreis und erstelle damit ein eigenes Farbschema. Auch hier kann man sich kreativ austoben. Alle erstellten Farbdesigns landen in der eigenen Creative-Cloud-Bibliothek, um damit in den anderen Apps oder in Illu­strator oder InDesign am Desktop weiter arbeiten zu können. Mit den Formen in Capture CC verhält es sich ähnlich: aus dem Kameraausschnitt erstellt die App vereinfachte Elemente, die schwarzweiss dargestellt werden und vektorisiert sind.

Logogestaltung und Vektorgrafik

Auf diese Elemente habe ich direkt in Illustrator Draw Zugriff und bearbeite dort meine Form für das Logo weiter. Bevor es allerdings mit Illustrieren losgeht, erstellt man erst ein neues Projekt, was einem Ordner auf dem Desktop entspricht. Ein Projekt kann wiederum mehrere Arbeitsblätter beinhalten, die aus unterschiedlichen Formaten bestehen. Am Ende ist das Format nicht entscheidend, denn Illus­trator Draw arbeitet vektorbasiert, sodass man die Grafiken unendlich vergrössern kann.

Auf einem Arbeitsblatt arbeitet man mit unterschiedlichen Ebenen und kann so eine Grafik sehr präzise gestalten, Schritte zurückgehen oder Ebenen miteinander verbinden. Bis zu 20 Ebenen sind in einer Illustration möglich. Das Praktische am iPad: Man zeichnet direkt auf dem Arbeitsblatt und damit viel direkter und intuitiver, als man es am Rechner gewohnt ist. Leichter tut man sich natürlich mit einem Stift. Beim iPad Pro kann das der Apple Pencil sein, der perfekt darauf abgestimmt ist. Die unterschiedlichen Pinselarten können in ihrem Pinselstrich in der Rundheit, dem Winkel und dem Druck eingestellt werden, was einen individuellen Strich zulässt, so wie man es eventuell von einem Wacom-Tablet kennt. Arbeitet man mit einem Stift, variiert man die Strichstärke mit dem Druck, malt man mit dem Finger, reguliert man sie mit der Geschwindigkeit, mit der man den Strich zeichnet.

Hat man bereits eine Skizze auf Papier gefertigt, legt man anstelle einer Zeichnungsebene eine Bildebene innerhalb von Draw an und fotografiert diese direkt aus der App. Genauso gut können auch Aufnahmen auf dem iPad oder Dateien aus der Creative Cloud geöffnet werden. Oder man lädt ein Bild von Adobe Stock oder dem Market der CC runter. All diese Bilder können dabei helfen, mit der Illustration zu starten, indem man Bildebenen als Vorlage verwendet, das Bild nachzeichnet und die Ebenen danach ausblendet oder löscht.

Ich behelfe mich oft mit den Formen, die ich über Capture CC gespeichert habe. Diese ruft man quasi als Schablonen auf, die man dann exakt nachzieht, indem man doppelt auf die Linie der Form tippt. Auch Ausrichtung und Grösse der Schablone kann man verändern.

Erste Layouts in Comp CC

Habe ich das Logo angelegt, will ich dieses noch mit Schrift versehen und direkt einen Flyer oder ein Plakat damit anlegen. Dann kommt Comp CC ins Spiel. Ähnlich wie Illustrator Draw arbeitet man hier wieder in Projekten mit mehreren Arbeitsblättern, welche für einen Flyer, eine Visitenkarte oder ein Magazincover stehen können. Auch Layouts für mobile Endgeräte gibt es als Vorlage, wenn es darum geht, für den Kunden Vorschläge einer App-Gestaltung zu machen. Einmal angelegt, kann das Format auch jederzeit über die Einstellungen geändert werden.

Richtig schnell geht das Arbeiten mit Gesten, indem man beispielsweise ein X zeichnet und damit einen Bildplatzhalter generiert. In den Einstellungen der App gibt es eine praktische Übersicht der Zeichengesten.

Ist man online, kann man direkt mit Comp CC auf seine Grafiken aus Illustrator Draw zugreifen, indem man über Grafiken > Meine Dateien geht und hier die entsprechende App auswählt. Einziger Nachteil ist bislang noch, dass die Vektordatei nur als png übernommen wird und die Grafik damit in Comp CC nicht mehr vektorisiert, sondern als Pixelbild vorliegt. Doch auch im Offline-Modus hat man Zugriff auf die Grafik als png, indem man die Illustration in Draw über das Weitergeben-Icon in die Zwischenablage speichert. In Comp CC steht dann über das Grafiken-Icon der Befehl Bild einfügen zur Verfügung.

Kleiner Tipp in Comp CC: Wählt man ein Objekt aus und geht unten über die drei Punkte, kann man das Objekt kopieren. Danach tippt man lange auf das Arbeitsblatt und wählt Einfügen, um es an der Stelle, an der man mit dem Finger tippt, einzufügen. Über Platzieren geht man, wenn man das Element an exakt der Stelle platzieren möchte, von der es kopiert wurde. So kann man Elemente bequem zwischen Arbeitsblättern kopieren und einfügen.

Jetzt fehlen nur noch die Schrift und die Bildelemente, um das Layout perfekt zu machen. Gerade bei der Schrift wird der eine oder andere sagen: Schön, nur mit den Systemschriften des iPads kann man nicht wirklich kreativ arbeiten. Die App greift aber nicht nur auf die Systemschriften zu, sondern auf Typekit – den gesamten Adobe-Schriftenfundus. So sind einem kaum Grenzen gesetzt. Ist man offline, sollte man vorher die Schriften direkt auf das iPad laden.

Auch beim Einbetten von Bildern greift man nicht nur auf die Aufnahmen von iPad und iPhone zu, sondern wiederum auch auf die Cloud-Dateien, den CC-Market oder auf Adobe Stock.

Am Ende der Gestaltungsarbeit noch schnell anschauen, wie das Plakat fertig gedruckt in einer realen Szene ausschaut – selbst das ist über die Auto-Mockup-Funktion möglich, die man über das Weitergeben-Icon aufrufen kann. Im Moment steht diese Funktion allerdings nur in den Vorlagen für A4, Brief, Internet, iPad und iPhone zur Verfügung.

Tipp

Wenn man das Layout später direkt in InDesign am Computer weiterbearbeiten möchte, sollte man hier einen Work­around mit einplanen. Die Integration der mobilen mit den Desktop-Apps ist ein Leichtes und per Fingertipp realisiert. Voraussetzung ist, dass sich beide Geräte im selben Netzwerk befinden und man mit der gleichen Adobe ID angemeldet ist. Dann kann man Grafiken und Layouts direkt an die Desktop-Apps schicken. Allerdings würde man die vorhin erwähnte png-Datei ersetzen, damit die Vorteile der Vektordatei vorhanden sind. Dafür geht man den Umweg über Illustrator Draw und schickt die Grafik direkt an Illustrator, speichert diese und ersetzt die png-Datei in InDesign.

News verteilen über Spark Post

Zu guter Letzt wollen wir über das neue Projekt – das Redesign eines Logos – twittern und da kommt Spark Post zu Hilfe: Mit Templates für die verschiedenen Social-Media-Kanäle, mit Designvorlagen, Farbschemen, Typovorschlägen hat man schnell einen Post gestaltet, der individuell ist und den Workflow abrundet – von der ersten Idee in Capture, über die ersten Entwürfe in Draw bis hin zum Layout in Comp und zur Präsentation seiner Arbeit über Social Media mit Spark Post.

Dabei funktionieren alle Apps in Echtzeit, speichern automatisch die Fortschritte, ohne dass man sich speziell darum kümmern müsste, synchronisieren sich mit Dateien in der Creative Cloud und interagieren mit den Desktop-Apps, sodass man nicht unnötig Zeit verliert.

Fazit

Mit den Mobile Apps kann man unterwegs durchaus intuitiv und professionell arbeiten. Möchte man aber auch das grösstmögliche Optimierungspotenzial der Desktop-Apps nutzen, muss man den einen oder anderen kleinen Workaround einplanen. ↑

Bildbearbeitung mit Fix und Mix

Photoshop Fix

Kleine Lernvideos in der App Photoshop Fix helfen, um sofort loszulegen. Und gerade in der ­Porträtretusche kann man sehr schnell gute Ergebnisse erzielen. Gesichter werden dabei automatisch erkannt und im Werkzeug Verflüssigen mit so genannten Gesichtsknoten kann man die Gesichtsmerkmale wie Augen, Mund, Nase, Wangen, Kinn, Stirn in Grösse und Aussehen anpassen – die Augen etwas vergrössern, das Lächeln etwas verbreitern und das Kinn ein wenig runder erscheinen lassen. Auch die Reparaturwerkzeuge erinnern an die grosse Schwester Photoshop und lassen ganz schnell unschöne Elemente im Bild verschwinden um beispielsweise ein Foto für ein Layout in Comp CC zu optimieren.

Allgemeine Anpassungstools wie Belichtung, Sättigung, Kontrast und weitere kleine Werkzeuge helfen, das Bild auf intuitive Weise zu optimieren. Auch hier müssen die Bilder nicht in den Aufnahmen des iPads oder iPhones liegen, sondern auch in Lightroom, den CC-Dateien, Facebook, Dropbox oder Google-Fotos. Und möchte man das Ergebnis doch noch am Desktop-Rechner optimieren, schickt man es einfach an Photoshop.

Photoshop Mix

In der App Photoshop Mix geht es weniger um die Optimierung eines Bildes, sondern um das Zusammenfassen mehrerer Bilder zu einem. Auch hier helfen Beispiele und Schulungsvideos, die in der App vorliegen, um zu sehen, wohin die Reise gehen kann. Die allgemeinen Anpassungswerkzeuge sind auch hier vertreten, doch wenn diese nicht ausreichen, kann man die Composings auch direkt an Photo­shop Fix schicken, um dort das Verflüssigen-Werkzeug oder die Korrekturtools zu verwenden.

Dafür gibt es in dieser App eine Auswahl der aus Photo­shop bekannten Ebenenmischmodi, um mehrere Ebenen miteinander zu verrechnen und so etwas ganz neues entstehen zu lassen. Oder man experimentiert mit verschiedenen Looks, die mit einer intelligenten Auswahl mithilfe einer Pinselfunktion auf vereinzelte Elemente gelegt werden können. Die App bietet auf jeden Fall genug Spielraum, um sich kreativ auszutoben – und dabei kann ein Ergebnis auch mal etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen. Doch auch hier steht es einem immer noch offen, ob man das Ergebnis am Ende auf dem Desktop-Rechner anpassen und dafür an Photo­shop schicken will.

Rebekka Ludwig hat Kommunikationsdesign studiert und arbeitet als freie Grafikdesignerin in Nürnberg. Ihre Leidenschaft für Technik und den Workshopbereich gewann Sie während ihrer Zeit bei Apple. Seitdem begleitet sie Unternehmen im Foto- und Designworkflow ganz nach der Devise: das meiste aus seinen Werkzeugen herausholen, um mehr Zeit mit der kreativen Arbeit zu verbringen. rebekkaludwig.com