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Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


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Mit doppeltem Inkjet-Gewand

Der aktuelle Publisher demonstriert den «State of the Art» des heutigen Inkjet-Digitaldrucks. Nicht nur das Cover ist so produziert, sondern dank dem grossen Format kommt unsere Zeitschrift erstmals in einer individualisierten Faltschachtel zu den Abonnenten.

Martin Spaar Diesen Februar hat die Vögeli AG in Langnau im Emmental als erste Druckerei im deutschen Sprachraum ein B2-Bogen-Inkjet-Drucksystem vom Typ Screen Truepress JetSX installiert. Bei diesem Entscheid stand die Perspektive im Vordergrund, grössere Formate und verschiedenste Materialdicken individualisiert und personalisiert verarbeiten zu können. Das grosse Format von 53 × 74 cm und die Eignung für Grammaturen bis 600 g/m2 ermöglichen die Produktion von Faltschachteln – und dies in kleinen Auflagen oder sogar individualisiert. Es ging Vögeli also nicht um den sonst bei Digitaldruck-Investitionen immer wieder genannten Offset-Transfer. Im Gegenteil: Vögeli will sich mit der Truepress ganz bewusst Anwendungen erschliessen, die mit Offset gar nicht möglich sind.

So wollten wir mit der Vögeli AG als Partner auch mit dem Publisher etwas ganz Neues wagen: nämlich nicht einfach nur ein individualisiertes Cover, wie wir das schon mehrfach gezeigt haben, sondern eine individualisierte Faltschachtel für den Versand der Zeitschrift. Erste Vorabklärungen mit der Post zeigten, dass so etwas durchaus machbar ist.

So packte Mitinhaber Renato Vögeli als Projektleiter und GU dieses Projekt an und nahm die auf Verpackungen spezialisierte Glanzmann AG als Partner mit ins Boot. Deren Aufgabe bestand darin, eine Faltschachtel zu konstruieren, welche sich manuell ohne grossen Aufwand quasi als Versandmappe um ein Heft schlagen und einfach verschliessen lässt. Eine weitere zentrale Anforderung war die Postkonformität: Beispielsweise muss die Perforation zum Öffnen der Schachtel so konzipiert sein, dass die Lasche auf den Versandstrassen nicht hängen bleibt und sich öffnet.

Start mit 3D-Modell

Die Verpackungstechnologen bei Glanzmann lösten diese Aufgabe mit ArtiosCAD von Esko-Graphics, der meistverbreiteten Software für die Verpackungsentwicklung. Diese liefert ein eigenes Plug-in, um den zweidimensionalen 1:1 Stanzriss als eigenen Layer in Illustrator zu importieren. So arbeiten alle immer mit der vom Verpackungsspezialisten erstellten originalen Produktionsdatei und der Gestalter kann sich jederzeit die 3D-Darstellung der fertigen Verpackung anzeigen lassen (siehe Bild). Damit hat er eine einfache visuelle Kontrolle, ob die Umlauflinien und -flächen stimmen.

Geschäftsführer Guido Glanzmann stellt immer wieder fest, dass dieser Komfort verschenkt wird, indem Grafiker einfach mal irgendwie mit Illustrator oder InDesign mit einem Verpackungsdesign starten und den Verpackungsspezialisten erst zu spät kontaktieren: «Obwohl wir im Produktionsprozess zuletzt kommen, sollte man uns von Anfang an mit einbeziehen. So kann man viel unnötig verschwendete Zeit einsparen!»

Die Gestaltung ging von der Idee aus, unter dem Begriff «Packarama» eine kleine Verpackungswelt zu visualisieren: Ein Ausschnitt aus einer Stadt, in der jedes Gebäude individuell auf seinen Zweck und die Bedürfnisse der Bewohner zugeschnitten ist – genau so, wie man das auch von Verpackungen verlangt. Auch die U-Bahn und die Autos sind hier in kantigem Schachtel-Design gehalten. Als individualisierte Elemente sind Name und Adresse des Empfängers in das Ganze integriert. Zusätzlich findet sich über dem U-Bahn-Schacht eine persönliche URL (PURL). Die damit verbundene Website bieten zwei Bereiche: Unter dem Logo der swiss publishing days kann man sich komfortabel zur Konferenz «Inkjet macht Druck» anmelden; das Formular ist bereits mit den Personalien ausgefüllt. Und über das Packarama-Portal von Vögeli kann man eine individualisierte Schachtel mit Schokolade bestellen; auch als Geschenks-Überraschung für eine andere Person.

Das Cover nimmt das Sujet der Verpackung auf und zeigt eine Gesamtansicht des isometrisch gezeichneten Packarama-Häuserblocks. Die Sujets der Verpackung und des Covers wurden bewusst so gestaltet, dass die Screen Truepress JetSX ihre Stärken ausspielen kann: Die grossen Flächen sind in schwierigen Tertiärfarben gehalten, an denen sich die Operators Toner-basierter Systeme meist die Zähne ausbeissen. Hier liegen sie absolut ruhig und homogen. Unter der Lupe erkennt man den dank der kleinen Tröpfchengrösse sehr feinen Zufallsraster. Feine Linien und Schriften wirken absolut scharf, so zum Beispiel die 5-Punkt-Schrift der Unterzeile des Vögeli-Logos auf der Rückseite des Covers. Zudem zeichnet sich das Druckbild durch seine Offset-Anmutung aus – es gibt hier keinen störenden Glanz wie bei gängigen Toner-Systemen.

Hohe Verfügbarkeit

Gedruckt wurden Cover und Verpackung in der höchsten Qualität von 1440 × 1400 dpi mit einer Geschwindigkeit von 800 B2-Bögen pro Stunde. Das ergab für die gut 5500 Verpackungen unseres Aboversandes eine Produktionszeit von rund sieben Stunden. Damit war dies der erste grössere Druckjob, welchen die Vögeli AG auf ihrem neuen System produziert hat. Die Erfahrungen waren dabei sehr positiv. Hervorzuheben ist hier gemäss Renato Vögeli die hohe Verfügbarkeit des Systems; es sind kaum Wartungsarbeiten nötig, welche die Produktion blockieren. Dies relativiert die im Vergleich zu anderen High-end-Digitaldrucksystemen tiefere Druckgeschwindigkeit der Truepress JetSX. «Was zählt ist die Produktivität pro Tag und nicht die Seitenleistung pro Minute», so Renato Vögeli.

Weiter fand Renato Vögeli bei anderen Druckjobs die Marketing-Botschaft Screens bestätigt, dass sich auch ungestrichene Papiere in hoher Qualität bedrucken lassen. Gemäss Vögeli ist dafür die richtige Profilierung des Papiers entscheidend. Diese nimmt einige Zeit in Anspruch, muss aber je Sorte nur einmal gemacht werden. Die hohe Konstanz der Maschine soll garantieren, dass man auch nach einem Jahr mit dem selben Profil optimale Resultate erzielen kann.

Digitaler Relieflack

Die Faltschachtel ist zusätzlich mit einem Relieflack veredelt, welcher die Strukturen der Gebäude hervorhebt und den Fenstern Glanz verleiht. Hier konnte die Vögeli AG eine weitere Spezialität ihres Maschinenparks ins Spiel bringen: die Scodix 1200. Dieses digitale System trägt einen Dickflüssigen UV-Lack in einer Stärke bis zu 70 Mikrometer auf. Der Hersteller spricht dabei von «Digital Embossing». In unserem Fall wurde dabei ein spezieller Relieflack mit der Bezeichnung PolySense verwendet, der sich durch einen besonders starken Glanz auszeichnet. Wie man sich anhand unserer Faltschachtel ebenfalls überzeugen kann, bietet die Scodix eine perfekte Registerhaltigkeit. Renato Vögeli sieht in diesem System somit eine ideale Ergänzung zur Truepress. Dies umso mehr, als damit auch individualisierte Reliefeffekte möglich sind.

Nach dem Druck gingen die Covers zu Jordi auf den Sammelhefter und der Druckbogen für die Faltschachtel zu Glanzmann zum Stanzen. Die Stanzform wurde von der Firma Marbach geliefert, welche die Stanzmesser ab den CAD-Daten hoch automatisiert produziert. Nur das Einsetzen der Messer in die Form erfolgt nach wie vor in präziser Handarbeit. Zum Stanzen verwendet Glanzmann eine grossformatige Heidelberg Dymatrix mit einer Nennleistung von 9000 Bogen pro Stunde – unsere 5500 Faltschachteln waren da rasch gestanzt und ausgebrochen. Dank eines Klebeband-Applikators auf der Faltschachtelklebemaschine konnten auch die Klebestreifen in kurzer Zeit aufgebracht werden.

Zur Spedition kehrten die fertigen Hefte und Faltschachteln wieder zurück ins Emmental, nämlich zur BWO in Langnau. Diese Stiftung engagiert sich für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung und konnte in ihrer Werkstätte das manuelle Verpacken der Zeitschriften innerhalb von zwei Arbeitstagen bewältigen. Dabei wurden die Zeitschriften anhand der rechts im Adressfeld eingedruckten Informationen zu Postbünden zusammengetragen, um vom entsprechend günstigeren Porto zu profitieren. Dies machte den ganzen Produktions-Workflow noch anspruchsvoller, indem vom Druck über das Stanzen bis zum Verpacken nicht nur darauf geachtet werden musste, dass kein einziger Bogen durch Beschädigung verloren ging, sondern auch darauf, dass die Sortierung exakt erhalten blieb. Wenn Sie jetzt als Abonnent Ihren Publisher in Händen halten, spricht das dafür, dass das alles wunderbar geklappt hat ...

Und die Kosten?

Bei so aufwendigen Projekten, wie wir sie jeweils mit unseren Covers demonstrieren, stellt sich schnell auch die Frage nach den Kosten. Auch hier ist diese berechtigt, umso mehr, als die Seitenpreise im Bogen-Inkjet-Digitaldruck im Vergleich zu dem mit Toner in der Regel höher liegen. Auf diesen Punkt angesprochen meint Renato Vögeli: «Wir zielen mit der Truepress auf Auflagen unter 1000 Exemplaren. Da ist der Seitenpreis nicht entscheidend. Was zählt ist eine Gesamtlösung, welche die Bedürfnisse des Kunden perfekt abdeckt. Damit wollen wir uns künftig profilieren.»

Solche Lösungen sieht Renato Vögeli vor allem auch in der Kombination des individualisierten Digitaldrucks mit Marketing-Portalen. In diesem Bereich arbeitet man schon seit gut vier Jahren mit der XMPie-Software von Xerox. Damit lassen sich Kundenportale aufsetzen, über welche sich individualisierte Drucksachen auch ab hochgeladenen Adressen generieren lassen. Und diese Drucksachen können – wie wir hier zeigen – durchaus auch Verpackungen sein. Wie sagt der Emmentaler doch so schön: «Publishing 3.0 at its best!»

Screen Truepress JetSX

Die Screen Truepress JetSX ist die erste Vierfarben-Duplex-Inkjetmaschine für den B2-Bogendruck. Gegenüber den heute verbreiteten Toner-basierten Digitaldrucksystemen kann sie vor allem mit dem grossen Format, der Möglichkeit, dicke Medien zu bedrucken und nicht zuletzt der Druckqualität punkten. Gleichzeitig leidet sie kaum an der sonst bei Inkjet-Systemen üblichen Einschränkungen bezüglich der Medienvielfalt; Screens spezielle Tinten- und Trocknungs-Technologie erlaubt den Druck auch auf ungestrichene Medien ohne Vorbehandlung und in hoher Qualität.

Die Prints der Jet SX zeichnen sich durch eine mit Toner kaum zu erreichende Offset-Anmutung aus. Dies vor allem dank der kleinen Tropfengrösse und der damit möglichen Auflösung von 1440 × 1440 dpi mit vier Graustufen. Dadurch erübrigt sich der Einsatz von Light Cyan oder Light Magenta, da die kleinen Tröpfchen auch in feinen Tönen gleichmässige Flächen erlauben, ohne dass ein Raster oder eine Körnung sichtbar ist. Darüber hinaus bleibt durch den dünnen Farbauftrag die Charakteristik der Papieroberfläche erhalten – ganz wie im Offsetdruck.

Mit dem grossen Format und der Möglichkeit, auch Karton zu bedrucken, eröffnet die Truepress ganz neue Einsatzbereiche im Bereich des kleinauflagigen bzw. individualisierten Verpackungsdrucks. Gerade zusammen mit Internet-Portalen sind diesbezüglich vielversprechende Lösungen realisierbar.

Drucktechnologie: Piezo-Inkjetdruck mit wasserbasierten Pigmenttinten (CMYK); 1440 × 1440 oder 1440 × 720 dpi Auflösung.

Druckgeschwindigkeit: 1620 Bögen pro Stunde simplex, entspricht 108 A4-Seiten pro Minute; beides bei 1440 × 720 dpi.

Papierformate: minimal 394 × 545 mm, maximal 530 × 740 mm; ­maximaler Druckbereich: 520 × 730 mm

Mediendicke: von 0,08 bis 0,6 mm; entspricht ca. 80 bis 600 g/m2

Vögeli AG – Publishing 3.0 im Emmental

Die Vögeli AG ist ein über 100-jähriges Familienunternehmen. Heute zählt die Firma aus dem Emmental rund 50 Mitarbeiter/innen und wird bereits in der vierten Generation geführt. Die Entwicklung von der klassischen Druckerei zum Lösungsanbieter für die Produktion von Marketing- und Kommunikationsmitteln hat bereits vor fünf Jahren begonnen. Heute bietet die Vögeli AG nebst dem Druck von Werbedrucksachen hauptsächlich Produktion und Dienstleistungen rund um Directmailings, crossmediale Directmailing-Kampagnen und Marketingportale an. Diese werden jeweils optimal auf die Kunden und deren Bedürfnisse abgestimmt.

Die Vögeli AG will es ihren Kunden ermöglichen, nach Bedarf und innert kürzester Zeit qualitativ hochwertige Marketing- und Kommunikationsmittel – individualisiert und personalisiert auf das Zielpublikum – herzustellen. Deshalb ist die Firma in der Digitalisierung der Produktion zwei Schritte vorwärts gegangen. Zum einen mit der Investition in eine Scodix S digital Press zur digitalen Auftragung von Relieflack. Zum anderen mit einer Screen Truepress Jet SX für den digitalen Inkjetdruck im Format 50 × 70 cm für Papierstärken bis zu 0,6 Micron. Mit dieser Infrastruktur und den Möglichkeiten massgeschneiderter Marketingportale und crossmedialer Kampagnen ist die Firma überzeugt, dem Markt genau das zu bieten, was heute benötigt wird, um mit seinen Marketing- und Kommunikationsmitteln erfolgreich zu sein.

Vögeli AG, 3550 Langnau i.E., Tel. +41 34 409 10 20, www.voegeli.ch

Produktionspartner

Bei der Produktion des Covers dieser Ausgabe des PUBLISHER unterstützten uns folgende Partner, bei denen wir uns herzlich bedanken:


Glanzmann Verpackungen AG
Konstruktion und Ausrüsten der Faltschachtel

www.glanzmann-verpackungen.ch


Jordi AG – das Medienhaus
Druck Heftinhalt und Ausrüsten der Zeitschrift.
Projektleitung: Jürgen Schluchter

www.jordibelp.ch

Screen Europe
Projektleitung: Patrick Jud

www.screeneurope.com

Vögeli AG
Konzeption und Druck des Covers und der individualisierten Faltschachtel inklusive Veredelung.
Projektleitung: Renato Vögeli

www.voegeli.ch

Making-of als Referat

Am swiss publishing day vom 20. Mai 2014 in Winterthur steht der Inkjet-Digitaldruck im Zentrum. Unter anderem wird Renato Vögeli in seinem Referat das hier beschriebene Projekt im Detail vorstellen.Neben weiteren Referaten zu erfolgreichen Geschäftsmodellen und dem aktuellen Stand der Inkjet-Technologie wird ein separater Themenblock aufzeigen, welche Chancen der Digitaldruck Prepress-Profis bietet und welche Kompetenzen künftig besonders gefragt sein werden. Zu den Highlights in diesem Block gehören zwei Referate von Adobe-Evangelist Rufus Deuchler zu den Neuheiten der Creative Cloud und zu Adobe Muse sowie eine Session von «PDF-Papst» Stephan Jaeggi zu den speziellen Möglichkeiten von PDF/X-4 und PDF/VT.

Wer sich über die persönliche URL auf der Faltschachtel anmeldet, profitiert automatisch von einem Spezialpreis von 190 statt 250 Franken.

www.swiss-publishing-days.ch