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Reden �ber Farbe

Der Begriff Farbkommunikation bezieht sich überwiegend auf den Datenaustausch oder auf ästhetische Aspekte. Das Sprachliche wird völlig vernachlässigt, was zu teuren Missverständnissen führen kann. Wie tauscht man sich über Farbe aus? 

Christoph SchäferEin aktueller Werbetext auf der X-Rite-Website trägt den Titel «Gemeinsame Sprache bei der Farbkommunikation» (bit.ly/farbkommunikation). Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass es nicht um Sprache, sondern um Produkte von X-Rite zur Sicherstellung von Farbgenauigkeit geht, und X‑Rite steht mit solcherlei Phrasen keineswegs alleine da.

Der Kontakt mit Kunden oder Geschäftspartnern findet aber nicht nur in technischer, sondern auch in verbaler Hinsicht statt. Hier lohnt es sich, wie in anderen Fällen auch, eine gemeinsame sprachliche Basis zu finden, um sicherzustellen, dass alle Seiten wissen, worüber sie reden.

Leider ist die Terminologie, um die es hier in erster Linie geht, alles andere als eindeutig. Das beginnt schon mit der Farbwissenschaft, der es als typischem «Kombifach» aus verschiedenen Disziplinen (Natur-, Ingenieur- und Humanwissenschaften, Kunst und Design) bis heute noch nicht gelungen ist, einen einigermassen kohärenten Begriffs­apparat zu schaffen.

Erschwerend kommt die unterschiedliche Verwendung von Wörtern in der Fach- und der Gemeinsprache hinzu, denn so wie ein «Schusterjunge» für den Schriftsetzer eine andere Bedeutung hat als für Nichtfachleute, gilt dies auch für Wörter wie «Farbe» oder «bunt».

Als ob das alles nicht schon kompliziert genug wäre, werfen Softwarehersteller den Anwendern ihrer Programme und deren Kunden weitere Knüppel zwischen die Beine, indem sie selbst für etablierte Begriffe ganz eigene Bezeichnungen verwenden, z. B. «Substrat», «Arbeitsfarbraum» oder «Modus».

Was ist Farbe?

Die Schwierigkeiten beginnen im Grunde genommen schon mit dem Wort «Farbe» selbst, denn dieses hat verschiedene Bedeutungen. Farbe als physikalisch-technisches Phänomen lässt sich einerseits genau messen und andererseits (in Grenzen) verlässlich reproduzieren. Da verschiedene numerische Beschreibungsmöglichkeiten existieren, kann man Farbe auch mathematisch definieren und berechnen, wobei jedoch das Risiko besteht, physikalisch «unmögliche» Farben zu kalkulieren.

Was eine Farbe für Lebewesen ist, steht wiederum auf einem ganz anderen Blatt und unterscheidet sich von Spezies zu Spezies. Beim Menschen muss natürlich dessen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsapparat, d. h. Augen und Gehirn, in den Mittelpunkt gestellt werden. Für den Unterschied zwischen der physikalischen und der biologischen Farbe kann man zwischen Farbreiz einerseits und Farbempfindung bzw. -wahrnehmung andererseits unterscheiden.

Hinzu kommen schliesslich «anfassbare» Farben: Drucktinte, Malerfarben, die man als Farbmittel bezeichnet.

In der Farbwissenschaft wird zwischen «bunten» und «unbunten» Farben unterschieden, wobei nicht bei jedem Ansatz klar ist, ob «unbunt» als Farbe zu gelten hat. Als «unbunt» gilt alles, was sich ausschliesslich zwischen den Polen Schwarz und Weiss aufgrund der Farbhelligkeit definieren lässt.

Dies ist nicht die einzige Möglichkeit zur Kategorisierung der Farbgebung. In der Heraldik (Wappen und Flaggen, wofür heute so gut wie ausschliesslich Vektorprogramme verwendet werden) wird beispielsweise zwischen «Metallen» und «Farben» unterschieden, und es gilt die Regel, dass diese einander abwechseln müssen. Als «Metalle» gelten die unbunten Farben («Silber») sowie alle Variationen von Gelb («Gold»).

Modelle und Räume

Zu den häufigsten Missverständnissen in der verbalen Farbkommunikation trägt die Verwendung des Begriffs «Farbraum» bei. Häufig meinen Anwender und Kunden damit den Unterschied zwischen RGB und CMYK. Bei Letzteren handelt es sich jedoch um Farbmodelle, das heisst um standardisierte numerische Angaben, mittels derer Farben definiert werden können, und es sind keineswegs die einzigen.

Ein Farbraum ist hingegen eine Kombination aus einem Farbmodell und einer Definition der Bedeutung der Zahlen, in der sich der Gamut, das heisst die Gesamtheit der in diesem «Raum» darstellbaren Farben befindet.

Dazu ein Beispiel: Im RGB-Farbmodell werden die Farben auf einer Skala von 0 bis 255 pro Farbkanal definiert. Angenommen, ein Bild liegt als sRGB vor, und der maximale B-Wert sei 255. Wenn man nun das Farbprofil ändert und beispielsweise ECI-RGB verwendet, das einen grösseren Gamut erlaubt, ist der B-Wert wesentlich niedriger. Übergibt man nun ein solcherart geändertes Bild an einen Druckprozess, der sRGB voraussetzt und Farbprofile ignoriert, so wird man ein stark verblasstes Blau erhalten.

Angaben in Farbmodellen allein sind also generell nutzlos, denn nur die Kombination von Modell und Profil stellt einen Farbraum dar.

Faktor Technik

Farbprofile sind im Grunde genommen nichts anderes als Beschreibungen der technischen Eigenschaften eines Gerätes sowie dessen Ausgabekapazitäten, und das Format zur Speicherung der Profile (ICC, ICM) ist seitens des International Color Consortiums (ICC) standardisiert. Indes muss man hier zwischen individuellen Profilen und Normen unterscheiden. Individuelle Profile beruhen auf Messungen an einem spezifischen Gerät, das heisst ein Profil enthält die Eigenschaften eines Druckers, Monitors usw. Bei Normprofilen (z. B. FOGRA 39) verhält es sich gerade umgekehrt, denn hier wird die Ausgabe eines Gerätes an die Norm angepasst und dafür optimiert.

Faktor Mensch

Einen gänzlich anderen Ansatz als den gerätebezogenen bietet die Commission Internationale de l’Eclairage (CIE) mit LAB (auch als L*a*b* oder einfach Lab bekannt). Bei LAB handelt es sich einerseits um ein Farbmodell (L = Helligkeit, a = Rot-Grün-Achse, b = Gelb-Blau-Achse), aber zugleich auch um einen Farbraum, nur dass LAB geräteunabhängig ist, weil es die menschliche Farbwahrnehmung zugrunde legt. LAB ist heute gewissermassen der Urmeter aller Farbmanagement-Systeme, die Umwandlungen von einem Farbraum in einen anderen vornehmen, und bessere Programme bieten heute die Bearbeitung von Farben im LAB-Modus an.

Faktor Licht

In der verbalen Kommunikation mit Kunden ist es oft wichtig, darauf hinzuweisen, dass das, was sie am Bildschirm sehen, nicht dem Druckergebnis entsprechen wird, denn erstens dürfte deren Monitor nicht kalibriert sein, und zweitens ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Farbtemperatur von deren Display zu hoch eingestellt. Der Auftragnehmer weiss das (hoffentlich), aber man muss es Kunden bei der digi­talen Übertragung von Proof­dateien auch mitteilen, um sich unnötige Beschwerden zu ersparen.

Ist allerhöchste Präzision gefragt, kommen weitere Faktoren hinzu, nämlich Beleuchtungsverhältnisse und ein Betrachtungswinkel, die allesamt normiert sind, um die Messbarkeit zu gewährleisten. Das Messergebnis ist wiederum in Spektralfarben gespeichert, die auch die Grundlage für die Farb­rezeptur von Sonderfarben bilden.

«System» oder System?

Bekanntermassen lassen sich nicht alle wahrnehmbaren Farben mit den Prozessfarben (C, M, Y, K) drucken. Für Problemfälle existieren sogenannte Sonderfarben, auch Vollton- oder Schmuckfarben genannt, für die im Offsetdruck eine oder mehrere zusätzliche Druckplatten erzeugt werden müssen, auf die jeweils speziell angemischte Druckfarben aufgetragen werden, oder deren Mischungsverhältnis in der Treibersoftware einer digitalen Druckmaschine hinterlegt ist. Die Verwendung von Sonderfarben ist generell ein Kostentreiber, und dies sollte Kunden gegenüber auch klar angesprochen werden. Darüber hinaus lohnt es sich, mit Kunden über medienneutrale Farbausgabe zu reden.

Verschiedene Anbieter buhlen mit ihren Farbreferenzen und entsprechenden Rezepturen sowie digitalen Farbpaletten um die Gunst der Anwender. Der bekannteste ist wohl Pantone. In Europa gibt es zusätzlich noch HKS, RAL, NCS oder die auf LAB aufbauenden HLC-Farbreferenzen sowie weitere eher spezialisierte Sammlungen.

Einige Hersteller bezeichnen ihre Angebote als Farbsysteme («Pantone Matching System», «Natural Colour System»), aber dies trifft im Wortsinn nicht immer zu. NCS ist beispielsweise systematisch aufgebaut, das heisst die Farben stehen in einem mathematisch nachvollzieh- und berechenbaren Verhältnis zueinander, und zu jeder existierenden Farbe existiert eine Gegenfarbe. So lassen sich Farbharmonien aller Art erzeugen. Auch die HLC-Farbreferenzen gehören in diese Kategorie. Die Farben von HKS, Pantone, RAL stellen hingegen keine Systeme, sondern Farbkollektionen dar, die auf eine relativ lange Geschichte zurückblicken können (RAL: 1920er-Jahre, PMS und HKS: 1960er-Jahre) und bei Bedarf erweitert oder auch reduziert wurden. Zumindest wer im Siebdruck arbeitet, sollte Kunden über die sich daraus ergebenden Einschränkungen aufklären.

Schriftliche Präzision gefragt

In der schriftlichen Kommunikation mit Kunden ist es auch erforderlich, dass beide Seiten sich so klar wie möglich ausdrücken. Leider hat die «reformierte» Rechtschreibung bei Farben Unklarheiten geschaffen, derer man sich bewusst sein und sie dann ignorieren sollte. Die wohl bedeutsamste ist das Verwischen des Unterschieds zwischen Farbmischungen und Farbkombinationen: zwischen «blaugelb» (eine Farbe) und «blau-gelb» (zwei Farben) soll kein Unterschied mehr bestehen. Das kann zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeuten, wenn die verbale Kommunikation mehrere Instanzen beinhaltet, weshalb man diese Differenzierung besser nicht aufgibt.

Das Wort «greulich» (grauenvoll) wurde im Zuge der Rechtschreibreform in dieser Form abgeschafft und mit dem Farbadjektiv «gräulich» gleichgesetzt. Es ist aber ein Unterschied, ob man einem Kunden von der Wahl einer greulichen oder gräulichen Farbe abrät. Die Beibehaltung der Unterscheidung hilft daher, Arbeitszeit und damit Kosten zu sparen.

Fazit

Konfuzius soll gesagt haben: «Wenn die Sprache nicht stimmt, dann ist alles, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist … Also dulde man keine Willkür in den Worten.» Dieser Anspruch lässt sich auch auf das Reden über Farbe übertragen, und zwar schon im eigenen Interesse. ↑