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Tonwertabrisse: vermeidbar?

Die exakte und kontinuierliche Wiedergabe von ­Farbverläufen ist auf Bildschirmen in der Regel kein Problem. Anders verhält es sich im Druck.

Ralf TurtschiDas menschliche Auge reagiert nicht auf alle Erscheinungen im Blickfeld gleich empfindlich. Wir sind nun einmal darauf konditioniert, Bewegungen schneller wahrzunehmen als stehende Bilder. Ein ruhiges Eichhörnchen ist auf dem Waldboden kaum zu sehen. Wenn es sich jedoch bewegt, können wir es ohne Probleme entdecken. Farben können wir schlechter unterscheiden als unterschiedliche Helligkeiten. Das Muster eines Leoparden verschleiert seinen Körper perfekt im Umfeld, wenngleich es nicht sattgrün wie ein Blätterwald angelegt ist.

Helligkeitsunterschiede existieren bei harten Bildkanten, die Figuren vor einem Hintergrund abheben. Reprotechnisch gesehen haben wir es mit einem Kontrast zu tun: Helle Stellen stehen Seite an Seite mit dunklen Stellen. Helligkeitsunterschiede sind jedoch auch bei Verläufen auszumachen. Ein Verlauf ist eigentlich der Normalfall: Überall, wo Licht von einem Körper reflektiert wird, verursacht der Lichtabfall einen Verlauf.

Wo stören Abrisse?

Es gibt drei Problemzonen. Erstens: In den hellsten Tönen ist keine Schattenzeichnung mehr sichtbar, die Töne fressen aus. Vor allem in den Randzonen wirkt sich dies störend aus. Ausgefressene Wolken ohne Zeichnung wirken unnatürlich und fehlerhaft. Auch ein weisser Studiohintergrund kann ausfressen. Die zweite Problemzone betrifft dunkle Schattenpartien, die zulaufen und keine Zeichnung mehr aufweisen. Ein schwarzes Kleidungsstück ohne jegliche Zeichnung wirkt flächig und nicht eben textil. Die dritte Problemzone sind die hier angesprochenen Tonwertabrisse, die nur in Verläufen ohne Struktur zu sehen sind. Beim Licht und in der Tiefe sind oft die mangelhafte Linearisierung, Kalibrierung oder Profilierung Schuld. Ein Laser, der eine Druckplatte oder fotochemisches Papier belichtet, toner- oder tintenbasierte Digitaldruckmaschinen – alle haben ihre Eigenfehler. Sie können nicht alle Tonwerte auf alle möglichen Substrate perfekt vom hellsten bis zum dunkelsten Ton wiedergeben. Man spricht auch von Gamut, dem erreichbaren Farbraum, der sich von System zu System etwas unterscheidet. Dabei spielt nur untergeordnet eine Rolle, ob man mit sRGB oder Adobe RGB arbeitet. Die Umrechnung von RGB zu CMYK spielt eine wesentlich gössere Rolle. Fotochemische Papiere haben eher Probleme mit Gelbtönen, können dafür Blautöne intensiver wiedergeben. Im Tintenstrahldruck (Fine Art Print) werden oft mehr als 4 Farben gedruckt, daraus resutiert eine höhere Dichte und Intensität. Im Offsetdruck kennt man Druckkennlinien, welche die Charakteristik der Maschine festhält. Jede Farbe in CMYK hat eine leicht veränderte Kennlinie. Die Mitteltonwerte werden eher dunkler gedruckt als die hellen. Wenn man diese Eigenheiten kennt, kann mit einem Farbprofil Gegensteuer geben und den Maschinenfehler dort «vorkompensieren». Das Problem der Tonwertabrisse ist also vielgestaltig und kann nicht einfach so per Rezeptur behoben werden.

Tonwertabrisse vermeiden

Ein Tonwertabriss bedeutet, dass die Farben des Verlaufes nicht kontinuierlich, sondern in Stufen wiedergegeben werden, wie innerhalb der weissgestrichelten Linien im Aufmacherbild dargestellt wird. Das Phänomen wird auch mit dem englischen Namen Banding beschrieben. Es scheint so, dass gewisse Töne in den Verläufen fehlen, einfach nicht vorhanden sind. Viele Tonwertabrisse entstehen bei der Postverarbeitung in Camera RAW (Lightroom, Capture One oder Photoshop), wenn die Farbsättigung übertrieben erhöht wird, mit dem Entrauschen übertrieben wird, Tiefen und Lichter falsch gesetzt werden oder eine starke Tonwertkorrektur (Gradation aufsteilen) stattfindet. Auch durch eine grosse JPEG-Komprimierung tritt Banding auf. Es scheint so, dass auch der Skalierungsfaktor eine Rolle spielt und Bilder generell fürs Ausgabeformat im Massstab 1:1 aufbereitet werden sollten.

So oder so: Wenn Bilder Verläufe aufweisen, kann je nach Qualitätsanspruch eine Probebelichtung oder ein Probedruck die Problematik aufzeigen, bevor der Schaden angerichtet ist. Der Gang zum regionalen Fachgeschäft ist angezeigt. Die Internetbestellung kann solche Qualitätsansprüche nicht befriedigen. ↑ 

Tonwertabrisse und fotochemisches Papier

Roland Waller ist Geschäftsführer der Prociné, Wädenswil (procine.ch), einer Manufaktur hochwertiger Fotoprodukte für Berufsfotografen und anspruchsvolle Amateure. Er kennt die Problematik rund um Tonwertabrisse. «Wir können natürlich nicht Kundendaten verändern, um Probleme zu vermeiden», meint Waller, «eine Vorbesprechung immerhin kann helfen, die Absicht und die Qualitätsansprüche zu klären. Tonwertabrisse sind heimtückisch, da sie selten auf dem Bildschirm sichtbar sind. Erst in der Ausgabe können sie sich zeigen. Gerade bei unserem hochpräzisen Laserbelichtungsverfahren auf Silberhalogenid-Fotopapier wird jedes Detail sichtbar. Es gibt einige Ursachen, die sich immer auch gegenseitig beeinflussen. Es kommt auf die Aufbereitung im RAW-Converter oder in Photo­shop an, auf das Speicherformat, auf die Technologie, die Sub­strate, ob Fotopapier oder Fine Art Print. Wir kontrollieren unsere Produkte genaustens – und falls Fehler sichtbar werden, nehmen wir Kontakt mit den Kunden auf, um gemeinsam eine Lösung zu finden.»

Wie entstehen Tonwertabrisse?

Tonwertabrisse entstehen häufig, wenn die Gradation aufgesteilt wird. Die Gradationskurve zeigt links die Eingabeseite (Screen), unten wird die Ausgabeseite (Print oder ebenfalls Screen) dargestellt. In einer «normalen» Reproduktion werden alle Graustufen links 1:1 übertragen, sodass sie unten auf der Ausgabeseite ebenfalls vertreten sind, wie in der Grafik links dargestellt. 9 Tonstufen von 30–70% werden auf der Ausgabeseite ebenfalls mit 9 Tonwertstufen wiedergegeben. Um das Bild etwas knackiger, farbiger, kontrastreicher darzustellen, steilt man die Gradationskurve etwas auf. Siehe Darstellung in der Mitte. Im Beispiel stehen auf der Ausgabeseite für die ursprünglich 9 Tonwertstufen nur noch 5 Stufen zur Verfügung. Diese 5 Stufen werden nun auf den Tonwertumfang von 9 Stufen gespreizt. Das heisst, die Tonwertübergänge sind nicht mehr so fein abgestuft, es ergeben sich sichtbare Stufen. In der dritten Grafik rechts ist eine sehr steile Gradationskurve dargestellt. Daraus ergibt sich ein harter Kontrast, im Mitteltonbereich sind nur wenige Stufen vertreten. Dafür werden im Licht und in den Tiefen viele Graustufen verteilt, dort gibt es weiche Übergänge. Der wesentliche Bildeindruck entsteht oft im Mitteltonbereich – hier stehen in unserer Grafik rechts nur noch 3 Tonwertstufen zur Verfügung, um die ursprünglichen 9 Stufen darzustellen. So entsteht eine Trennung zwischen den Tonwerten, was sich als Tonwertabrisse in der Reproduktion darstellt. Abhilfe schafft eine Verflachung oder eine partielle Korrektur mit einer flachen Gradationskurve in der Problemzone.

Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG, ­visuelle Kommunikation, 8800 Thalwil. Der ­­Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als ­Dozent beim zB. Zen­trum Bildung, Baden, tätig, wo er beim ­Diplomlehrgang Fotografie Fotobuchgestaltung lehrt und an der Höheren Fachschule für Fotografie das ­Studienfach Design unterrichtet. ­Kontakt: agenturtschi.ch­turtschi@agenturtschi.ch, Telefon +41 43 388 50 00.

Abrisse in der Bildverarbeitung

Die meisten Tonwertabrisse entstehen bei der Postverarbeitung in Lightroom, CaptureOne oder Photoshop. Zu Dieter Wassmer, Pan Publishing AG, kommen die Kunden, wenn sie nicht mehr weiter wissen oder die Bildverarbeitung perfektionieren wollen. Für Wassmer liegt das Problem der Tonwertabrisse nicht bei der Kameraaufzeichnung: «In ganz seltenen Fällen kann das bei einer bestimmten Lichtsetzung passieren», meint der Coach, «meistens jedoch ist schlicht eine Kontraststeigerung im Bild schuld. Die Leute wollen das Bild knackiger, kontrastreicher und bedienen sich der Schieberegler, ohne sich vielleicht bewusst zu sein, was technisch im Bild passiert!» In vielen Fällen geht das auch gut, denn Tonwertabrisse sind bei Fotos mit Strukturen oder viel Detailzeichnung nicht sichtbar. «Tonwertabrisse sind vor allem im Ausgabekanal Cyan und Schwarz problematisch. In Magenta kommen sie weniger vor und im hellen Gelb sieht man sie nicht.

Folgedessen sind ­Tonwertabrisse typischerweise in ­Farbbildern mit einem blauen Himmel oder in Studio­aufnahmen mit weissem, grauem oder schwarzem Verlaufshintergrund betroffen. Auch die Schwarz-Weiss-Fotografie ist tangiert, und feine Schatten mit Verläufen können unschöne Abrisse zeigen.
Die Abrisse entstehen auch bei der Umwandlung vom RGB- zum CMYK-­Modell für die Ausgabe. Mit dem Rendering Intent wird der RGB- in den CMYK-Farbraum konvertiert. Da gibt es zwei Methoden: Perzeptiv (oder fotografisch) heisst wahrnehmungsorientiert, die Farben werden im Verhältnis angepasst, der Gesamteindruck bleibt erhalten, die Sättigung geht etwas verloren. Hier wird der RGB-Farbraum gesamthaft «gestaucht». Farbmetrisch heisst Erhalten der Farbtöne auf Kosten des relativen Gesamtverhältnisses. Beide Methoden können sich als richtig erweisen – es kommt auf die beabsichtigte Wirkung an. Hier wird der Farbraum selektiv «beschnitten».

«Wichtig scheint mir, dass die Schieberegler in Lightroom/Photoshop weniger extensiv betätigt werden, dies hilft sicher, Probleme bei Tonwertabrissen zu vermeiden», meint der Experte, «sie im Nachhinein mit Weichzeichnungsfiltern zu retuschieren, ist immer die zweitbeste Lösung – und sehr aufwendig!»

Tonwertabrisse in Lightroom vermeiden

Mit den verschiedenen Schiebereglern bei Tonwert und ­Präsenz wird der Kontrast, das heisst die Steilheit der Gradationskurve, bestimmt. Im ersten Bild unten wurde automatisch angewählt, das Foto wirkt stumpf. Im zweiten Bild wurden die Schieberegler verstellt, sodass der Kontrast und die Farbsättigung erhöht werden. Wer mit diesen Schiebereglern weniger extensiv umgeht, hat gute Chancen, weniger Tonwertabrisse zu erleben.

Dieter Wassmer ist Berufsschullehrer an der Schule für Gestaltung, Aarau und Mitinhaber der PAN Publish­ing AG, panag.ch. Er ist gelernter Reprofotograf und Lithograf und hat sich weit über die Grenzen hinaus als Experte von Photoshop, Lightroom und Color Management einen Namen gemacht.