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Transformieren und verformen

Illustrator kennt verborgene Wege für Transformation und Verformung. Einige dieser Vorgänge führen zur Trickkiste der Effekte. Transformierte und verformte Objekte sind ideal für Hintergründe, Muster, Verzierungen oder zum Export in andere Programme.

Andreas Burkard Dass Adobe mit Illustrator ein leistungsfähiges Grafik- und Zeichnungsprogramm hat, ist weitläufig bekannt. Es gilt seit Jahren als Standardanwendung auf dem Gebiet der Vektorgrafik.

Doch dass dieses viel gepriesene Programm nicht über einen klar ersichtlichen Befehl für die mehrfache Platzierung oder Verschiebung eines Objekts verfügt, darüber wundern sich immer wieder Neueinsteiger und Gelegenheitsanwender. Denn praktisch alle bekannten objektorientierten Programme bieten im Menü Bearbeiten einen entsprechenden Befehl wie beispielsweise Duplizieren und versetzt einfügen – oder so ähnlich. Bloss Adobe Illustrator nicht …

Der Effekt Transformieren

Um in Illustrator ein Objekt mehrfach einzufügen, muss man einen kleinen Umweg zum Menü Effekt machen. Dort befinden sich unter Illustrator-Effekte die Verzerrungs- und Transformationsfilter. In diesem Bereich wird der Befehl Transformieren aufgeführt.

Um ein Objekt mehrfach einzufügen, wählt man im Fenster Transformieren eine horizontale oder eine vertikale Verschiebung. Möchte man keine Überlappungen, so stellt man den Wert höher ein als die Objekthöhe oder -breite. Danach gibt man bloss noch die Anzahl der Kopien ein. Eine Vorschau hilft stets bei der Umsetzung.

Ein wichtiger Aspekt bei der Umsetzung ist jeweils der Ursprungspunkt. Im Fenster Transformieren ist dieser Ursprungspunkt unten links sichtbar. Hier handelt es sich um den Referenzpunkt, von welchem aus die Transformation vorgenommen wird. Eine aktivierte Vorschau hilft schnell zum passenden Resultat zu finden.

Das Aussehen

Etwas sehr Grundsätzliches in Adobe Illustrator haben die Befehle im Menü Effekt. Diese ergeben ein Aussehen. Das heisst, die Grundform wird nicht verändert. Gut erkennbar ist das jeweils in der Pfadansicht (Menü Ansicht > Pfadansicht). Ist ein Objekt mit dem Effekt Transformieren mehrfach eingefügt, zeigt die Pfadansicht nach wie vor bloss die unveränderte Grundform.

Aussehen sind im gleichnamigen Bedienfeld aufgeführt. Dort steht nun beim ausgewählten Grundobjekt Transformieren. Ein Klick auf den Eintrag öffnet das Fenster Transformieren erneut. So wird schnell klar, wozu das Bedienfeld Aussehen bestimmt ist: Ein angewandter Effekt ist über das Bedienfeld Aussehen jederzeit editierbar.

Der Strahleneffekt

Nachdem nun Grundsätzliches geklärt ist, möchte ich aufzeigen, wie man mit Transformieren interessante Formen erzeugen kann.

Als Erstes wird ein Strahleneffekt erzeugt. Eine solche Form kann oft als interessanter Hintergrund dienen. Dazu erstellt man ein Rechteck und platziert dieses vorzugsweise von der Mitte bis zur oberen Kante der Zeichenfläche. Man kann dabei beliebige Farben, Verläufe, Transparenzen wie Deckkraft oder unterschiedliche Füllmethoden nutzen.

Danach verwendet man aus dem Menü Effekt > Verzerrungs- und Transformationsfilter > Transformieren. Hier klickt man wiederum zuerst auf die Vorschau, wählt den Ursprungspunkt unten mittig aus und gibt einen Winkel ein, durch den sich ein Kreis (360 °) teilen lässt. Anschliessend gibt man die passende Anzahl der Kopien ein, so dass die Strahlen gleichmässig entlang eines Kreises verteilt werden. Schon ist der editierbare Strahleneffekt fertig.

Auf Biegen und Brechen

Hat man diese Methode einmal für sich entdeckt, kann man mit verschiedenen weiteren Vorgängen experimentieren. So kann Transformieren auch dazu verwendet werden, um einen Kreis in mehreren Kopien in Ellipsen zu formen. Dieses Prinzip funktioniert bei jeder Pfadform. Ein freies Experimentieren mit den Eingaben Skalieren, Verschieben, Drehen und Kopien führt zu verworrenen Formen und lässt das Potenzial dieser Methode erahnen.

Schauen wir nun einen weiteren interessanten Effekt an. Es ist ein Turbineneffekt, welcher zusätzlich mit Verkrümmen erzeugt wird. Dazu erstellt man zuerst ein Dreieck. Danach wählt man aus dem Menü Effekt > Illustrator Effekte > Verkrümmungsfilter > Bogen aus. Die Option Vertikale Biegung biegt das Dreieck in die gewünschte Richtung. Nachfolgend verwendet man den zweiten Effekt, nämlich Transformieren. Dort kann man die Form wie gehabt mit der Winkeleingabe und den Kopien vervollständigen.

Gestrudelt und geknuddelt

Wem das alles noch zu brav erscheint, kann nun beginnen, die Grundform zu verändern. Bleiben wir hier beim Dreieck als Grundform.

Um ein Dreieck zu verändern, kann man mit der Béziertechnik die Punkt­typen ändern. Dazu wählt man mit dem Werkzeug Direktauswahl einen Ankerpunkt aus und klickt in der Steuerung, welche die Ankerpunktanzeige zeigt, auf Konvertieren. Man kann an den Griffpunkten ziehen oder mit dem Zeichenstift neue Punkte der Grundform hinzufügen usw.

Zu diesem Zweck gibt es auch einen anderen Ansatz. Hinter dem Breitenwerkzeug kennt Illustrator eine ganze Reihe weiterer Werkzeuge, die eine ausgewählte Vektorform verändern können. Ideal eignen sich dazu die Werkzeuge Verkrümmen, Strudel und Zerknittern. Mit einem Doppelklick auf jedes dieser Werkzeuge gelangt man in die Optionen und kann als wichtigste Einstellung die Grösse regeln.

So wählt man zuerst das Dreieck aus und verwendet dann das Werkzeug Strudel. Damit klickt man mit gehaltener Maustaste in die Form. Je länger dabei die Maustaste gedrückt bleibt, je mehr wird gestrudelt. Den Vorgang kann man an diversen Stellen wiederholen. Um die Kanten ungleichmässig zu gestalten, kann man zusätzlich an einigen Stellen mit dem Werkzeug Zerknittern ansetzen.

Ist die Grundform so richtig gestrudelt, geknuddelt und zerknittert, verwendet man erneut Transformieren für die gleichmässige Verteilung entlang des Kreises. Auch danach kann die Grundform weiter bearbeitet werden. Die Auswirkungen sind dann sofort bei allen Kopien ersichtlich. Mit dem Befehl Aussehen umwandeln aus dem Menü Objekt kann notfalls das gesamte Aussehen in Pfade konvertiert werden. Dadurch geht jedoch die einheitliche Editierbarkeit verloren.

Flexibel und breit im Einsatz

Der grosse Vorteil der Erstellung solcher Formen ist zugleich der grosse Vorteil der Vektorgrafik insgesamt. Die Einsatzgebiete sind schier endlos und die Ausgabegrössen beliebig. Ob als Hintergrund für verschiedene Medien, als Muster, Verzierung, als Export in andere Programme oder auch als Stoffdesign für eine Kollektion, immer wieder trifft man auf die Handschrift des Klassikers Adobe Illustrator. In dessen Trickkiste schlummern nach wie vor viele gut behütete Schätze.

Der Autor

Andreas Burkard ist freiberuflicher Gestalter für Print- und elektronische Medien. Er ist Adobe Certified Instruktor und macht unabhängige Beratung und Ausbildung auf allen gängigen Publishing-Programmen und deren Workflows.www.BurkardPublishing.ch