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Vom Kampf der Layout-Titanen

Bei der Lancierung der Zeitschrift Publisher vor 20 Jahren spielte PageMaker eine zentrale Rolle. Unser Jubiläums-Rückblick wirft einige Schlaglichter auf die wichtigsten Stationen in der Entwicklung der Layoutsoftware.

martin spaar Als in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre die Desktop-Publishing-Revolution aus den USA ziemlich rasch auch Europa ergriff, gab es für mich als angehenden Journalisten und Computer-Freak kein Halten mehr: Da musste ich auch mit dabei sein! Die eigenen Texte gleich selbst layouten – und das ohne die kryptischen Steuerzeichen eines Satzsystems – das tönte zu verlockend. So installierte ich Aldus PageMaker 3.0 auf meinem 286er-PC und legte los.

Drei Jahre später fühlte ich mich fit genug, um mit einem Partner eine Jugendzeitschrift zu gründen, die wir mit PageMaker 4.0 unter Windows erstellten. Da PageMaker damals noch keine Farbseparation beherrschte, produzierten wir nur den Schwarz-Auszug mit dem Text in PageMaker und die dazu passenden CMY-Auszüge mit Corel-Draw. Das tönt ziemlich umständlich und genau das war es auch: ein ständiges Experimentieren und Suchen nach Workarounds. Es gab kaum Quellen für das entsprechende Know-how. Und dieses schmerzlich erfahrene Vakuum war für mich der Anstoss, mit dem Publisher eine Zeitschrift zu lancieren, welche das nötige Rüstzeug vermittelt.

Die Erstausgabe im Herbst 1993 fiel mit dem Erscheinen von Page­Maker 5.0 zusammen, der gegenüber den Vorversionen einen grossen Sprung bedeutete und auch die Farbseparation beherrschte. Ich war in meinem Artikel voll des Lobes und als Page­Maker-Fan der Meinung, dass man nun zum damals dominierenden QuarkXpress aufgeschlossen habe. Besonders angetan hatte es mir die kontextbezogene Kontrollpalette, die nun endlich numerisch exaktes Arbeiten erlaubte.

Im Rahmen einer kleinen Umfrage hatte ich mich bei PageMaker-Anwendern umgehört und deren Statements veröffentlicht. Da wurden Features gelobt, die heute so selbstverständlich sind, dass man sie gar nicht mehr als solche wahrnimmt. So zum Beispiel die Möglichkeit, mehrere Satzdateien gleichzeitig geöffnet zu haben. Auch die freie Rotation von Objekten war damals ein riesiger Fortschritt. Bis anhin musste man zum Beispiel einen schräg platzierten Text in Illustrator erzeugen und im Layout platzieren. Autorenkorrekturen wurden so zum Albtraum.

Knapp zwei Jahre später konnten wir Adobe PageMaker 6.0 vorstellen, der wiederum mit vielen bis dato vermisste Funktionen aufwarten konnte. Jetzt liessen sich Objekte gruppieren und der Tabelleneditor hatte mächtig zugelegt. Damit waren auch die Hardwareanforderungen gestiegen: 16 MB Arbeitsspeicher mussten es jetzt sein. Wenn man weiss, was RAM-Bausteine damals kosteten, versteht man den klagenden Unterton ...

Am Ende der Fahnenstange?

Genau ein Jahr später, nämlich in der Ausgabe 3-96, konnten wir PageMaker 6.5 vorstellen, mit dem wir meinten, schon fast am Ende der Fahnenstange angekommen zu sein. Jetzt gab es auch Ebenen, rahmenorientiertes Arbeiten, ICC-basiertes Farbmanagement usw. – was wollte man mehr? Nicht ohne Pathos schrieben wir von einer «kraftvollen Neubelebung des Titanenkampfes Quark – Adobe». Doch es sollte sich zeigen, das PageMaker gegen das fest etablierte Quark nichts ausrichten konnte. Da musste sich Adobe etwas anderes einfallen lassen! Und tatsächlich häuften sich die Gerüchte, dass man dort eine komplett neue Layoutsoftware entwickle.

In Publisher 1-98 griffen wir entsprechende Spekulationen aus US-Medien über einen «PageMaker-Nachfolger als XPress-Killer» auf. Im Herbst überschlugen sich dann die Ereignisse: Adobe trumpfte an der Seybold-Konferenz mit einer Vorabversion der neuen Software unter dem Codenamen K2 auf. Kurz darauf machte Quark ein Übernahmeangebot für Adobe, was verständlicherweise hohe Wellen warf, sich aber im Nachhinein als PR-Aktion entpuppte.

In Publisher 2-99 konnten wir dann über die offizielle Ankündigung von InDesign berichten. Adobe versprach «Satz mit Berthold-Qualität» und wollte damit explizit in eine andere Liga aufsteigen und den DTP-Makel definitiv ablegen. Die Publishing-Szene nahm diese Ankündigung mit Begeisterung auf. Dies vor allem deshalb, weil man die Arroganz des Marktführers Quark satt hatte, welcher die Anwender mit Kopierschutz-Dongles gängelte.

Ritter ohne Fehl und Tadel?

Im Editorial des Publisher 2-99 griffen wir dieses Thema auf: Wir stellten fest, dass der «Groll gegen Quark Adobe zum Ritter ohne Fehl und Tadel stilisiert, der zum Wohl der Anwender gegen das Böse kämpft». Wir waren der Meinung, dass trotzdem eine gesunde Portion Wachsamkeit gegenüber Adobe nicht schaden dürfte, denn ‹‹auch Quark wäre kaum so fest in den Sattel gekommen, wenn die Anwender nicht geduldig die Steigbügel gehalten hätten».

Im Herbst 1999 war InDesign verfügbar. In Publisher 5-99 veröffentlichten wir einen Workshop unter dem Titel «Mit dem Adobe-Batmobile auf der DTP-Autobahn Vollgas geben». Wir waren von den Vorzügen der neuen Software begeistert und bereiteten einen raschen Umstieg vor. So erschien der Publisher 3-00 in einem neuen Layout und vollständig mit InDesign 1.5 produziert. Das war gar ambitiös, nicht zuletzt deshalb, weil unsere bestehende Hardware mit dem ressourcenhungrigen InDesign völlig überfordert war. Diese Ausgabe erschien mit einer seither zum Glück nie mehr erreichten Verspätung.

Mit InDesign 2.0 liess es sich dann sehr flott produzieren, sodass die Startschwierigkeiten schnell vergessen waren. Seither ist die Performance der Rechner beim Layouten definitiv kein Thema mehr. Und auch sonst haben sich die Akzente immer mehr verschoben – weg von der Funktionalität eines einzelnen Tools hin zum Gesamtworkflow. So war für uns der nächste wichtige Meilenstein im Bereich Layout nicht eine neue InDesign-Version, sondern die Einführung des Redaktionssystems K4. Damit können wir unsere externen Redaktoren und das Korrektorat in den Workflow einbinden, was mehr bringt, als das eine oder andere zusätzliche Layout-Feature.

Publisher Insiders

In der aktuellen Folge des Youtube-Kanals Publisher Insiders plaudert Publisher-Gründer Martin Spaar aus dem Nähkästchen der Pionierzeit des Desktop-Publishing.