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Von Drucksachen, die telefonieren k�nnen

Die Print-to-Web-Konferenz vom 29. Mai lockte rund 200 Besucher nach Winterthur, um Chancen und Perspektiven von «Drucksachen, die mehr können» auszuloten. Hans-Georg Wenke hat sich am Event umgehört und zieht Bilanz.

HAns-Georg Wenke Moooooooomennnt, sagt sich da der alte Hase: Multimedia und Print, das sind doch die Gegensatzpaare, über die wir seit Jahren diskutieren. Die sollen jetzt vereinigt werden? Ja klar, aber doch. «Schuld» daran sind weder die Drucksachen noch die konventionelle IT im Sinne stationärer Computer. Print-to-Web wird ermöglicht durch eine inzwischen extrem vielfältige, beruhigend stabilisierte Infrastruktur mobiler Kommunikation. Via Smartphones verbinden sich auf mannigfaltige Art und Weise Drucksachen mit Servern, wo sie Daten abrufen, hochladen und austauschen können. Die damit verbundenen möglichen Prozesse, vor allem die Art, mit Kunden und Nutzern in Interaktion zu treten, läutet in der Tat eine neue Ära des Marketings und des Publishing ein.

Nur wieder mal ein Hype – oder echter Durchbruch?

Wenn man hört – und die Referenten tischten wahrlich Idee auf Idee auf – was möglich ist, sollte doch – wieder einmal – Goldgräberstimmung herrschen. Oder bahnt sich – wieder einmal – jene Skepsis an, die Neuem (viel zu) oft entgegengebracht wird: Statt Chancen zu erarbeiten, werden die Risiken diskutiert. Geert de Vries, Keynote-Speaker der Konferenz und Europas führender Experte auf diesem Gebiet, fragte lächelnd: «Welche meinen Sie denn … ???»

Ja, welche Risiken soll es denn geben? Eines zumindest fällt ihm ein: «Wenn man die Möglichkeiten von Print-to-web fantasielos und inkonsequent angeht». Aber wo und wie lernt man die Möglichkeiten kennen, um diese Fantasie zu haben, die sich auch noch realisieren lässt? «Durch gezieltes Experimentieren. Es gibt so viele Lösungen, dass man unmöglich generelle Empfehlungen geben kann. Aber umgekehrt wirds wirklich bitterernst: wer jetzt nicht die Chancen sieht und nutzt, wird vom Wissen und der Performance her ganz schnell ins Hintertreffen geraten. Denn die Entwicklung von Print-to-Web ist zwar schon weit, aber gleichzeitig erst am Anfang einer neuen Epoche in Marketing und Kundenrelationen, in Abwehr von Produktpiraterie und Fälschungen, in einer neuen Form von Kunden-Lieferanten-Beziehungen: Es geht nicht mehr um CRM, Customer Relationship Management, sondern um CMR, Customer Managed Relationship. Das sind Interaktionen, Transaktionen und eine Kommunikation, die vom User selbst gesteuert wird. In der er Souverän ist, nicht mehr Zielgruppe; nicht mehr Empfänger, sondern aktiv Handelnder.»

Es geht NICHT um Web-to-Print

Das nämlich ist die Initiierung von Drucksachen über den Weg des eigentlich völlig normalen Informationsaustausches via Web, eine «Fernbedienung» von Datenbanken und Bestellformularen.

Print-to-Web ist die eigentliche «heisse Kiste», denn ausgehend von Gedrucktem – gleich welcher Art und Funktion – werden vom User, Kunden, Verbraucher, von jeder einzelnen Person, die im Besitz eines Smart-Devices mit entsprechender Technologie ist, Aktionen ausgelöst, Transaktionen getätigt. Will heissen: er kann bestellen, kaufen, reservieren, selektieren, sich nach Wunsch und Interesse in Kommunikations- und Informationsprozesse einklinken. Ohne unnötigen Ballast, ohne all das, was wir Informationsflut nennen, was belästigt und nervt. «Der User ist der Souverän. Er alleine bestimmt, was geschehen soll.»

Das ist, bei Licht betrachtet, die bisherige Methodik des Push-Marketings auf den Kopf gestellt. Es ist endlich das, worüber so lange schon geredet wird und was doch lange genug nicht wirklich möglich war: Pull-Marketing. Kunden «ziehen» sich ihre Informationen und initiieren aus eigenem Ermessen Aktionen und Transaktionen.

Längst schon erprobt

Print-to-web ist nicht neu; aber nunmehr ist es stabiler und zuverlässiger denn je. Mit der Steigerung der IT- und Netzperformance eröffnen sich Möglichkeiten, auch auf komplexe Datenbanken zuzugreifen oder Flip-Flop-Aktionen durchzuführen: binnen Sekunden Daten auszutauschen, Bestellprozesse sicher durchzuführen, Echtheit und Authentifizierungen zu prüfen, Download auch grösserer Datenmengen (z. B. Kataloge, Zeitschriften, Bildstrecken und anderes). «Das sind offene Profilierungsmöglichkeiten sowohl für die Verlage und die bisherige Printmedienindustrie wie auch für ein Reengineering von Kundenbeziehungen und Geschäftsprozessen.» Geert de Vries weiter: «Das beste ist: Um solche Effekte zu nutzen, braucht man keine neuen Techniken und Geräte, und man muss auch keine riskanten Investitionen tätigen. Ganz im Gegenteil, alles ist schon vorhanden, im Einsatz, Teil unseres normalen Berufs- und Privatlebens. Man muss sie nur raffinierter nutzen als bisher.» Investitionen muss man in Fantasie und Raffinesse tätigen, weniger in Equipment und Infrastruktur. Na ja, ein wenig Soft- und Orgware brauchts natürlich schon. Aber das ist alles «nicht so schlimm», keine unlösbare Aufgabe. «Übrigens auch nicht für KMU, für Konzerne und grosse Organisationen, die ohnehin umfangreiche IT im Einsatz haben, sowieso nicht» sagt der erfahrene Experte de Vries aus der Erfahrung zahlreicher Projekte, die er begleitet hat.

Hans-Georg Wenke hat diesen Text zusammen mit einem Kurzinterview mit Geert de Vries auch als Podcast veröffentlicht. Diesen finden Sie unter www.swiss-publishing-days.ch.

swiss publishing days

Die Print-to-Web-Konferenz war der Frühlings-Event im Rahmen der swiss publishing days. Sie stand unter dem Patronat der Ugra und war gleichzeitig die Ugra-Druckfachtagung 2013.

Die nächsten swiss publishing days finden am 11. und 12. September 2013 wiederum im Kongresshaus am Stadtpark in Winterthur statt, siehe linke Seite.

Eine Bildergalerie des Events vom 29. Mai sowie weitere Informationen zur Konferenz im September finden sich unterwww.swiss-publishing-days.ch