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Warum mehr, wenn man nicht muss?

Von bahnbrechenden Neuerungen kann nicht die Rede sein. Wozu auch? Die Mieter sind im Sack. So reichen kleine Neuerungen und ein paar Anpassungen. Eine überfällige Diagrammfunktion, die diesen Namen auch verdient, gibt es nach wie vor nicht.

Andreas Burkard Die aktuellen Themen wie Mobile, Social und Big Data ziehen an Illustrator vorbei. Das Zeichnungsprogramm aus dem Hause Adobe bleibt dem Vektor treu.

Erfreulich ist, dass der Hersteller das Programm in seinen Kernfunktio­nen weiter verbessert hat. Weniger erfreulich ist, dass das Programm seine Vielseitigkeit nur im abhängigkeitsfördernden Mietmodell zeigt. Unter Marktwirtschaft verstehen viele Menschen eine mündige Entscheidungsfreiheit. Dies würde im Falle von Illustrator, und Software allgemein, kaufen oder mieten bedeuten …

Download

Für bestehende Mieter der Creative Cloud wird Illustrator CC Version 2014 als neue Version zum Download angeboten. Die Vorgängerversion Illustrator CC bleibt erhalten. Die Jahreszahl kennzeichnet fortan eine Versionierung. Gleiches gilt auch für InDesign, Photoshop und andere Programme in der Creative Cloud.

Interaktive Ecken

Die herausragendste Neuerung sind wohl die interaktiven Ecken: Ein Rechteck zeigt kleine Kreise an den inneren Kanten an. Zieht man an diesen Symbolen nach innen, so verändert man den Eckenradius.

Auch bei freien Formen mit geraden Segmenten zeigt die gehaltene cmd-Taste (Crtl-Taste auf Windows) die Eckensymbole an.

Standardmässig verwendet Illustrator den Eckenradius Abgerundet. Klickt man mit der Alt-Taste auf ein Eckensymbol, so schaltet Illustrator den Eckentyp auf Invertiert abgerundet oder Abgeschrägt um.

Ein Doppelklick auf ein Eckensymbol erlaubt in einem Fenster die Eingabe von Eckentyp, Radius und Rundung. Wünschenswert wäre eine Kurzform, um direkt auf dem Objekt einen beliebigen Eckenradius zu verändern, so wie InDesign das mit der Eckenbearbeitung kennt.

Lückenhafte Erinnerung

Das Bedienfeld Transformieren wurde mit Rechteckeigenschaften erweitert. Konkret heisst das, wenn man ein Rechteck beispielsweise um 12 Grad dreht, so ist der Drehwinkel in den Rechteckeigenschaften hinterlegt und kann jederzeit wieder auf null gesetzt werden.

Dann ist aber schon Schluss. Leider ist das Speichern einer Drehung auf beliebige Formen nicht möglich. Keine Gruppe, keine Schnittmaske, kein Pfad oder nicht mal eine Linie kann ihre Transformationen so speichern, dass man diese Eingaben später wieder herauslesen kann. Eine Ausweitung der elementaren Transformationsinformationen, ohne dass man dazu extra über Aussehen gehen muss, hätte die an sich gute Sache abgerundet. Auch die Beibehaltung von Ebeneninformationen nach der Rückwandlung einer Schnittmaske wäre angebracht.

Vorschau aus Gummi

Beim Zeichnen mit dem Zeichenstift fällt als Erstes die neue Gummiband­funktion auf. Bei einem vorausgegangenen Eckpunkt zeigt das Gummiband eine Gerade an. Dementsprechend ist dann auch das nächste Segment bei einem weiteren Klick.

Bei einem Übergangspunkt, also bei einem Punkt, welcher zwei Kurvengrifflinien aufweist, zeigt das Gummiband die Krümmung an, welche der vorherige Übergangspunkt durch den Zug zu verantworten hat.

Einsteiger und Gelegenheitsanwender werden die voreingestellte Gummiband­funktion schätzen. Für routinierte Pfadartisten ist das Gummiband wohl eher eine Bevormundung. Über die Voreinstellung Auswahl und Ankerpunkt-Anzeige lässt sich die Funktion ein- und ausschalten.

Das Gummiband kennt man beim Zeichenstift aus Adobe Photoshop, um damit vektorbasierend einen Freisteller oder einen Beschneidungspfad zu erstellen. In Photoshop ist die Gummiband­funktion hingegen optional einzuschalten.

Verbesserungen beim Zeichnen

Das Zeichnen mit dem Zeichenstift hat eine sehr angenehme Neuerung. Damit können Segmente während des Zeichnens korrigiert werden.

Drückt man nach dem Klick mit dem Zeichenstift die Alt-Taste, so erscheint temporär das Ankerpunkt-Werkzeug (Name in den Vorgängerversionen: Ankerpunkt-konvertieren-Werkzeug). Geht man so an ein Segment und zieht daran, entsteht bei einer Geraden eine Krümmung. Bei einer bereits vorhandenen Krümmung kann man über diese Kurzform die Biegung des Segments verändern. Lässt man die Alt-Taste wieder los, kann man ganz normal mit dem Zeichnen fortfahren.

Neu ist auch das Fenster Neuerungen nach dem Start von Illustrator. Hier werden jedoch diverse Kurzformen des Zeichenstiftes als Neuerungen und Verbesserungen angepriesen. Bei diesen Erläuterungen wird deftig auf die Unwissenheit der Anwender gesetzt. Es werden Dinge gezeigt, die eigentlich seit vielen Vorgängerversionen bekannt sind.

Präziser Buntstift

Das Zeichnen mit dem Werkzeug Buntstift geht spürbar feiner. Die Genauigkeit wurde überarbeitet. Das Schliessen eines Pfades mit dem Buntstift benötigt nicht mehr die gedrückte Alt-Taste. Man muss bloss in die Nähe des Anfangspunkts kommen und die Pfadform ist geschlossen. Die Buntstiftoptionen erlauben eine präzise Steuerung des Werkzeugs. Sinnvoll ist auch, dass nun beim Buntstift mit zusätzlich gedrückter Shift-Taste ein gerades Segment entsteht.

Der überarbeitete Buntstift bietet, egal ob mit der Maus oder einem Stift, ein angenehmeres Zeichnen.

Neuerung oder Fehlerbehebung?

Anstatt von einer Neuerung zu sprechen, wäre im Folgenden wohl die Ausdrucksweise Bug Fix angebrachter. Illustrator CC Version 2014 kennt das Dokumentraster und den Pixelraster. Dazu passend gibt es entsprechende Befehle, sodass Objekte und Ankerpunkte am Raster ausgerichtet werden. Dass auch die Griffpunkte beim Ziehen mit dem Direktauswahlwerkzeug am Raster ausgerichtet werden, verunmöglichte in den Vorgängerversionen ein freies Zeichnen. Mit der neuen Version von Illustrator ist dies nun anders. Die Griffpunkte können auch mit eingeschaltetem Befehl Am Raster ausrichten frei bewegt werden, so wie das auch zu Beginn hätte sein sollen.

Fehlende Schriften kann Illustrator für Abonnenten der Creative Cloud über Typekit aktualisieren. Nach der Aktualisierung steht die Schrift dann auch den anderen CC-Programmen zur Verfügung.

Durch Responsive Design müssen sich Objekte an Bildschirmgrössen vom kleinsten Smartphone über Tablets bis zu Monitoren anpassen. Hier kommt oft das SVG-Format (Scalable Vector Graphic) zum Einsatz. Im erweiterten Dialogfeld des SVG-Speichern-Fensters ist die Option TextPath-Element in Pfadtext umwandeln nun standardmässig aktiviert. Dies sorgt für kleinere SVG-Dateien.

Der Autor

Andreas Burkard ist freiberuflicher Gestalter für Print- und elektronische Medien. Zu seinen Schwerpunkten gehört unabhängige Beratung und Schulung auf allen gängigen Publishing-Programmen und deren Workflows.

www.BurkardPublishing.ch