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Wie der B�chermarkt tickt

Ein gutes Manuskript ist längst keine Gewähr für den literarischen Erfolg. Gleichzeitig feiern Schnulzenautoren riesige Erfolge. Gedrucktes Buch, E-Book oder beides, Self-­Publishing oder Verlag – welches ist der Königsweg?

Werner Affentranger Der Weg vom Manuskript bis in den Buchhandel ist nicht nur ein sehr langer, sondern auch einer mit etlichen Verzweigungen und Abkürzungen, gepflastert mit Kostenfallen und Risiken. Das Endprodukt ist heute längst nicht mehr in jedem Fall ein Buch, das man ins Bücherregal stellt, sondern immer öfter eine Datei, die der Leser auf sein Tablet lädt.

Der Buchverlag

Beim traditionellen Weg sucht sich der Autor einen Verleger, der Verlag prüft das Manuskript und lehnt die Veröffentlichung des Werks ab oder schliesst mit dem Autor einen Vertrag und übernimmt die Kosten für die Herstellung des Buchs. In der Regel beinhaltet dies Lektorat, Grafik, Layout, Korrektorat, Auftrag an Druckerei, Lieferung an Buchhandel und Marketing.

Wenn das Buch gute Verkaufszahlen erzielt, profitieren in erster Linie der Verlag und der Buchhändler. Der Autor muss sich mit einer kleinen Marge zufriedengeben, diese entspricht etwa 8% des Umsatzes. Der Verlag hat schliesslich die Kosten (und das Risiko) für die Buchherstellung übernommen.

Ein ungeschriebenes Gesetz will es, dass ein unbekannter Autor mit Dutzenden von Absagen rechnen muss, bis er einen Verleger findet. Diogenes beispielsweise werden im Schnitt 3000 unverlangte Manuskripte pro Jahr zugeschickt, bestenfalls zwei oder drei werden angenommen. Selbst für gestandene Schriftsteller ist der Weg bis zur Veröffentlichung nicht einfach, denn die meisten Buchhandlungen sind nicht primär an einem möglichst breiten Angebot für die Leser interessiert, sondern stellen lieber gut sichtbar die gleichen Bestseller in die Regale.

Der Zuschussverlag

Beim umgekehrten Prinzip sucht der Verlag Autoren und investiert dafür sogar in Werbung. Der Autor schickt sein Manuskript ein und – Überraschung – bekommt vom Verleger ein Angebot. Dieses beinhaltet die komplette Herstellung des Buchs auf Kosten des Autors. Der Autor lässt sich von grossen Versprechen des Verlags blenden und bezahlt Tausende von Franken für «Produktionsvergütung» und «Publikationskosten».

Wer unter Google nach «Zuschussverlage» sucht, stösst auf eine wahre Fundgrube von Websites, die vor Abzockern in diesem Umfeld warnen. Dazu ein Beispiel: Wer einen klassischen Verlag sucht, sammelt Absagen. Sogar Erfolgsautoren mussten sich anfangs sagen lassen, dass ihr Manuskript nicht geeignet, nicht literarisch, nicht passend, nicht zeitgemäss sei. Da sind Schreiben von Unternehmen, die das Werk preisen und loben, wahrer Balsam für die verletzte Autorenseele.

Doch Vorsicht: Irgendwo entdecken Sie dann im Text die Anmerkung, dass Grossverlage leider «neue» Autoren nicht mehr förderten. Man selbst dagegen wolle edelmütig dem Nachwuchs eine Chance geben. Das aber erfordere leider, leider einen Druckkostenzuschuss. Keine Sorge: der liesse sich bald verdienen, wenn das Buch erst einmal die zweite und dritte Auflage erreicht hätte. Das grosszügige Autorenhonorar spiele den Einsatz von 10 000 oder 20 000 Euro schnell wieder ein (siehe Zuschussverlage unter www.autoren-magazin.de).

Es muss nicht in jedem Fall ein unseriöses Geschäftsmodell sein, wenn ein Verlag Zuschüsse erhebt. Bei Publikationen, die für ein kleineres Publikum bestimmt sind, beispielsweise Fachliteratur, kann der Verleger durchaus einen Druckkostenzuschuss verlangen. Das sollte aber in einem Autorenvertrag geregelt sein und auf transparenten Offerten von Druckereien basieren.

E-Books

Kennen Sie Marah Woolf? Ich auch nicht, doch sie hat bis heute über 670 000 Bücher verkauft, besser gesagt: E-Books (www.marahwoolf.com). Oder Poppy J. Anderson (Pseudonym von Carolin Bendel, einer Historikerin aus Essen): Gemäss Angaben von Amazon hat sie als erste deutsche Autorin mehr als eine Million E-Books verkauft. Sagt Ihnen der Name Hannah Kaiser etwas? Sie nennt sich selbst Schnulzenautorin und ist stolz darauf. Das darf sie durchaus sein, hat sie doch mit ihren E-Books ein Vermögen verdient (www.hannahkaiser.de). Weitere Namen sind: Matthias Matting (Physiker und Journalist, einer der erfolgreichsten Self-Publishing-Autoren Deutschlands), Hanni Münzer (Self-Publishing-Königin), Béla Bolten, Catherine Shepherd und viele weitere. Sie alle haben mit E-Books Auflagen erzielt, von denen die meisten der arrivierten Autoren nur träumen.

Im E-Book-Markt ist grundsätzlich jeder Autor sein eigener Verleger: Er lädt die von ihm erstellte Buchdatei beispielsweise über kdp.amazon.de hoch, worauf Amazon für ihn den Verkauf und die Zahlungsabwicklung übernimmt. Für diese Dienstleistung plus die elektronische Distribution auf die Geräte – verschiedene Tablets, Amazon Kindle, Tolino – verlangt Amazon 30% vom Nettopreis, den der Autor bestimmt hat. Satte 50 bis 70% Marge nach Abzug der Mehrwertsteuer gehen somit an den Autor.

Im Jahr 2014 lagen die Konsumentenausgaben für E-Books (inkl. Hörbücher) laut GfK bei rund 208 Millionen Euro, elf Millionen mehr als im Vorjahr. Knapp 25 Millionen E-Books konnten 2014 im Publikumsmarkt abgesetzt werden. Der Anteil von E-Books an den Gesamtumsätzen im Buchmarkt ist aber nach wie vor relativ gering. Noch bevorzugen die Verbraucher laut einer Studie des Börsenvereins des deutschen Buchhandels beim Buchkauf meist gedruckte Exemplare. Jedoch hat sich die Anzahl der Käufer von E-Books seit 2010 mehr als verfünffacht: 2014 wurden rund 3,9 Millionen E-Book-Käufer in Deutschland gezählt (bit.ly/e-books-statistik).

Weil der E-Book-Markt stark am Wachsen ist, bieten immer mehr klassische Buchverlage ihren Autoren nebst der Printausgabe ebenfalls die Veröffentlichung als E-Book an. Allerdings ist dann nicht mehr von 50 bis 70% Marge für den Autor die Rede.

Es ist mehr als verständlich, dass Verlage, Druckereien und vor allem der stationäre Buchhandel die Entwicklung im E-Book-Business mit Sorge registrieren, denn sie spielen darin eigentlich keine Rolle mehr. Die traditionelle Beziehung Autor – Verlag – Druckerei – Buchhandel ist durch andere Modelle ersetzbar geworden.

Print on Demand

Eine andere Möglichkeit, ein Buch kostengünstig in den Buchhandel zu bringen, bieten Dienstleister wie beispielsweise epubli.de (eine Tochterfirma des Holtzbrinck-Verlags, der auch im E-Book-Business nicht abseits stehen will) oder bod.ch (Books on Demand, Norderstedt bei Hamburg) an. Die Kosten für den Ladenpreis seines Buchs kann der Autor bei beiden Anbietern über einen Onlinepreiskalkulator ermitteln, indem er die Daten für Buchformat (B × H), Papier (weiss, cremeweiss 80 oder 90?g/m2), Einband (Paperback, Hardcover mit/ohne Fadenbindung, Ringbuch, Booklet), Laminierung (matt, glänzend, strukturgeprägt) und die Anzahl Seiten (schwarzweiss und farbig) eingibt.

Die Ergebnisse des Preiskalkulators für je ein Exemplar Print und E-Book kann der Autor als Empfehlung betrachten, letztlich bestimmt er den Ladenpreis für die Printausgabe und das E-Book – und damit seine Marge – selbst.

Nach dem erfolgreichen Hochladen des Buchinhalts und des Covers im PDF/X-Format samt offizieller ISBN auf den BoD-Server kann der Titel etwa zehn bis vierzehn Tage später im stationären Buchhandel bestellt und in den Onlinebuchshops (books.ch, amazon.de, buecher.de u.a.) als Printausgabe angefordert oder als E-Book heruntergeladen werden.

Bei der Veröffentlichung mittels Print on Demand werden Bücher erst auf Bestellung gedruckt. Der Autor selbst kann auch ein einzelnes, ein paar Dutzend oder mehrere Hundert Exemplare bei ePubli oder BoD kostengünstig bestellen und diese Bücher direkt verkaufen oder Bekannten und Freunden schenken. Die gestaffelten Preise für eigene Buchbestellungen sind ebenfalls transparent gelistet. Die Onlinepreiskalkulation errechnet auf Basis des Ladenpreises für das Einzelexemplar auch die Staffelpreise für Direktbestellungen. Bei 50 Exemplaren beträgt die Einsparung bei BoD pro Buch 18%.

Welche Kosten entstehen dem Autor also bei diesem Print-on-Demand-Modell? Die Vorfinanzierung einer Auflage entfällt. Er bezahlt nur eine Gebühr von 39 Franken (BoD Classic) oder gar nur 15 Euro bei ePubli. Aufgrund dieser Kostentransparenz gelten ePubli und BoD nicht als Druckkostenzuschuss-Verlage. Der Wechsel zu einem bekannten Verlag wäre später kurzfristig möglich, es gibt bei BoD und ePubli keine Knebelverträge.

Nicht in diesen Kalkulationen enthalten ist der Aufwand für Lektorat, Korrektorat oder Layout, also die Kosten für die eigentliche Herstellung. Optional kann der Autor auch diese Dienstleistungen beziehen, bei BoD die Korrektur für CHF 4.20, das Lektorat für CHF 8.40 pro Normseite. Als Normseite werden im Journalismus und im Literaturbetrieb 30 Zeilen à 60 Anschläge gerechnet.

Qualität hat einen Preis

Ist es möglich, für nur 39 Franken ein Buch über BoD zu veröffentlichen und einen Bestseller zu landen? Kann ich einfach ein E-Book bei Amazon hochladen und darauf warten, dass die Kassen klingeln? Im Prinzip schon. Nur warte ich vielleicht vergeblich darauf …Die grössten Kosten bei der Herstellung eines Buchs entstehen nicht bei der Veröffentlichung, sondern auf dem langen Weg dahin.

Den Aufwand, den der Autor mit dem Verfassen der Texte erbringt, lassen wir als unbekannte, nicht definierbare Grösse beiseite. Findet der Autor einen seriösen Verlag, der von den eingesandten Leseproben angetan und willens ist, das Buch auf eigene Kosten zu veröffentlichen, gratulieren wir dem Verfasser und hoffen für ihn und seinen Verleger, dass das Werk ein Erfolg wird. Das passiert, wie wir nun wissen, extrem selten, und selbst dann werden die wenigsten Schriftsteller von den geringen Honoraren leben können – es sei denn, sie schaffen es in die Bestsellerlisten. Immerhin haben sie einen Kulturbeitrag geleistet und dürfen verdientermassen den Applaus der regionalen oder gar nationalen Leserschaft entgegennehmen.

Im Normalfall hat sich keiner der arrivierten Verlage für das Manuskript des unbekannten Schreibers interessiert: Ein paar höfliche Absagen (das Buch passt leider nicht in unser Verlagsprogramm) oder gar keine Antwort. Nun werden Alternativen interessant:

  • Der Zuschussverlag? Wohl eher nicht, das ist eine teure Fahrt ins Ungewisse. Wer darüber Zweifel hat, hole sich eine Offerte von einem der Verlage mit literarisch klangvollem Namen ein: August von Goethe Literaturverlag, Deutsche Literaturgesellschaft, Weimarer Schillerpresse, um nur ein paar wenige von Dutzenden Anbietern zu nennen, die in Werbung investieren, um talentierte Autoren zu ködern.
  • E-Book statt Printausgabe? Das ist verlockend, denn es kostet ja fast nichts. Und wenn es sich beim Erstlingswerk um eine romantische Schnulze oder eine spannende Vampirgeschichte handelt, könnte das ja bezüglich Downloads ein Riesenerfolg werden. Doch wer bereinigt den Text? Wer sorgt für die korrekte Datenaufbereitung im E-Book-Format? Und wie findet mein Zielpublikum mein tolles E-Book unter den Abertausenden von Titeln mit ähnlichen Themen?
  • Books on Demand oder ePubli? Autoren, die diesen Weg wählen, werden von keinem Verlag abgewiesen. Im Impressum des Buchs steht dann «Herstellung und Verlag: BoD, Norderstedt», auch dann, wenn der Autor selbst oder andere von ihm beauftragte Dienstleister für Lektorat, Layout, Korrektur und die Gestaltung des Covers verantwortlich waren.

Im Classic-Angebot von BoD sind diese Arbeiten nicht enthalten, sondern werden als kostenpflichtige Zusatz-leistung angeboten. Ist der Autor ein begnadeter Texter und in Orthografie sattelfest, kann er sich die Fremdkosten für Lektorat und Korrektorat sparen. Ist er auch noch ein kreativer Designer (Cover) und professioneller Layouter, fallen auch die Investitionen für die typografische und technische Aufbereitung weg. Ansonsten müssen für diese Arbeiten Ausgaben budgetiert werden, damit das Buch oder das E-Book in entsprechender Qualität publiziert werden kann. Darüber hinaus sollte er aber auch noch ein Marketingprofi sein, denn das beste Buch oder E-Book mit der faszinierendsten Geschichte wird zum Ladenhüter, wenn kein Mensch davon Kenntnis hat, dass es existiert und wo man es findet.

Den vielen Indie-Autoren (der Ausdruck kommt von independent), die unabhängig von einer Verlagsplattform publizieren, sei ans Herz gelegt, sich von Profis in Sachen Lektorat, Korrektur, Layout und Marketing beraten und helfen zu lassen. Die Qualität des Inhalts, die Geschichte selbst, ist das wichtigste Kriterium für den Leser, doch gerade die guten Geschichten haben es verdient, mit Sorgfalt aufbereitet zu werden.

Print, E-Book oder beides?

Was schenke ich meiner Oma zu Weihnachten? Und dem Schwager? Ein E-Book bzw. den Betrag dafür im Wert des Downloads? Nein, das ist geschmacklos, der Oma kann man so etwas nicht antun, nicht einmal dem Schwager, obwohl der schon alle möglichen Apps und E-Books geladen hat. Aber ein richtiges Buch? Passt immer, sofern die oder der Beschenkte ein gewisses Interesse an Literatur hat.

Das gute Buch als Printausgabe wird es auch in Zukunft geben, aber es hat Konkurrenz bekommen. Der Sortimentsbuchhandel rechnet für 2015 mit einem Umsatzrückgang von 16% (buchreport.ch). Die Umsatzanteil-Prognosen für E-Books lagen für 2015 bei 3,2%, im Vorjahr waren es 0,5%.

Oft schimpfen Typografen über mangelhafte typografische Qualität von E-Books. Tatsächlich ist es problematisch, Inhalte mit Tabellen, Grafiken und besonderen Schriftarten so aufzubereiten, dass sie von jedem E-Reader korrekt wiedergegeben werden können, sowohl auf iPad mit Retina-Display als auch auf einem älteren Kindle oder gar auf dem kleinen Display eines Smartphones. Es sollte aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Zweck des E-Books darin besteht, um jeden Preis das Printexemplar eines Buches 1:1 nachzuahmen. Das E-Book hat seine spezifischen Vorteile und Entwicklungspotenzial, zum Beispiel die Einbindung von Interaktivität und Videos, während die Printausgabe auf das beschränkt ist, was auf Papier gedruckt werden kann.

Als Trend zeichnet sich ein Nebeneinander ab: Das gedruckte Buch für Sonja, die der Ansicht ist, dass ihr die Printausgabe mehr Lesegenuss und haptisches Vergnügen vermittelt als ein E-Book; das E-Book für Franz, der nicht weiss, was Sonja mit besonderem Lesegenuss und haptischem Vergnügen genau meint.

Vergessen wir nicht den Leser, der am Ende entscheidet, was er in welcher Form liest.