Cover_19-6_gruen_low

Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Heft-Archiv >> 2018 >> Publisher 2-18 >> Publishing >> Willkommenskultur – neu definiert

Willkommenskultur – neu definiert

Seit 2015 lässt Quark sein Layout-Programm XPress in jedem Frühjahr wachsen und erblühen. Die 2018er-Edition setzt diesmal auf modernes JavaScript und Typografie. Mit dabei das «nächste grosse Ding» der Grafik: Color Fonts.

Detlev HagemannSpätestens mit XPress 2018 hat Quark seine Layoutsoftware auf eine Adobe InDesign CC vergleichbare – wenn nicht bessere – Leistungsstufe gehievt. Ein Punkt, der hier als erstes genannt werden sollte: Beim PDF-Export aus XPress werden nun die PDF-Engines von Callas eingesetzt, die um die Adobe-PDF-Libraries herumgebaut sind.

Quark greift also erstmals auf veredelte Adobe-PDF-Technologie zurück. XPress beherrscht nun PDF-Konstrukte, die wir so bisher nicht kennen: Nicht nur kann es PDF/A exportieren, sondern auch eine PDF-Datei, die gleichzeitig den PDF/A- und den PDF/X-4-Standard erfüllt. Druckbar, barrierefrei, archivierbar – alles auf einmal.

Proprietäre Dateiformate, Lizenzmodelle und Klone

Print-Publisher brauchen auch im Jahr 2018 in ihrem Werkzeugkasten vier Programmarten: Pixel-Programme (wie Photoshop), mit einigen Abstrichen Vektor-Programme (wie Illustrator), PDF-Veredelungsprogramme (wie Acrobat) und natürlich Layoutprogramme wie InDesign oder XPress. Die typischen Pixel- und Dateiformate TIF, JPG, EPS oder PDF sind offengelegt und stehen allen Programmen zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung. Die proprietären Dateiformate PSD (Photo­shop) und AI (Illustrator) sind so nah an TIF bzw. PDF, dass sie meist ohne Verluste von anderen Programmen geöffnet und abgewandelt werden können.

Mit dem aktuellen InDesign-Dateiformat INDD und dem XPress-Pendant QXP – beides typische proprietäre Dateiformate – sieht es jedoch anders aus: Sie dürfen nicht von anderen Programmen geöffnet werden – Ausnahmen wie die Konvertierungslösungen von Markzware werden in engen Grenzen von Quark und Adobe geduldet.

Die Weiterverwendung dieser Dateien hängt also von der ständigen Lauffähigkeit der Layout- und Grafikprogramme ab. Und genau diesen Punkt sehen etliche Betriebe bei einem Miet-Lizenzmodell stark gefährdet und suchen nach alternativen Lösungen.

Neben Adobe und Quark ist die Firma Serif mit ihren Affinity-Produkten auf dem Markt erschienen. Diese preisgünstigen Programme bieten ganz überwiegend bekannte «geklonte» Funktionalitäten in sehr frischem User-Interface, allerdings mit dem ausgeprägten Hang, nicht nur für Layout, sondern auch für Pixel und Grafik neue proprietäre Dateiformate auf dem Markt etablieren zu wollen. Die Bewährung auf dem Markt mit sehr günstigen Preisen, noch nicht kalkulierbaren Upgrade-Angeboten und der Serif-Firmenpolitik mit ihren Dateiformaten steht noch aus … Dies sollte von denen bedacht werden, die in ihrem Betrieb der Adobe-Wolke auf allen Arbeitsplätzen komplett «Tschüss» sagen wollen.

Proprietäre Dateiformate bedeuten in der Praxis meist aber auch noch, dass neuere Dateiversionen nicht mehr von älteren Programmversionen geöffnet werden können. Die Auswege der Hersteller: Quark bietet in XPress immer das Abspeichern in einer älteren Version an, Adobe hat hingegen früh das InDesign-Austauschformat IDML kreiert und InDesign seit der Version CS 4 jeweils immer mit einem IDML-Import-Filter ausgeliefert. Seit CS 5 hat sich IDML nicht mehr wesentlich verändert. Aus den vorgenannten Gründen haben viele Betriebe, die auf ihren InDesign-Stehsatz jederzeit zurückgreifen können müssen, Workflows installiert, die zu jeder INDD-Datei automatisch eine IDML- und meist sogar eine PDF-Datei abspeichert: «Denn, man weiss ja nie …»

In XPress 2018 ist ein Filter integriert, der IDML-Dateien von InDesign CS 5 bis CC öffnen kann. Das klappt sehr gut! Die Grenzen werden nur dann erreicht, wenn XPress- und InDesign-Funktionen und -Programmarchitekturen zu weit auseinanderliegen, denn XPress war und ist kein InDesign-Clone – und wird es wohl auch nicht werden.

Grundsätzlich unterscheidet sich die Weiterentwicklung der Layoutprogramme von Adobe und Quark. Da neben XPress keine weiteren Grafikprogramme im Portfolio von Quark sind, können Features aus Pixel- oder Vektorprogrammen ohne Abgrenzungsprobleme jederzeit in XPress eingebaut werden. Man kann mit den neuen Programmversionen von Quark mit der gewohnten Arbeitsteilung – wie meist zwischen InDesign, Photo­shop und Illustrator etabliert – arbeiten, man kann mit XPress aber auch neue und wesentlich flexiblere Workflows aufsetzen.

Willkommen, Willkommen

Mit dem IDML-Import ergänzt Quark das Angebot an InDesign-User:

  • Competitive Upgrade: sehr günstiges Crossgrade auf XPress von Adobe- oder anderen Layout-Produkten.
  • Native Objekt-Einfügung per Copy und speziellem Paste aus InDesign, Illustrator sowie aus Office und anderen Anwendungen.

Ein zweites Willkommen gibt es auch an die Gemeinde der (Web-)Entwickler. In XPress 2018 für Mac und Windows wird das weit verbreitete und moderne JavaScript ES6+, basierend auf der JavaScript Engine V8, integriert. Ein HTML-ähnliches Dokument­enmodell (DOM) erleichtert den Zugriff auf fast alle Funktionen und Objekte von XPress. Dabei bleibt Apple Script am Mac erhalten, wird derzeit aber nicht verbessert. Die oft gewünschte Grep-Ersetzung innerhalb von XPress wird über JavaScript integriert. Quark liefert dazu etliche Anschauungsskripte mit.

Die Türen weit auf: Typografie

Neben der technischen Weiterentwicklung des PDF-Exports und des Skripting liegt der Schwerpunkt der Neuheiten von QX 2018 auf der Typografie.

Hier ist zuallererst die Unterstützung von Color Fonts (z. B. OpenType SVG) zu nennen: Ab sofort können alle wichtigen Bitmap- oder Vektor-Farbfonts in XPress eingesetzt werden. Mit Blendmodes und der individuellen Steuerung der Deckkraft einzelner Zeichen entstehen neue kreative Freiräume – für Print und Digital. Für Print-affine Layouter eher ungewöhnlich: ColorFonts liegen im RGB-Farbraum vor und können Bitmaps enthalten – spätestens jetzt muss das Colormanagement vom Anwender vernünftig eingestellt werden.

In eine neue Dimension wird der Zugriff auf die Features der gut ausgestatteten OpenType-Fonts gehoben. In einer eigenen Palette werden alle zugänglichen Funktionen der ausgewählten Schrift gelistet und die Auswirkung auf die ersten 5 Zeichen live angezeigt. Ergänzt wird der OpenType-Bereich durch die Möglichkeit, bis zu 33 Stil-Sets additiv zuzuweisen.

Besonders für Windows-Anwender ist der direkte Zugriff auf alle Schriftschnitte ab XPress 2018 eine grosse Erleichterung: Die Bold- und Italic-Zuweisung ist jetzt direkt mit dem Schriftschnitt gekoppelt.

Gutes wird noch besser

Schon vor 16 Jahren hat Quark von der UB Dieckmann die Silbentrennung lizenziert und in XPress integriert. Damit konnte Quark immer verbuchen, die beste Silbentrennung am Markt einsetzen zu können. Doch es wurden nicht alle Möglichkeiten des Trenn­algorithmus ausgenutzt, denn die Dieckmann-Trennung kennt auch Trennqualitäten: von Stufe 1 für Trennstellen nur an der Kuppelstelle für ­zusammengesetzte Wörter bis Stufe 5 für jede mögliche Trennung.

Damit die Übernahme von alten Dateien ohne Umbruchveränderung gelingt, bleibt das bisherige Trennverhalten als weitere Option erhalten. Die erweiterten Einstellungen werden weiterhin im S&B-Dialog (Silbentrennung und Blocksatz) vorgenommen. Mit QX 2018 kommen auch die englischen Sprachvarietäten in den Genuss superber Trennungen.

Nachdem der Spaltenspanner und ?trenner in der letzten XPress-Version eingeführt wurde, profitieren neu auch die Fussnoten von diesem Feature. Sie können nun den Fussbereich der ganzen Seite überspannen.

Grafik und Digitales

Der Gestaltungsbereich wurde durch die Option, dass alle vier Seiten eines Rechtecks unterschiedliche Stile, Farben und Stärken aufweisen können, ausgebaut. Das Arbeiten mit Formen wurde dahingehend erweitert, dass sich auch gruppierte Elemente horizontal und vertikal spiegeln lassen.

Für Digital-First-Workflows wie geschaffen ist die Möglichkeit, Digital-Layouts in Print-Layouts umzuwandeln. Der Layoutprozess von HTML5-Publikation wird durch schnelle lokale Voransichten von Einzelseiten und nicht nur von ganzen Publikationen enorm beschleunigt. Ebenfalls der Beschleunigung dient die Erweiterung, mit der auch gruppierte Elemente mit Animationen versehen werden können.

Und auch hier liegt wieder ein Fokus auf Typografie: In HMTL5-Exporten werden nun fast alle OpenType-Funktionen im Live-Text unterstützt. Dass die Werkzeuge zum Taggen von Digital-Layouts mit den Werkzeugen zur Unterstützung der Barrierefreiheit kombiniert wurden, ist eine ebenfalls sinnvolle Ergänzung. Im Bereich der kostenlosen Herstellung von Single Apps legt Quark sogar noch einen drauf: Neben iOS wird ab sofort auch Android bedient!

Modal – horizontal – vertikal

Seit XPress 10 ist das User Interface der macOS- und der Windows-Version immer weiter auseinandergedriftet. Mac-Anwender steuerten Objekte und Typo­grafie über die horizontale Mass­palette, Windows-Anwender mussten weiterhin ganz überwiegend in modalen Dialogen die Einstellungen vornehmen. Mit XPress 2018 wurde für Windows das User Interface an die Mac-XPress-Version 2017 angepasst. Mac-Anwender mit breiten Bildschirmen werden sicherlich die neue vertikale Masspalette intensiv ausprobieren: Sie ist eine Mischung zwischen der alten, kleingliedrigen Masspalette und den grosszügigen modalen Dialogen. Mir gefällt diese neue Arbeitsweise auf meinem Desktopgerät sehr.

Fazit

Gleich in mehreren Bereichen übernimmt Quark gegenüber den Konkurrenten die technische Führung oder baut sie weiter aus: PDF-Erzeugung, Skripting, OpenType-Integration und kostenlose Single-App-Erstellung für mobile Geräte.

Um jedes Jahr wiederkehrend Kauf- oder Upgrade-Anreize an den Markt zu senden, müssen neue und bessere Ideen geliefert werden. Das schafft Quark zum wiederholten Mal.

Wird es so weitergehen? Wer die Leistungsfähigkeit des Quark-Servers kennt und sich Gedanken macht, was sich davon im «normalen» Desktop-Produkt QuarkXPress adaptieren lässt, dem wird um die Fortentwicklung in künftigen Versionen nicht bange. Nicht zu vergessen ist dabei der Ideenreichtum der Anwender, mit denen Quark in beispiellosem Austausch steht. ↑

Detlev Hagemann schreibt seit Jahrzehnten Bücher und Fachartikel zu Publishing-Themen und berät Firmen bei Produktionsumstellungen. Sein letztes Buch mit Co-Autor Nikolaus Netzer (Praxisbuch zu QuarkXPress 2017 – ideal auch für Umsteiger von Adobe InDesign) ist im Mandl & Schwarz-Verlag erschienen.

dh@xpress-upgrade.com