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Editorial

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Schickes Acrobat 6.0 dank Quark-Allianz?

Es ist mir in meiner Laufbahn als Fachjournalist noch kaum je so schwer gefallen, bei einer Produkteneuankündigung kritische Distanz zu wahren wie jetzt im Fall von Acrobat 6. Was Adobe hier an neuen Funktionen mit hineingepackt hat, lässt das Herz eines jeden Prepressanwenders höher schlagen. Vom Preflight über die Farbseparation bis zur von Photoshop bekannten Pipette zur Bestimmung von CMYK-Werten ist jetzt auf einen Schlag all das mit drin, worauf man schon so lange sehnlichst gewartet hatte.

Dieser Effort Adobes ist auf den ersten Blick erstaunlich, da die Position Adobes als alleinigen Marktführers in Sachen PDF ziemlich unangefochten scheint. Normalerweise lassen derartige Quantensprünge in der Funktionalität einer Software auf einen harten Wettbwerb schliessen. Und auch hier ist es bei genauerem Hinsehen nicht anders, denn hinter den Kulissen tut sich einiges: Wenige Tage vor der Ankündigung von Acrobat 6 hatte die Firma Quark bekanntgegeben, dass XPress 6.0 beim PDF-Export nicht mehr wie die jetzige Version auf Adobes Acrobat Distiller zurückgreifen werde. Stattdessen hat Quark eine Allianz mit der britischen Firma Global Graphics geschlossen, um deren Jaws-PDF-Technologie in XPress 6.0 zu im­plementieren. Wenn auch die Jaws-PDF-Tools bis jetzt vor allem in der Office-Umgebung Verbeitung fanden, so ist Global Graphics in der grafischen Industrie doch alles andere als ein Nobody. Seit 1989 entwickelt die Firma unter der Marke «Harlequin» Postscript-RIPs, die in der Branche einen sehr guten Ruf geniessen.

Da QuarkXPress heute in der Druckvorstufe noch immer der dominierende Standard ist, wird mit dieser Allianz folglich die Jaws-Technologie der Standard zum Erzeugen von PDF. Für die weltweit – gemäss Quark – zwei Millionen XPress-Anwender wird der Acrobat Distiller damit schlichtweg überflüssig. Da wird es klar, wieso Adobe jetzt bei der Weiterentwicklung von Acrobat die Klientel in der grafischen Industrie wieder mehr hätschelt. Das, was Acrobat mit der Version 5.0 dem Prepress­anwender zu bieten hatte, wäre da wohl zu wenig gewesen, um Global Graphics auf Distanz und die Anwender bei der Stange zu halten.

Einmal mehr zeigt es sich, dass wir Anwender nur profitieren können, wenn neue Anbieter beziehungsweise Allianzen den Markt frisch aufmischen und dadurch Quasimonopole ins Wanken geraten. Dies würde übrigens auch für den Fall gelten, dass sich die Jaws-Technologie – zum Beispiel wegen mangelnder Produktionssicherheit – doch nicht als ebenbürtig zu Adobes Distiller erweisen sollte. In diesem Fall dürfte allerdings ein anderes Monopol mehr als nur wanken ...

Martin Spaar

 

 

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