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Bildschirm-Pr�sentationen mit PowerPoint

Bildschirm-Präsentationen

PowerPoint: mehr als Standard

Eine Präsentation «verkauft», wenn sie gut aufgemacht ist, weit überzeugender als eine textlastige und lieblose Darstellung. Ein paar Hinweise für den Erfolg.

RALF TURTSCHI Wie alle Programme von Microsoft ist auch PowerPoint gespickt mit Funktionen, die Otto Normalanwender nie oder nur selten braucht. PowerPoint ist ein Präsentationstool, welches mit dem Microsoft-Office-Paket neben Winword und Excel dazugeliefert wird. Alle drei Microsoft-Programme kennen nicht dieselben grafischen Feinheiten, wie dies von einen Desktop-Publishing-Paket erwartet wird. Warum eigentlich nicht? Sind PowerPoint-Betrachter unfähigere Menschen als Betrachter von Printprodukten? Müssen sie weniger sorgfältig angegangen werden?

Das Grundformat

Das Standardformat für eine Bildschirmpräsentation beträgt 24 x 18 cm, also in den Proportionen 4:3. Eigentlich muss das Format den Projektionsverhältnissen angepasst werden, und da fast überall die Projektions­fläche querformatig ist, kann man mit dem Standardformat gut leben. Unter Seite einrichten wird das Grundformat eingestellt.

Farbdarstellung

Die Farbdarstellung bewegt sich im RGB-Farbraum (Rot, Grün, Blau) in jeweils 256 Abstufungen pro Farbe. Nun ist eine Projektion in abgedunkeltem Raum etwas anderes als eine Broschüre in heller Umgebung. Farben wirken in der Projektion einiges leuchtender. Deshalb sollen die Folienfarben generell zurückhaltender eingesetzt werden. Reine Farben wie Gelb, Blau, Rot oder Grün wirken als Hintergrund eingesetzt viel zu intensiv, sie ermüden das Auge. Weiss als Hintergrund ist ebenfalls ungünstig, weil der Kontrast zur dunklen Umgebung als zu schmerzhaft empfunden wird.

Figur-Grund-Gesetz

Die gestalterisch wichtigste Leitplanke ist das Figur-Grund-Gesetz. Es besagt, dass unser Auge immer einen Vordergrund und einen Hintergrund auszumachen versucht. Bei der Präsentation liegen Schrift, Bilder, Tabellen und Diagramme als Vordergrund auf einer Hintergrundfarbfläche. Figur und Grund stehen in einer Wechselbeziehung: Man kann nicht Vordergrund dazusetzen, ohne gleichzeitig Hintergrund wegzunehmen. Gute Gestalter arbeiten vornehmlich mit dem «Weissraum», dem Hintergrund, und nicht mit den Objekten, die darauf liegen.

Grundaufbau mit Masterfolie

Was liegt näher, als die vielen Standardtypen an Masterfolien (Datei Neu Reiter «Designs») zu gebrauchen? Wenn man sie sich genauer ansieht, stellt man konzeptionelle und gestalterische Mängel fest. Die Masterfolien müssen deswegen auf eigene Bedürfnisse abgeändert werden. Sie sind entweder zu dunkel, zu hell, zu farbig, zu wild, die Schriften langweilig oder die Überblendungen penetrant.

Eine Masterfolie ist eine Art Satzspiegel, sie zeichnet sich dadurch aus, dass alle ihre Elemente auf den Inhaltsfolien erscheinen, das betrifft vor allem Hintergrundobjekte.

Bei der Hintergrundgestaltung merke man sich: Weniger ist mehr. Man muss niemandem zeigen, wie gut man mit PowerPoint zurecht kommt, im Vortrag zählen der Inhalt und die Rhetorik mehr. Ein aufwändiges Design ist nach der vierten Folie «gegessen», nach der zehnten stösst es höchstens noch auf.

Beginnen wir mal abzuspecken. Alles nicht der direkten Unterstützung für die Informationsaufnahme Dienende soll weggelassen werden. So Leid es mir tut, das Logo muss nicht auf jeder Folie erscheinen; ebenso wenig ist eine Fusszeile für die Zuhörer von Interesse. Was ein Copyrighthinweis oder eine Foliennummer kommunizieren soll, ist nicht einzusehen. Alles überflüssiger Ballast.

Der Hintergrund sollte so beschaffen sein, dass grundsätzlich helle und dunkle Schrift lesbar ist. So kann man mit der gleichen Schrift entweder in Weiss oder Schwarz Lebendigkeit reinbringen. Eine Farbe also von mittlerer Intensität und Helligkeit ist gefragt. Der Hintergrund sollte eine gewisse Ruhe aufweisen, da auf unruhigem Hintergrund die Schrift nicht optimal erfasst werden kann. Irgendwelche Formen oder Bilder ab CD konkurrenzieren sofort den Vordergrund. PowerPoint bietet unter Fülleffekte, Reiter Muster und Struktur an. Ich empfehle, diese Optionen zu ignorieren. Eine gute Lösung stellt ein Verlauf dar. Er entspricht unserem natürlichen Seherlebnis und ist doch nicht so platt wie eine farbige Fläche. Der Verlauf wirkt zusammen mit Schrift am besten horizontal. Schräge und kreisförmige Verläufe oder solche über mehrere Farben wirken zu unruhig und zu aufgedreht.

Zur Farbwahl: Blaue Farbtöne wirken eher kühl und distanziert. In der Ferne verbläulichen die Farben in der Natur. Laut der Forschung meinen 38% aller Leute, Blau sei ihre Lieblingsfarbe. Warme Farbtöne wirken nah und pulsierend, sie sind eher aufdringlich. Wichtiger als der Farbton ist die Sättigung, die nicht zu hoch sein darf.

Aufteilung der Folie

In den Hintergrund können zusätzlich Linien, Flächen oder andere Schmuck­elemente eingearbeitet werden. Je mehr Elemente verwendet werden, desto komplizierter wirds. Ohne entsprechende grafische Grundausbildung ist es nicht einfach, alle Elemente richtig schön auf den Screen zu bringen. Diese Elemente sollen den Inhalt nicht bedrängen. Der Text und die Bilder müssen atmen können. Alle Elemente, die zusätzlich in flächiger Manier auf den Master kommen, engen später ein. Deshalb weg mit allen Farbbalken oben, seitlich und unten, weg mit Logos, weg mit Fussnoten.

Bilder

Beim Bild zeigt sich die Grenze des Programms. Offenbar ist PowerPoint nicht auf Bilder ausgerichtet. Bilder werden in ein Microsoft-eigenes Format konvertiert, in einer mehr als lausigen Qualität, man kann also keine Tiff- oder JPG-Daten in PowerPoint einbinden, geschweige denn sie als Einzelbilder wieder exportieren. Es bilden sich Zackenränder und die Auflösung ist indiskutabel.

Mit «Speichern unter» lassen sich ganze Folien als JPG-Daten exportieren, und diese Daten kann man mitsamt hässlichen Artefakten in anderen Programmen weiterverwenden. Microschrott.

Bilder brauchen Speicherplatz: Ein vierzigminütiger Vortrag aus 40–60 Folien mit reichlich Bildern wird eine Datei um 40–80 MB erzeugen. Somit muss PowerPoint reichlich Speicher zugeordnet werden. Vor allem wenn noch mit animierten Überblendungen gearbeitet wird, braucht PPT bis zu 400 MB Arbeitsspeicher. Eine gute Präsentation benötigt also zwingend einen Rechner mit Power, ein schmalbrüstiges Modell schafft rein aus Kapazitätsgründen nur langweilige Textvorträge.

Grafik

Kuchen- und Säulendiagramme aus Excel sind sparsam einzusetzen. Die Visualisierung von Zahlenbergen mittels Diagramm ist zwar eine lobenswerte Sache, nur darf ein Vortrag sich nicht ausschliesslich auf solche Diagramme stützen. Die Farben sind so zu wählen, dass sie sich nicht mit dem Hintergrund beissen. Zu viele Säulen oder solche, die dreidimensional hintereinander stehen, verwirren den Blick. Ein Diagramm aus Excel direkt exportiert, wirkt eben hausgemacht: «Aha, Excel, kann ich auch!» Erst die Umsetzung durch ein Grafikprogramm ermöglicht den Aufstieg in den Olymp.

Visualisierung um jeden Preis

Es darf nicht sein, dass Zuhörer, statt zuzuhören, die Präsentation mitlesen. Der gute PowerPoint-Vortrag zeigt nicht Zitate und schon gar nicht ganze Textpassagen. Eine solche Präsentation wirkt garantiert als Schlafmittel. Aber warum soll es Rednern anders ergehen als Journalisten? Text beschaffen ist halt einfacher, als eine Idee zu visualisieren. 20 aufeinander folgende Folien mit Textaufzählungen, das hält ja der motivierteste Zuhörer nicht aus! Kurze Schlagworte, als Unterstützung mit reichlich Bildmaterial versehen, sind angezeigt. Wer unsicher ist, kann sich auch von einem Fachmann beraten oder die Masterfolien gestalten lassen. Schönheit darf auch eine Kleinigkeit kosten. Man bedenke: Von der perfekten Präsentation hängt das Ansehen oder die Kompetenz des Referenten ab, das Image des Unternehmens oder die Übermittlung der Botschaft. Kein Manager würde doch den Geschäftsbericht auf Winword selber zusammenbasteln, oder? In der Regel sind Leute in der Bürowelt nicht in der Lage, professionell zu gestalten, und benötigen Hilfe. Man kann PowerPoint zwar selber bedienen, aber soll der Zuschauer auch merken, dass man Bastler ist?

Textdarstellung

Grundsätzlich ist weder Word noch PowerPoint in der Lage, Texte typografisch einwandfrei darzustellen. Das ist hier ganz schwer zu bemängeln. Die Buchstaben sind ganz schlecht ausgeglichen und stehen zum Teil störend weit auseinander. Weshalb dies so ist und man der Lesbarkeit nicht mehr Beachtung schenkt, wissen die Götter.

Man ist also gezwungen, mit Schriften zu arbeiten, die weit geschnitten sind und mit denen solche Probleme möglichst vermieden werden.

Schriften sollen in ausreichender Grösse präsentiert werden: Titel etwa zwischen 30 und 40 Punkt, normale Lesetexte etwa 24–30 Punkt. Dabei kommt es selbstverständlich auf die Betrachtungsdistanz und die Leinwandgrösse an. Als unterstes Limit können etwa 24 Punkt für Titel und 16 Punkt für Lesetext gelten. Wobei jede Schrift in der gleichen Punktgrösse unterschiedlich hoch ist.

Schriften mit Serifen (Füsschen) sind am Bildschirm eher schlechter lesbar als Serifenlose, weil sie filigraner und verspielter gestaltet sind. Times ist also nicht so ideal, besser eignen sich Arial, Helvetica oder Verdana. Wobei die Arial auf jedem PC vorhanden ist, vom Schriftbild her gesehen aber nicht sehr schön gestaltet ist. Anders die Verdana, sie erfreut auch Typografenherzen. Wichtig bei der Schriftwahl: Die Innenräume der Buchstaben sollten möglichst offen sein.

Als Satzart drängt sich linksbündig auf, rechtsbündig ist nicht gut lesbar, weil der Zeilenanfang bei jeder Zeile neu gesucht werden muss. Mittelachse ist langweilig und bei Aufzählungen aus dem gleichen Grund nicht zu gebrauchen. Mittelachse beim Titel und linksbündig beim Text ist ebenfalls keine Variante, weil diese Kombination sich optisch nicht verträgt. Wie man Linien und Texte kombinieren kann, ist auf den gezeigten Beispielen zu sehen.>

Epilog

PowerPoint ist ein gutes Werkzeug, welches wie alles Vor- und Nachteile aufweist. Um gute Präsentationen zu gestalten, braucht es gestalterisches und didaktisches Grundwissen. Nur mit dem Programm allein hängen die Trauben zu hoch. Allein schon das Thema Folienübergänge, Ton- und Filmintegration ist ein Fass ohne Boden. Auf der andern Seite fragt sich jeder: «Wie kann ich aus einem Minimum ein Maximum herausholen?» Man darf dann einfach nicht Fiat Cinquecento fahren und meinen, man sitze in einem Porsche Carrera.>

 

 

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