Heft-Archiv >> 2002 >> Publisher 1-02 >> Web-Publishing >> Kalte Fusion made in Switzerland
Artikel als PDF

Kalte Fusion made in Switzerland

Fallstudie zu Macromedia ColdFusion

Kalte Fusion made in Switzerland

MySwitzerland.com setzt seit knapp einem Jahr erfolgreich Macromedias ColdFusion ein. Die dynamische Datenbankanbindung generiert zuverlässig, schnell und unkompliziert den Webseiteninhalt aus einem riesigen Datenbestand.

MARTIN WALTHERT Das Webportal von Schweiz Tourismus, My-Switzerland.com, bietet interessierten Reiselustigen aus dem In- und Ausland alle erdenklichen Infomationen zur Wunschdestination. Der Philosophie «Dream – Plan – Go» folgend, sollen die Webseitenbesucher nicht nur dank Bildern, Panoramaansichten, Slideshows und spezifischen Texten Appetit auf Ferien in der Schweiz erhalten, sondern ihre Trips ins Alpenland auch sorgfältig planen und gleich buchen können. Die unzähligen Reisetipps, Veranstaltungshinweise sowie Übernachtungs- und Transportvorschläge helfen dabei beim imaginären Durchlauf des Urlaubs. Über die Buchungsplattform lassen sich schliesslich die Träume und Pläne gleich umsetzen, sei es ein Pauschalarrangement, eine Chaletreservation oder der Bezug eines Bahnbilletts oder Skipistenabonnements.

MySwitzerland.com mit ColdFusion

Eine Internetseite mit solch gewaltigem Funktions- und Inhaltsumfang bedarf selbstverständlich eines ausgeklügelten Content-Management-Tools, welches dank einer grosszügigen Skalierbarkeit effiziente Pflege und Anwendungsentwicklung erlaubt. 1995, als Schweiz Tourismus den ersten Webauftritt realisierte, war die Seite wie damals üblich auf HTML-Codes aufgebaut und folglich statischer Natur. Obwohl die Webpräsenz beim breiten Publikum anfangs noch keine aussergewöhnlich hohe Beachtung fand und ausschliesslich als Ergänzung zu den übrigen Marketingaktivitäten fungierte, beinhaltete sie bereits einige per Telefon oder E-Mail direkt buchbare Angebote. Angesichts des bescheidenen Inhaltes war die Seite dazumal jedoch eher ein Portal, welches weiterführende Links zu externen touristischen Partnerorganisationen in sich vereinte. Um die beschränkte Informationsfülle und die Aktualität zu erweitern, den Auftritt stärker in das Design von Schweiz Tourismus zu integrieren und die Buchungsplattform SDM (Switzerland Destination Marketing) bestmöglich anzubinden, entschied man sich 1998 für eine Neuentwicklung der Website. In Zusammenarbeit mit der amerikanischen Firma Level 9 wurde der Wechsel zu einer dynamischen Datenbanklösung vollzogen, welche auf einer von Level 9 selbst kreierten, Tag-basierten Entwicklungssprache mit dem Namen IML beruhte. In der Anfangsphase noch ausreichend, waren es schliesslich abermals technologische Schranken, welche die «Dream – Plan – Go»-Vision eingrenzten. Bedingt durch rasante Fortschritte von Webtechniken und die wachsenden Ansprüche seitens Schweiz Tourismus, entschied man sich im Jahr 2000 für einen erneuten Relaunch mit gleichzeitigem Ausbau der Plattform. Die wichtigsten Kriterien bei der Wahl einer entsprechenden Content-Management-Umgebung waren folgende:

     

     

     

  • Ausreichend Performance, um den weltweit wohl umfassendsten Datensatz eines nationalen Reiseportals bereitzustellen.
  • Einfaches und ortsunabhängiges Aktualisieren der Inhalte (Remote Management).
  • Ausbaufähigkeit der Datenbank-, Server- und Browserapplikationen.
  • Skalierbarkeit auch in Fragen der Geschwindigkeit, da ein Besucherzuwachs erwartet wurde.
  • Stabilität und Zuverlässigkeit.

 

 

ColdFusion, Macromedias Tool zu Entwicklung und Bereitstellung skalierbarer Webanwendungen, erfüllt all diese Anforderungen. Die einfache Verknüpfung von Datenbanken, E-Mails, Verzeichnissen, XML-Formaten und firmeninternen Systemen erlaubt es den Webentwicklern, komplexe Appli­ka- ­tionen schnell und einfach zu programmieren. Gleichzeitig zum Entscheid für ColdFusion migrierte My- Switzerland.com ihre Datenbank von PostgreSQL nach Oracle8i.

 

 

 

Dynamische Bereitstellung des Inhaltes

ColdFusion stellt sozusagen das Tor von der Datenbank zum Netz dar. Über so genannte Templates wird auf die spezifischen Informationen zugegriffen, woraus dann die Webseiten dynamisch und zum Zeitpunkt der Abfrage erstellt werden. ColdFusion basiert auf der eigenen Markup-Language CFML, aus der ein Echtzeit-Compiler die abgefragten Webseiten erstellt. Die Notwendigkeit, bei alltäglichen Problemen selber mit Quellcode zu experimentieren, wurde in der neuen Version 5 noch weiter und auf ein Minimum reduziert. So gilt ColdFusion, in Anbetracht des Funktionsumfangs, als relativ leicht zu handhaben. Sind die ins Web zu stellenden Informationen umfangreich und Aktualisierungen an selbigen laufend fällig, zahlt sich die Zeitersparnis bei der Aufbereitung mit Hilfe von ColdFusion schnell aus. Für MySwitzerland.com galt es, über 450 Content-Providern einen einfachen und intuitiven Weg zu bereiten, ihren Inhalt hochzuladen. So tragen beispielsweise Skiorte täglich unabhängig Pisten- und Schneeberichte ein, aber auch Hotels aktualisieren Zimmerpreise und Anzahl freier Betten selbst. Für diese Updates ist keinerlei HTML-Erfahrung mehr vonnöten, denn steht die Datenbankanbindung erst mal, muss an der Schnittstelle nichts mehr modifiziert werden. Die Seite baut sich dynamisch aus dem reflektierten Inhalt der Datenbank auf. Dies öffnet folglich einer komplexen Verschachtelung von Inhalten und Anbietern Tür und Tor. MySwitzerland.com wird heute in 8 verschiedenen Sprachen gehalten, und zusätzlich hat ein Besucher die Möglichkeit, sein Herkunftsland zu wählen. Partner in momentan 9 Ländern bereiten den Inhalt markt- und gästespezifisch auf, seien es Spezialaktionen oder Neuigkeiten. 1800 Hotels und mehr als 60000 Kultur- und Sportanlässe finden Erwähnung, und obwohl sich neben dem Umfang auch der Site Traffic stark vergrössert hat, soll der Aufbau der Website bis zehnmal kürzer dauern als früher. Als neuestes Feature lassen sich die Wintersportberichte, welche auch automatisch an verschiedene Tageszeitungen weitergeleitet werden, als SMS aufs eigene Handy schicken. In Anbetracht der Angebotsfülle umso erstaunlicher wirkt die Tatsache, mit welcher Effizienz die Seitenadministration dank ColdFusion vonstatten geht. Waren in der Entwicklungsphase seitens Level9 zeitweise bis zu neun Mitarbeiter mit der Verknüpfung des Inhaltes beschäftigt, läuft heute der technische Unterhalt über eine Person. Auch die Übertragung des Content-Managements auf eine Partnersite (wie bei www.heidiland.com geschehen) lässt sich unkompliziert und entsprechend günstig durchführen.

Fazit

Obwohl mit höheren Implementierungskosten verbunden, wird sich eine dynamische Datenbankanbindung à la ColdFusion auszahlen, sofern mehrere der folgenden Punkte auf die Webpräsenz zutreffen:

 

 

 

     

     

  • Braucht die Internetsite regelmäs-sige Updates wie neue Produkte, Events, Tipps oder News?
  • Soll E-Commerce betrieben werden?
  • Enthält die Seite umfangreiches Datenmaterial oder liegt ihr ein solches zugrunde?
  • Sind innerhalb der Seite Berechnungen fällig?
  • Sind verschiedene Werbebanner aufgeschaltet?

 

Thomas Winkler: Dank ColdFusion haben wir die Webseite alleine im Griff

Wir hatten Gelegenheit, uns mit Thomas Winkler, Director Web Division bei Schweiz Tourismus, und Web Application Developer Louis Brauer über MySwitzerland.com zu unterhalten.

Publisher: Seit wann betreibt Schweiz Tourismus eine Website?
Thomas Winkler: Seit 1995. Damals existierte jedoch noch keine Datenbankanbindung und die ganze Site war in HTML aufgebaut.

Publisher: Wann kam der Punkt, an dem sich MySwitzerland für ein neues Webkonzept entscheiden musste?
Winkler: 1998 entschied man sich, um dem Datenumfang und der Pflege der Site gerecht zu werden, für eine dynamische Lösung mit Datenbankunterstützung. Zum Einsatz kam die von Level 9 eigens entwickelte Programmiersprache IML, welche dazumal einige Ähnlichkeiten zu ColdFusion aufwies, jedoch nicht weiterentwickelt wurde.
Als ich Mitte 2000 zu MySwitzerland stiess, war für mich klar, dass man sich von der proprietären Lösung IML abwenden sollte. Die technologischen Grenzen und die Abhängigkeit von Level 9 waren zu gross. Auch die bis dahin verwendete PostgreSQL-Datenbank war nicht zufrieden stellend.

Publisher: Weshalb nicht?
Winkler: Sowohl von der Geschwindigkeit wie von der Verfügbarkeit her. Ausserdem wäre die Zusammenarbeit mit ColdFusion kaum möglich gewesen.

Publisher: Waren Sie am Entscheid, ColdFusion einzusetzen, beteiligt oder lag die Initiative bei Level 9?
Winkler: Nein, der Entscheid kam von uns. Mit der Datenbank Oracle und ColdFusion lag uns ein optimales Paket vor. Vorteilhaft war, dass bei Level 9 das Know-how sowohl für Oracle wie auch für ColdFusion schon vorhanden war.

Publisher: Was spricht konkret für Macromedias ColdFusion?
Louis Brauer: Wichtig ist sicherlich die native Unterstützung von Oracle. Auch breite Verfügbarkeit, Skalierbarkeit und Plattformunabhängigkeit waren wichtige Kriterien. Zudem ist der Einstieg in ColdFusion um einiges leichter als beispielsweise in Java.

Publisher: Welche Alternativen gab es?
Winkler: Wir haben uns eigentlich ziemlich schnell auf ColdFusion fokussiert.
Brauer: Ja, es gab dazumal relativ wenig Alternativen: ASP oder ColdFusion.
Winkler: Eine PL/SQL-Lösung kam nicht in Frage, da der Schritt von einer Tag-basierten Sprache auf eine prozedurale zu gross gewesen wäre.

Publisher: Ein Vorteil von ColdFusion soll ja sein, dass, wenn das Grundgerüst einmal steht, der administrative Aufwand reduziert wird. Wie viele Personen sind bei MySwitzerland mit dem technischen Unterhalt der Website beschäftigt?
Brauer: Im Prinzip nur ich.

Publisher: Level 9 hat also mit der Administration der Website nichts mehr zu tun?
Winkler: Richtig, uns war es wichtig, dass wir das ganze System alleine im Griff und unter Kontrolle haben. Dies ist mit ColdFusion möglich.

Publisher: Die Seite MySwitzerland.com bietet einen gigantischen Datenumfang. Hat man sich mit 6 verschiedenen Sprachen und verschiedensten Herkunftsländern nicht ein bisschen übernommen? Wählt man nämlich beispielsweise als Sprache Spanisch aus, erscheinen trotzdem immer wieder englische Beiträge.
Winkler: Ja, doch ist dies ein finanzielles und kein technisches Problem. Wir können es uns nicht leisten, alle Texte in alle Sprachen zu übersetzen. Deshalb ist die Grundsprache Englisch; wenn also ein Text in einer anderen Sprache nicht verfügbar ist, erscheint er in Englisch. Zudem ergeben sich durch die Aufteilung in Märkte und Sprachen natürlich extrem viele Konfigurationsmöglichkeiten. Wenn nun also jemand als Herkunftsland Deutschland wählt, aber als Sprache Spanisch, stehen die von den deutschen Kollegen für ihren Markt generierten Beiträge neben allgemeinen Informationen, die ins Spanische übersetzt wurden. Es lohnt sich einfach nicht, jede Konfiguration voll umzutexten.

Publisher: Rückblickend auf das letzte Jahr: Hat sich der Umstieg auf ColdFusion gelohnt? Gab es grössere Schwierigkeiten?
Winkler: Der Umstieg hat sich absolut gelohnt. Es ergaben sich keinerlei Schwierigkeiten. Von Oktober 2000 bis November 2001 stieg die Anzahl Visits um 140%. Und trotzdem ist die Performance der Site sogar noch gestiegen.
Brauer: Einen extremen Performanceschub ergab auch der Ende September 2001 vollzogene Wechsel von ColdFusion 4.5 zur Version 5. Dadurch stieg auch die Stabilität bei sehr vielen gleichzeitigen Zugriffen erneut an. Die Verfügbarkeit unserer Seite ist praktisch bei 100%, wir hatten im ganzen Jahr noch keine Panne.

Publisher: Was können Sie einem Website-betreiber, der vor einer Entscheidung für ColdFusion steht, mit auf den Weg geben?
Brauer: Da wir keinerlei Probleme hatten, können wir nur auf die Vorzüge hinweisen. Ein wichtiger Punkt ist die Plattformunabhängigkeit von ColdFusion, die sich langfristig bezahlt macht.
Winkler: Die native Datenbankunterstützung bringt zudem einen grossen Performancevorteil.
Brauer: Zu beachten ist, dass Linux das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Die Lizenzfreiheit und der Support sind klare Pluspunkte. Linux erlaubt es uns, auf Intel-Hardware aufzubauen und gleichzeitig über die Stabilität eines Unix-Systems zu verfügen. Im ganzen Jahr hatten wir noch keinen einzigen Server-absturz.

Publisher: Herr Winkler und Herr Brauer, vielen Dank für das Gespräch.

Artikel als PDF