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Moir�-Effekt: Scannen gerasteter Vorlagen

Zwei sich überlagernde regelmässige Strukturen bilden automatisch Interferenzmuster. Vorhänge bilden diese Muster, oder im Fernsehen flimmern karierte Jackets. Typische Fälle von Moirés. Im Druck gilt es, solche störenden Effekte zu vermeiden.

Moiré wird im Lexikon mit «geflammter oder schillernder Stoff» beschrieben. Im Druck entstehen solche Muster durch die Technik, Farbe in Rasterpunkte aufzulösen, um sie überhaupt wiedergeben zu können. Die Rasterpunkte werden vom RIP (Rasterimageprozessor) bei der Belichtung erzeugt. Man bezeichnet die Feinheit des Rasters mit lpi (lines per inch) oder Punkte pro Zentimeter; im Offsetdruck wird oft ein 60er Raster verwendet. Die Rasterweite kann man mit einem Rasterzähler messen (s. Publishers Typo+Lithometer, Seite 14). Daten gerasterter Vorlagen werden vom RIP nochmals gerastert, was eventuell zum Moiré führt. Eventuell, weil dazu die Struktur in der Vorlage regelmässig sein muss und die Rasterweite von Vorlage und Ausgabe etwa übereinstimmen müssen.

Objektmoiré

Objektmorés können entstehen, wenn das Motiv auf der Vorlage bereits ein Muster aufweist. Fein karierte Stoffe, Lamellen, Lautsprecherboxen oder andere regelmässige Strukturen können mit der Rasterstruktur störend ein Interferenzmuster bilden. Wenn die Objektstruktur nicht regelmässig, sondern wie bei Stoffen fliessend den Winkel ändert, ist ein Moiré fast unvermeidlich. Hier gibt es nur noch Hilfe durch die Änderung der Rasterweite oder Punktform.

Gerasterte Vorlagen

Gedruckte Vorlagen mit einer Rasterstruktur sind schlechte Vorlagen. Bezüglich Kontrast und Farbe weisen sie einen bescheidenen Umfang aus und bezüglich Copyright ist es oft frevelhaft, gedruckte Vorlagen nochmals zu veröffentlichen. Gerasterte Vorlagen zu scannen, ist grundsätzlich ein heikles Unterfangen, weil man die störenden Effekte im digitalen Workflow oft erst in der Druckmaschine entdeckt. Dies ist ein Grund, weshalb für einen guten Digitalproofer Originalrasterung dazugehört. Die Simulation von Bildern mittels irgendwelcher Spritztechnik bringt in diesem Bereich nichts.

Grössen und Auflösung

Jeder Scanner tastet in feinen Schritten die relativ grossen Rasterpunkte ab. Gehen wir einmal von einem 60er Raster aus, der 6 Rasterpunkte pro mm aufweist. Bei einer guten Scanauflösung von 5000 ppi wird die Vorlage mit 5000 : 2,54 = rund 2000 Schritten pro cm abgetastet. Pro mm sind dies 200 Abtastschritte. Bei 6 Rasterpunkten wird jeder Punkt durch 33 Scanschritte abgetastet. Der Scanner wird also jeden Punkt so quasi als Elefantendung erkennen und auch in Pixelhaufen umrechnen. Nun kann man jedoch Aufsichtsvorlagen oft mit 200–300 ppi scannen, das genügt. Dann wird ein Rasterpunkt immer noch mit 2 Scanschritten eingelesen. Erst durch das Umrechnen in kleinere Bildgrössen wird Photoshop die Rasterpunkte und die Zwischenräume ineinander rechnen und daraus ein Mittel erzeugen. Die Rasterstruktur wird weggerechnet. Umgekehrt lässt sich nicht arbeiten. Wer die ?Bollen? vergrössert, der wird sie nicht aus der Welt schaffen. Beim Interpolieren schafft Photoshop Pixel hinzu, der «Dung» wird einfach vergrössert.

Generell kann gesagt werden: Farbige und dunkle Drucke sind weniger problematisch als schwarzweisse und helle. Gerasterte Vorlagen auf 50% oder weniger verkleinern, das macht keine Probleme. Vergrössern sollte man sie auf keinen Fall. Zwischen 100%iger bis 50%iger Verkleinerung gibt es Tricks. Schwierig ist eine Beurteilung oft, weil auch der Bildschirm durch seine Loch- oder Schlitzmaske mit den Rasterpunkten interferiert. Das Moiré auf dem Bildschirm ist trügerisch und hat auf die Ausgabe überhaupt keinen Einfluss.

Tipps für das Scannen

Wer die Funktionsweise von Scannern und vom RIP versteht, der kann leicht Strategien gegen eine Moirébildung entwickeln. Der einfachste Trick besteht im Messen des Rasterwinkles mit dem Rastermesser. Wenn man den Rasterwinkel im Photoshop um 30 Grad vom Original abwinkelt mit der Datei speichert, kann man das Moiré unterdrücken. Ein zweiter Trick besteht darin, dass man den Fokus des Scanners überlistet. Leicht unscharf erkennt der Scanner die Punkte nicht mehr so genau und bildet statt «Dungbollen» eine Masse von Sch? Praktisch alle Scanner verfügen über eine Funktion (Descreen) für die Entrasterung verschiedener Rasterweiten. Bei Flachbettscannern hilft auch eine Glasscheibe, um die fixierte Fokussierung zu überlisten.

Ein anderer Weg führt über Photoshop-Filter. «Störungen & Kratzer entfernen», «Gauss?scher Weichzeichner», und «Stark Weichzeichnen» leisten, dosiert eingesetzt, auch gute Dienste.

All diese Tricks können natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um Notlösungen handelt. Aus Dung macht man keine Eierkuchen! Solche Bilder wirken immer leicht unscharf und schwammig. Immer noch besser als gar kein Bild oder ein verpixeltes aus dem Internet.

 


Überall, wo konventionell gerastert wird, entstehen durch die Überlagerung von regelmässigen Strukturen automatisch so genannte Interferenzmuster, im Fachjargon Moiré genannt. Die autotypische Rasterung mittels Punktraster oder Kettenpunktraster kann das Problem nie umgehen, nur kaschieren. Der einzige Weg, moiréfrei zu drucken, führt über die Technologie der frequenzmodulierten Rasterung, weil da die einzelnen Rasterpunkte viel feiner und zufallsmässig angeordnet sind. Laserdrucker, Tintenstrahldrucker oder einige Digital-Proofgeräte arbeiten häufig nicht mit dem autotypischen Raster, weshalb solche störenden Effekte dort nicht sichtbar sind. Überraschungen im Druck sind vorprogrammiert.

Wie das Beispiel zeigt, tritt das Moiré am stärksten auf, wenn sich die beiden Raster im Winkel nur wenig unterscheiden. Bei einem Unterschied von 30° ist der Moiré-Effekt am wenigsten sichtbar.

Beim Vierfarbendruck müssen die Farbauszüge eine andere Rasterwinkelung aufweisen, damit die Punkte nicht deckungsgleich aufeinanderliegen. Im Wissen um den Moiré-Effekt legt man die Winkel der dunkel zeichnenden Farben 30° auseinander. Gelb sieht man im Druck nicht so gut, deshalb ist der Winkel des Gelbauszuges irgendwo dazwischen angesiedelt. Die Winkelungen sind von Belichter zu Belichter unterschiedlich und nie ganzzahlig. Bei schlechten Belichtern sieht man in ruhigen Tönen das Moiré, ohne dass beim Scannen etwas schiefgelaufen ist. Es kommt zudem darauf an, ob der Auszug normal oder unbunt (GCR/UCR) aufgebaut ist. Es entsteht das so typische Rosettenmuster des Vierfarbendrucks. Im Tiefdruck geht durch die flüssige Farbe das Rosettenmuster verloren, der Farbauftrag wirkt insgesamt toniger.

Ralf Turtschi

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