Flash und viele Vereinfachungen
Die neuen Formate in InDesign CS4 ermöglichen nie da gewesene Integration und Automation. Aber auch für den täglichen Layoutprozess ist viel Nützliches dazugekommen.
Haeme Ulrich Hier ein erster Überblick über die neuen Funktionen von InDesign CS4. In den nächsten Ausgaben des Publisher beschreibe ich dann die einzelnen Neuerungen im Detail. Der Artikel basiert auf einer englischen Betaversion, deshalb auch die englischen Bezeichnungen.
Am oberen Bildschirmrand der CS4-Applikationen befindet sich neu die Application Bar, eine Liste mit verschiedenen, häufig benutzten Funktionen. Links ist das Programm-Icon, gefolgt von einem Knopf, mit dem man direkt in die Bridge springt. InDesign hat noch weitere Funktionen in der Application Bar: Eingabefeld für Zoomfaktor, Ansichtsoptionen, Bildschirmmodus (Vorschau ein/aus) und den Widget Manager, einen Knopf zum Verwalten der offenen Fenster.
Für Mac-Anwender gibt es noch eine weitere grundlegende Neuerung: der Application Frame. Unter Windows hatte jedes Programm schon immer einen Hintergrund, der die Sicht auf den Schreibtisch oder in andere offene Programme verhindert hat. Apple selbst schreibt dies in OS X nicht vor, hat aber in letzter Zeit in eigenen Programmen auch Hintergründe eingeführt, was eindeutig der besseren Übersicht dient. Adobe folgt nun Apple. Auf dem Mac kann man über Window > Application Frame einen solchen Hintergrund ein- oder ausschalten.
Sicher kennen Sie aus Webbrowsern wie Firefox oder Safari die Möglichkeit, Fenster als Tabs anzeigen zu lassen. Auch das geht mit den CS4-Programmen. In InDesign ist das genial, um zwei offene Dokumente Platz sparend Seite an Seite zu stellen. Die Anordnung dieser Tabs wird mit dem Widget Manager automatisiert.
Die meisten Anwender benutzen seit CS3 die Bedienfelder in der Icon-Ansicht. In CS4 können Icons auch losgelöst vom Bildschirmrand angezeigt werden. Zudem können mehrere Bedienfelder aufgeklappt sein, sofern sie nicht im gleichen Dock stecken. Somit ist es jetzt möglich, die Farbfelder und das Verlauf-Bedienfeld zeitgleich offen zu halten.
Die Smart Guides sind ein Feature, bei dem man sich fragt, wie es ohne überhaupt gegangen ist! Die neuen Cursors sind kommunikativer geworden: Sie geben Breite, Höhe und Position eines Objekts an. Dienlich ist vor allem, dass Smart Guides zum Ausrichten von Objekten erscheinen. Diese Funktion geht so weit, dass, wenn zwei Objekte da sind und ein drittes dazwischengestellt wird, gemeldet wird, wenn der Abstand zum linken und zum rechten Objekt gleich ist. Gemeldet wird auch, wenn Objekte eine ähnliche Grösse oder Position aufweisen, damit sie einander angeglichen werden können. Auf jeden Fall ist es wesentlich schwieriger, die Funktion zu beschreiben, als sie in der täglichen Arbeit zu verwenden.
Sie kennen die Import Gun aus CS3, mit der mehrere Objekte zeitgleich platziert werden können. In CS4 geht noch mehr: Drückt man bei geladener Gun Befehl-Shift, erstellt InDesign einen sauberen Kontaktabzug mit allen geladenen Bildern. Mit den Pfeiltasten kann die Anzahl Reihen und Spalten des Rasters beeinflusst werden.
Auch beim normalen Platziervorgang wurde Hand angelegt. Zieht man mit geladenem Cursor einen Bildrahmen auf, so hat dieser die Proportion des Bildes und das Bild wird an die Grösse des Rahmens angepasst. Durch Drücken der Shift-Taste wird das herkömmliche Verhalten temporär aktiviert.
Der Navigator wurde selten eingesetzt. Er war meistens nicht zur Stelle und hat InDesign auch ausgebremst. Mit CS4 gibt es diesen nicht mehr als Bedienfeld. Holt man das Handwerkzeug – oder drückt den Shortcut dafür – und hält die Maustaste gedrückt, wird ein Navigator sichtbar, mit dem sehr schnell durch das Dokument navigiert werden kann.
Zwar kann man auch in CS4 noch keine unterschiedlichen Seitengrössen in einem Dokument anlegen, dafür lassen sich einzelne Seiten für die Ansicht drehen. Dies verhindert bei gedrehtem Text und Tabellen eine Nackenstarre.
Es sind noch weitere kleinere Verbesserungen an der Oberfläche vorgenommen worden. So wurde aus dem Status-Bedienfeld das Button-Bedienfeld, mit dem die interaktiven Funktionen vereinfacht gesteuert werden.
Besonders Zeit sparend ist auch die Möglichkeit, beinahe überall neue Formate anzulegen. Während des Definierens von verschachtelten Formaten kann man beispielsweise direkt im Dialogfeld die benötigten Zeichenformate anlegen.
Ein Dokument, mehrere Varianten: Lehrmittel, die in der Schülerausgabe die Fragen und in der Lehrervariante auch die Antworten enthalten, eine Gerätedokumentation, die zwischen den verschiedenen Modellen leicht abweicht oder ein Katalog mit unterschiedlichen Preisen. An Beispielen mangelt es nicht. Gelöst wird solches ab jetzt mit Conditional Text. Dabei wählt man Text aus (geht auch über Suchen/Ersetzen) und weist ihm die Kondition zu. Im Bedienfeld Conditional Text kann dann die Kondition ein- und ausgeblendet werden. Was sichtbar ist, wird auch gedruckt. Diese Funktion macht auch vor komplexen Nummerierungen nicht Halt, sie werden den jeweiligen Konditionen dynamisch angepasst.
Querverweise (Cross References) ist wohl die Funktion, nach der ich in CS3 am häufigsten gefragt wurde. In CS4 hielt sie im Hyperlink-Bedienfeld Einzug. Zum Definieren von komplexen Querverweisen haben die InDesign-Entwickler extra eine XML-Notation erschaffen. Aber auch schon über die mitgelieferten Cross-Reference Formats lassen sich die häufigsten Anforderungen bequem erledigen. Sogar Querverweise aus Word werden damit übernommen.
Nur wer schon mal mit der Suchsprache GREP experimentiert hat, kann abschätzen, was mit GREP Styles auf uns zukommt! Und zwar sucht man mit GREP nach bestimmten Mustern wie Datum, E-Mail-Adresse, und dies an vorgegebenen Positionen im Text. Nun kann man GREP Styles definieren, die dynamisch nach Treffern suchen, und diesen gleich ein Zeichenformat zuweisen. In meinem Beispiel wird nach Text gesucht, der zwischen Anführungszeichen steht. Sobald während der Texteingabe das zweite Anführungszeichen gesetzt ist, wird automatisch das dem GREP Style hinterlegte Zeichenformat zugewiesen.
Nested Line Styles gehören in das gleiche Kapitel. Wie bei den verschachtelten Formaten können hier Zeichenformate im Absatz aufgerufen werden. Als Auslöser zum Aufrufen des Zeichenformats kommt hier die Anzahl Zeilen zum Einsatz.
Unter Smart Text Reflow läuft die Möglichkeit, dass InDesign bei Textüberlauf selbst neue Seiten einfügt oder, wenn weniger Text da ist, die Seite auch wieder gelöscht wird. Tönt banal, ist aber für die Automation mit XML ein lang ersehnter Wunsch. Die Funktion kann über die Voreinstellungen sehr genau konfiguriert oder auf Wunsch auch deaktiviert werden.
Vor allem für InCopy-Lösungen, die über VPN-Verbindungen (Virtual Private Network) laufen, ist es dienlich, Tabellen jetzt auch im Textmodus bearbeiten zu können.
Im Wörterbuch All Languages können Wörter aufgenommen werden, die für alle Wörterbücher Gültigkeit haben.
Schliesslich kann jetzt auch im Text definiert werden, ob die Kontur mittig oder aussen ausgerichtet werden soll.
Auch die Datenzusammenführung wurde ausgebaut. Aus dem Bedienfeld kann nun direkt eine personalisierte PDF-Datei exportiert werden, ohne vorher eine «zusammengeführte» InDesign-Datei zu erstellen. Im Weiteren werden von sich wiederholenden Elementen PDF/X-Objects erstellt. Diese Elemente kommen dann nur einmal vor und werden daraufhin referenziert.
Das Verknüpfungen-Bedienfeld stellt jetzt die platzierten Objekte mit Thumbnails dar. Das vereinfacht die Suche enorm. Zudem ist das ganze Bedienfeld frei konfigurierbar und zeigt viel mehr Informationen als bisher. Besonders gefällt mir hier die Angabe der ICC-Profile. Das geht so weit, dass, wenn ein Anwender über die Farbeinstellungen einem Objekt ein eigenes Profil zugewiesen hat, vor dem ICC-Profil im Verknüpfungen-Bedienfeld ein Pluszeichen erscheint. Die Verknüpfungen lassen sich nach Spalte sortieren. Dadurch sind auf einen Blick alle Verknüpfungen sichtbar, bei denen das ICC-Profil in InDesign geändert wurde.
Besonders elegant ist Relink to Folder …Damit können sämtliche Verknüpfungen auf einen anderen Ordner umgeleitet werden. Bequem, wenn ein Bilderordner umbenannt oder verschoben wurde. Oder wenn mit Low-Res-JPEGs gearbeitet wurde und auf die High-Res-PSDs umgestellt werden soll.
Adobe gibt an, die Architektur hinter den Verknüpfungen neu entwickelt zu haben. Dies öffne Drittherstellern Tür und Tor für neue Lösungen.
Mit CS4 kommt ein Preflight, der weder technisch noch von der Bedienung her etwas mit dem alten zu tun hat. Adobe nennt ihn Design Time Preflight. Die Daten werden während der Erstellung geprüft, und jeder Schritt des Anwenders wird überwacht. Ist gemäss dem gewählten Preflight-Profil etwas nicht in Ordnung, wechselt die Ampel im Dokumentenfenster von Grün auf Rot.
Im Preflight-Bedienfeld kann man die fehlerhaften Objekte direkt anspringen. Natürlich können eigene Prüfprofile erstellt werden. Die gebotenen Preflight-Optionen gehen extrem weit. Mit einem entsprechend aufwendig definierten Profil kann sichergestellt werden, dass InDesign-Dateien den gestellten Anforderungen der späteren Ausgabe genügen. Aus Workflowsicht macht ein solcher Preflight Sinn. Denn wie heisst es so schön: Je früher ein Fehler entdeckt wird, desto günstiger ist er. Preflight-Profile können übrigens ausgetauscht und in Dokumente eingebettet werden.
IDML (InDesign Markup Language) ist eine InDesign-Datei als XML. Im Unterschied zu INX (InDesign Interchange Format), das es schon länger gibt, ist IDML zur Verwendung für Dritthersteller und Integratoren gedacht.
Kaum vorzustellen, welche Lawine mit IDML losgetreten wird. Aus einer XML-Datei kann über eine XSL-Transformation direkt eine IDML-Datei erzeugt werden. Das ist dann eine fixfertige InDesign-Datei, die über den normalen Öffnen-Dialog aufgeht. So wird aus der Datenbank XML exportiert und direkt zu IDML transformiert. Oder InDesign-Dateien werden nach IDML exportiert. Das Übersetzungsprogramm kann sie lesen (ist ja XML). Nach der Übersetzung wird wieder IDML geschrieben, das in InDesign geöffnet werden kann. Was hier abgeht, ist weit mehr als die vermeintlich auf XML basierenden Formate der neuen Office-Versionen. Hier ist XML zum Verwenden gedacht!
Aber auch Adobe selbst macht rege Gebrauch von IDML. Das Austauschformat für InCopy ist neu IDML; die InCopy-Assignments sind es auch, aber auch die Snippets und die Einträge in InDesign-Bibliotheken.
Dass InDesign Flash-Dateien exportieren können wird, hat Adobe schon vor der Veröffentlichung von CS4 verraten. In InDesign platzierte Audio- und Videodateien werden dabei ausgelassen. Aber die ganzen Buttons und Hyperlinks und auch die neuen Seitenübergänge werden unterstützt. Dabei dürfte bei den Übergängen vor allem der Blättern-Effekt in der Praxis Gefallen finden. So lässt sich mit einem Mausklick ein im Web durchblätterbares Magazin exportieren.
Wer sein InDesign-Dokument in Adobe Flash CS4 noch weiter veredeln möchte, sollte den Weg über Adobe Flash CS4 Pro (XFL) gehen. Zu finden ist dieses Format auch im Exportdialog von InDesign CS4. InDesign-Text kann dabei für Flash erhalten bleiben. Jede InDesign-Seite wird zu einem Flash-Symbol. Jedes Symbol wird in der Flash-Zeitleiste auf einen separaten Frame auf einer eigenen Ebene platziert.
InDesign CS4 ist ein grosser Wurf! Die neuen Formate XFL (für Flash) und IDML (InDesign-Dokument als XML) bieten hervorragende Schnittstellen zum crossmedialen- und automatisierten Publishing.
Aber auch die tägliche Arbeit wird durch Funktionen wie GREP Styles, Smart Guides und Conditional Text enorm vereinfacht.
Haeme Ulrich, ulrich-media, ist Trainer und Berater für Adobe InDesign. ulrich-media ist bekannt für InDesign- und Photoshop-Wissen.