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Wie Geb�ude kommunizieren

Das Image eines Unternehmens in der Öffentlichkeit wird auch vom Aussehen des Gebäudes unterstützt. Die Corporate Identity soll also nicht nur bestimmen, wie dieses Gebäude beschriftet, sondern auch, wie es gebaut wird.

Katrin Koch Welche Aussagekraft haben Backsteinmauern, Sichtbetonfassaden, raumhohe Fenster oder mächtige Stahlkonstruktionen auf mögliche Kunden und zufällige Passanten? Sie lösen, ob bewusst oder nicht, Assoziationen aus und geben Auskunft darüber, worauf ein Unternehmen Wert legt. Der erste Eindruck, den das Gebäude vermittelt, vermag durchaus Einfluss auf künftige Geschäfte ausüben.

Dem Gebäude eine Identität geben

Die Beschriftung von Firmen, ob an der Fassade, auf dem Dach oder mit frei stehenden Pylonen, ist Kernthema der Werbetechnik. Unumgänglich ist dabei die Frage, welches Material in welcher Form zum Einsatz kommt, wie mit baulichen Gegebenheiten umgegangen wird und wie gross oder auch mal dezent der Firmenname platziert werden soll.

Etwas unbehaglich wird mir zumute bei Wolkenkratzer-ähnlichen Bauwerken, die neben dem Gebäude platziert werden und in die ganze Welt hinausschreien, dass sich hier der Obi befindet. Oder ein Autobahn-Restaurant. Ob sich die Einwohner der Gemeinde Kölliken, deren Ortsbild bereits von unvergleichlichen weissen Stahlträgern der überdachten Deponie geprägt ist, für das Mahnmal an der Autobahn interessieren?

Genauso wie auf Stelen und an Fassaden angebrachte Logos und Firmenbeschriftungen beim Betrachter Rückschlüsse auf das Unternehmen auslösen, so geschieht dies auch mit Gebäuden, ob nun gewollt oder nicht!

Marketinginstrument Architektur

Wenn eine Firma ein neues Gebäude benötigt, gibt es grundsätzlich zwei Wege, dieses umzusetzen. Werden an die neuen Räumlichkeiten bloss Erwartungen wie «Raum» und Schutz vor Wind und Wetter gestellt, entstehen austauschbare Zweckbauten, die allzu oft blass in der Landschaft stehen, solange die Fassaden nicht von Leuchtschriften überschwemmt werden.

Der interessantere Weg besteht darin, die Firmenaussage in ein dreidimensionales Gebilde zu übersetzen. Mit einem Mehraufwand, der sich durchaus in Grenzen halten lässt, kann einem Gebäude Identität eingehaucht werden, ob es sich nun um eine Filiale unter Hunderten oder einen einzelnen KMU-Betrieb handelt. Kreative Ideen können mit Licht- und Raumgestaltung, Oberflächen und entsprechender Haptik, Materialwahl, Definition von Farbe und Form fassbar werden. Dadurch entsteht eine Kommunikationsplattform.

Kein Holzbauunternehmen kann in einem kalten Stahlbau authentisch auftreten, kein Glaslieferant wird je auf seine Glasfassade verzichten können. Glaubwürdigkeit wird mit stimmigen Farben, konkretem Mauerwerk und anschliessend einem charakteristischen Schriftzug erlebbar.

Corporate Architecture findet dort statt, wo sie als Teil der Corporate Identity begriffen und als erweitertes Corporate Design realisiert wird. Ein Unternehmen, welches grossen Wert auf offene und direkte Kommunikation legt, kann dies mit einladenden Fensterfronten und hellen Gebäudefarben bildlich umsetzen. Gebäude können nicht zuletzt auch zur Vertrauens- und Imageförderung beitragen.

Parallelen zweier Disziplinen

Genauso wie sich Marketing um das Finden und Entwickeln von Ideen, deren Ausgestaltung und Umsetzung dreht, so muss auch die Architektur immer wieder neue Ideen generieren, ihnen Gestalt geben und sie in einem Produkt – in diesem Fall einem Bauwerk – materialisieren. Architektur und Firmenbeschriftung können beide als Teil des strategischen Firmenprofils betrachtet werden, als Status- und Machtsymbol, Ausdruck von gutem Geschmack, Verpackung und als Erklärung, dass die Firma am Puls der Zeit lebt.

Notwendigkeit

Setzt dies nun voraus, dass sich ein jeder, welcher eine Firma gründet oder bereits innehat, sich mit dem Aussehen der Gebäudehülle beschäftigen muss?

Lässt ein Investor auf einem beliebigen Gelände eine Halle errichten mit dem Zweck, dass sich diverse internationale Ladenketten einmieten, wird er sich kaum um einzigartige Architektur kümmern – denn die Mieter kommen und gehen. Anders bei Shopping- und Erlebnistempeln wie dem Westside in Bern, das eine andere Kundschaft fokussiert und welches als Gebäude an sich Aufmerksamkeit erhaschen will.

Marketing und Corporate Architecture erweitern den «Wortschatz» der Architektur, welche ansonsten vor allem aus möglichen Baumaterialien, Wünschen des Bauherren und lokalen Gegebenheiten besteht. Die Auseinandersetzung mit Corporate Architecture und Marketing als Architektursprache ist nicht den grossen Unternehmen vorbehalten, sondern hat auch für KMU Relevanz. Das Verständnis für marketingstrategische Bauten wächst, wenn auch bei vielen Unternehmen die Kostenoptimierung im Vordergrund steht und Architekten einen Bogen um dieses Thema machen. Dabei sollte die ganze Thematik nicht als Einmischung in architektonische Grundsätze, sondern als Aufwertung des Gebäudes und als Geständnis zu weniger Billigarchitektur verstanden werden.

Nein, die Auseinandersetzung ist nicht zwingend, genauso wenig, wie ein Discounter mit einer Zapfino werben sollte: Wer auf eine klare Kommunikation des Firmenimages Wert legt, soll dies nicht nur in entsprechend gestalteten Briefschaften zeigen. Der Einbezug von Gebäude und Firmenräumlichkeiten schafft zusätzlich Authentizität.

Ein alter Zopf

Die Thematik von Gebäuden, welche das Image eines Unternehmens widerspiegeln, ist alles andere als neu. Wer sich die Zeit nehmen kann, durch organisch gewachsene Altstädte zu schlendern, entdeckt das eine oder andere Juwel in Form von Fassadenmalereien. Industriebauten aus den Dekaden um 1900 repräsentieren ebenfalls relativ klar, für welches Gewerbe sie errichtet wurden. Gebäudehöhe, Lichteinlässe, Zufahrtstore, Mauerwerk und Stahlkonstruktionen für Lastkrane erzählen von der Zeit der Industrialisierung – auch wenn sich heute längst moderne Lofts darin befinden.

Die postmoderne Gesellschaft hat diese Verbindung von inneren Werten zum äusseren Auftreten adaptiert. Heute wird damit dem Streben nach Individualität, dem grossen Auftritt und Massenkommunikation Ausdruck verliehen. Was heute zählt, ist oft in gleichen Teilen der Marktauftritt nebst dem Marktverhalten eines Unternehmens.

Aus der Praxis

Die Umsetzung einer einheitlichen Sprache der Architektur, welche über Landesgrenzen hinaus eindeutig einem Unternehmen zugeordnet werden kann, erfordert Richtlinien. Christian Schüpbach, Inhaber des gleichnamigen Architekturbüros, welcher seit 16 Jahren für die Planung und den Bau verschiedener Nutzfahrzeugunternehmen tätig ist, meint dazu: «Ich erkenne auch im Ausland sofort, ob eine LKW-Halle von Scania, Volvo oder DAF ist.»

Beim Durchblättern des CI-Ordners von Scania fällt auf, dass zuerst die Gebäudemodule beschrieben werden: Wartungsabläufe als Teil des Firmenauftrittes, Service- und Verkaufsstation, Unfallreparatur, Büroräumlichkeiten. Zusammengebaut, können die Module bestimmte vorgegebene Grundrisse aufweisen, wodurch auch das Aussehen der Fassade definiert wird: Fenster, Tore, Materialisierung.

Das Scania-Zweckgebäude wird vor allem von LKW-Fahrern genutzt. Für diese ist nicht nur der äussere Auftritt, sondern auch die oben genannten Wartungsabläufe von grosser Bedeutung: der optische Auftritt als Wiedererkennung für die Anfahrt, identische Abläufe und modulartiger Aufbau des Gebäudes für eine effiziente Abwicklung von Wartungsarbeiten.

Schliesslich beschreibt das Identity Manual von Scania auch den Umgang mit Beschriftungen, die trotz CI-genehmer Bauweise nicht überflüssig werden: Für die Fernwirkung muss an einem übersichtlichen Teil der Fassade das Logo mit Schriftzug angebracht werden. Werden vor dem Firmensitz Fahnen gehisst, muss die Anzahl der Fahnenstangen ungerade sein. Fährt der Kunde nun näher zum Gebäude, so rückt der nach Aufmerksamkeit heischende Pylon in das Sichtfeld, kurz vor dem Ziel weisen zusätzliche kleinere Stelen den Weg, die nun auch andere Markennamen enthalten dürfen. All diese Beschriftungselemente werden von Scania als Hilfen zur uniformen Identität verstanden und sind vom Konzern her zugelassen.

Dass Firmenbauten ein Teil der Marketingstrategie sind, steht hier ausser Frage. Otl Aicher, prägender Typograf des 20. Jahrhunderts, bringt es auf den Punkt: «Man ist so, wie man sich zeigt, und man zeigt sich so, wie man ist.»

Die Aussage eines Gebäudes wird stets im Zusammenhang mit dem Innenleben betrachtet.

Ausgezeichnet

Dass ein Zusammenspiel von Marketing und Architektur allmählich Fuss fasst, zeigt auch der erstmals im Jahr 2008 verliehene «Award für Marketing und Architektur – Auszeichnung für hochwertige Corporate Architecture». Der Hauptpreis ging vor zwei Jahren an das gewöhnungsbedürftige und einzigartige «Freitag»-Gebäude in Zürich: Das Ladenlokal aus aufeinandergeschichteten Containern entspringt der Idee der Wiederverwertung. Wertvolles Gebrauchtmaterial wie Blachen und Fahrradschläuche erhalten hier ein eindrückliches zweites Leben, und der Container-Bau wurde zum Klassiker.

Bei der zweiten Austragung des Awards in diesem Jahr erkämpfte sich die 2007 gebaute Jugendherberge Scuol den Hauptpreis, einen Kategoriensieg und den Sonderpreis für grüne Technologie.

Am Beispiel der diesjährigen Siegerin zeigt sich ein Trend, der nicht nur in der Schweiz Jugendherbergen erfasst: Die Unterkünfte möchten weg vom muffigen Image. So wandeln sie sich zur einfachen, günstigen Hotelalternative.

In Scuol wurde ab 2005 ausgehend vom Marketing der Strategiewechsel forciert. Inhalt des Konzeptes sind ortsspezifische Eigenheiten: Das Charisma der alten Engadinerhäuser findet sich im Gebäude wieder, das wie ein Monolith in der Landschaft steht. Weiter wurden einheimische, unbehandelte Materialien verwendet, und der Bau wurde wie selbstverständlich im Minergie-Eco-Standard erstellt. Hier zeigt sich exemplarisch, wie Unternehmensphilosophie, der wirtschaftliche Erfolg dank eines Neubaus und das ökologische Engagement ein nachhaltiges Gesamtpaket ergeben können.

Lassen Bauherren und Planer zu, dass Marketing auch in der Architektur Ausdruck erhält, entstehen Gebäude, die einen staunen lassen und zum Stehenbleiben bewegen. Corporate Architecture ist eine interessante Möglichkeit, Unternehmenswerte nach aussen zu kehren, die Firmenphilosophie erlebbar zu machen und einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen: bei Kunden, die das Gespräch in den Räumlichkeiten der Firma sehr schätzen, weil diese einen persönlichen Charakter aufweisen. Und bei Mitarbeitern, die sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren und vielleicht ein bisschen stolz sind auf ihren Arbeitsplatz.

Die Mauern, welche Geschäftsräumlichkeiten umschliessen, sind mehr als Mittel zum Zweck. Sie können zusammen mit Homepage, Briefschaften und weiteren Kommunikationsplattformen den Auftritt einer Firma aktiv unterstützen. Wie sie dies tun, können wir bestimmen.

Sahnehäubchen Beschriftung

Ob nun das Gebäude den Unternehmergeist widerspiegelt oder doch eher «nur» Mittel zum Zweck darstellt: Die Beschriftung rundet das gesamte Erscheinungsbild ab. Schrift und Gebäude können sich optisch zu einem Gesamtbild ergänzen und so den Firmenauftritt optimal ins Dreidimensionale übersetzen. Schriften und Logos können mehr als die Funktion eines Wegweisers übernehmen: Sie können die Aussage einer Firma unterstützen und das gesamte Auftreten optisch abrunden. Um dies zu erreichen, müssen Beschriftungen immer im Kontext zur Fassade oder zur übrigen Umgebung entworfen und umgesetzt werden.

Checkliste

Folgende Punkte sind für eine erfolgreiche Corporate Architecture zu berücksichtigen:

  • Gelungene Integration der Marketing- und Firmenphilosophie sowie von Corporate Identity und Corporate Design in die Architektur.
  • Gekonnte Umsetzung des Briefings durch den Architekten.
  • Wahl der Baumaterialien als konstruktives und gestalterisches Element sowie als Träger der Marketingbotschaft.
  • Bezug zum Unternehmen und zur Marke.
  • Einzigartigkeit, Innovationsgrad und Wiedererkennungswert.
  • Einbezug der Landschafts- und Lichtarchitektur.
  • Stellenwert der Architektur in der Marketingstrategie und in der Kommunikation.
  • Marketingtransfer auf die Mitarbeiter und die Kunden.
  • Übereinstimmung der Firmenphilosophie mit der Architektur.
  • Investition in Minergie-Standards und Green Technologies.

Quelle: Urs Bratschi, KMU-Magazin Nr. 10, Dezember/Januar 2007/2008

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