Die Perspektive im Praxistest
Das Perspektivenraster in Illustrator CS5 ist eine neue Methode, um Objekte fluchtpunktgenau zu zeichnen. Das Einrichten des Rasters erfordert indes einiges an Geduld und auch das Arbeiten mit dieser an sich spannenden Funktion hat etliche Eigenheiten.
andreas burkard Für einen Kunden aus der Baubranche müssen verschiedene Darstellungen von Mauerwerken mit Innenisolationen erstellt werden. Die Darstellungen müssen in Perspektive gezeichnet werden.
Es liegt auf der Hand, diesen Auftrag im Wesentlichen mit der Perspektivenfunktion von Adobe Illustrator CS5 auszuführen.
Es ist empfehlenswert, zuerst eine Vorlage zu erstellen und diese zu überprüfen. Wird sofort mit der Perspektivenfunktion losgelegt, so sind Änderungen mühsam. Die Perspektivenfunktion ist nicht zu verwechseln mit 3D.
Eine Vorlage wird oft von Hand gezeichnet und danach gescannt. Für dieses Projekt wurde jedoch die 3D-Funktion von Illustrator verwendet.
Dazu wird ein Rechteck mit den Massen 55 (Breite) und 80 Millimeter (Höhe) erstellt. Dieses Rechteck darf nur eine Füllungsfarbe, jedoch keine Konturfarbe aufweisen. Nun wählt man im Menü Effekt > 3D > Extrudieren und abgeflachte Kante aus (siehe Abbildung 1). Die Position wurde auf Isometrisch links gestellt. Sehr praktisch ist die Eingabe der Perspektive, sodass sich die Form in der Tiefe zu einem Fluchtpunkt verengt. Hier wurde 85 Grad verwendet. Die wohl wichtigste Einstellung in diesem Fenster ist die Tiefe der Extrusion, die hier mit 250 Punkt verwendet wurde.
Möchte man nachträglich Änderungen an den Einstellungen machen, so ist der Zugang zum Befehl Extrudieren und abgeflachte Kanten nun im Bedienfeld Aussehen zu finden.
Ist die Form so weit in Ordnung, wird diese nachfolgend aus Illustrator als JPG oder als PDF exportiert beziehungsweise gespeichert.
Nun wird das eigentliche Dokument eröffnet. Im Fenster Neues Dokument wurde das Dokumentprofil Druck verwendet. Über das Dokumentprofil werden die Dokumentrastereffekt-Einstellungen mit 300 ppi errechnet. Solche Rastereffekte werden in diesem Projekt benötigt. Das Format wurde auf A4 belassen, jedoch im Querformat angelegt.
Nun wird die als JPG oder PDF vorliegende Datei platziert. Im Fenster Platzieren kann man dazu ohne Umwege die Option Vorlage auswählen, sodass automatisch eine Vorlagenebene erstellt wird. Eine Vorlagenebene wird nicht ausgedruckt, schwächt die Darstellung ab und fixiert die Ebene. Zusätzliche Ebenen erleichtern die Arbeit und schützen angelegte Objekte (siehe Abbildung 2).
Um das Perspektivenraster sichtbar zu machen, muss man auf das Werkzeug Perspektivenraster klicken (siehe Abbildung 3). Für das Ein- und Ausblenden des Rasters sollte man sich gleich zu Beginn die Kurzform CMD-Shift-I (bzw. Ctrl-Shift-I unter Windows) merken.
Das dargestellte 2-Punkt-Perspektivenraster muss man nun auf eine 3-Punkt-Perspektive umschalten. Dies wird im Menü Ansicht > Perspektivenraster > 3-Punkt-Perspektive vorgenommen. Die 3-Punkt-Perspektive ist die perspektivische Darstellung mit drei Fluchtpunkten. Hier wird im Gegensatz zur 2-Punkt-Perspektive die Verzerrung nach oben hin dargestellt. Diese perspektivische Darstellungsweise kann für Gebäudezeichnungen verwendet werden. Man kann damit beispielsweise hohe Bauwerke sehr eindrucksvoll perspektivisch darstellen.
Nun muss man das Perspektivenraster über die Vorlage legen (siehe Abbildung 4). Dazu fasst man den Horizontpunkt an (1) und legt das Raster auf den Mittelpunkt der Vorlage, da, wo die drei Flächen zusammentreffen. Um die drei Fluchtpunkte auf die drei Seiten anzupassen (2), muss man die Ansicht des Dokuments stark verkleinern. Man muss so lange an den Fluchtpunkten ziehen, bis die Vorlage angedeckt ist. Der Fluchtpunkt droht dabei leicht zum Fluchpunkt zu werden. Der Einrichtungsprozess erfordert Geduld und Übung. Leider stehen keine Schnellinformationen beim Mouse-over zur Verfügung. Über die Ausdehnung der Rasterunterteilungen muss man sich aber nicht sorgen. Diese kann problemlos über die Vorlage ragen.
Nun müssen die Rastereinstellungen noch für die weiteren Darstellungen gespeichert werden. Dazu kann man im Menü Ansicht > Perspektivenraster > Raster definieren auf Vorgabe speichern klicken (siehe Abbildung 5). Das Fenster Perspektivenraster definieren zeigt im Grunde genommen die Einstellungen an, welche man mit dem Werkzeug Perspektivenraster direkt auf der Zeichenfläche am Raster ausführt. Daneben bietet das Fenster die Möglichkeit, mit einem Skalierungsfaktor zu arbeiten. Wird beispielsweise die Skalierung 1:100 zugeschaltet, entspricht ein Zentimeter in der Zeichnung einem Meter für die massstabsgetreue Ausgabe.
Leider ist es nicht möglich, auf einer neuen Zeichenfläche ein anderes Raster zu verwenden. Ein mehrseitiges Dokument hat ein Perspektivenraster, mehr liegt nicht drin. So muss also im vorliegenden Fall jede Darstellung als neues Dokument erstellt werden. Immerhin kann die gespeicherte Rastervorgabe in einem neuen Dokument verwendet und angepasst werden. Eine Anpassung geschieht nur mit dem Werkzeug Perspektivenraster.
Um nun die drei Grundflächen in der Perspektive zu zeichnen, muss man jeweils dem Widget mitteilen, auf welcher Seite die Perspektivenfunktion wirksam sein soll. Möchte man erst die linke Seite erstellen, so klickt man mit einem der beiden Perspektivenwerkzeuge im Widget auf die linke Rasterebene. Danach wählt man das Rechteckwerkzeug aus und zeichnet mit Hilfe des Perspektivenrasters ein Rechteck. Dieses unterliegt nun der linken Perspektive und verengt sich zum linken Fluchtpunkt hin. Möchte man die Fläche in der Perspektive verschieben oder anpassen, muss man dies zwingend mit dem Werkzeug Perspektivenauswahl erledigen. Nur so wird die Perspektive des Objektes eingehalten.
Die untere Rasterebene im Widget ist die horizontale Ebene. In dieser Arbeit ist dies die obere Fläche, auf der nun als Nächstes ein Rechteck erstellt wird. Danach wird im Widget die rechte Rasterebene ausgewählt und ein Rechteck aufgezogen. Immer zu bedenken ist, dass nur das Werkzeug Perspektivenauswahl Objekte in der Perspektive verschieben und anpassen kann! Man muss sich permanent im Klaren darüber sein, welche Rasterebene und welches Rasterwerkzeug ausgewählt sind. Die drei Flächen werden letztlich mit leicht abweichenden orangen Farben gefüllt (siehe Abbildung 6).
Nun muss die Innenisolation eingezeichnet werden. Dazu wird zuerst die untere Perspektivenebene im Widget ausgewählt und danach ein Rechteck gezeichnet (siehe Abbildung 7). Die Grundfläche wird in brauner Farbe gehalten. Um nun die Fläche zu verfeinern, sollte man das Bedienfeld Aussehen verwenden.
In der «alten» Methode hätte man Flächen standrichtig übereinanderlegen und diese jeweils mit unterschiedlichen Effekten ausstatten können. Dabei sind aber Änderungsvorgänge sehr mühsam und auch das Anlegen unterschiedlicher übereinanderliegender Flächen auf neue Perspektivenseiten würde viel unnötigen Aufwand mit sich bringen. In einem Aussehen können unterschiedliche Flächen- und Kontureffekte in ein Grundobjekt eingefügt und optional als Grafikstil abgelegt werden. Diese Methode wurde vor 10 Jahren mit Illustrator CS eingeführt und stetig verbessert. Dennoch ist die Methode vielen Anwendern verborgen geblieben, obwohl sich damit unendliche Möglichkeiten eröffnen.
Als Erstes aktiviert man mit dem Werkzeug Perspektivenauswahl die neue Fläche und wählt aus den Optionen (1) des Bedienfeldes Aussehen > Neue Fläche hinzufügen aus. Dieser neuen Fläche wird nun direkt im Bedienfeld Aussehen die Farbe Orange zugewiesen (2).
Als weiterer Schritt wird jetzt der orangen Fläche ein Kritzeleffekt, welcher an eine Handzeichnung erinnert, hinzugefügt. Dies geschieht wiederum direkt im Bedienfeld Aussehen (siehe Abbildung 8) über das Effektsymbol (1). Hier wurde der Illustrator-Effekt > Stilisierungsfilter > Scribble verwendet, und die vielen Optionen wurden passend zur Perspektive eingestellt.
Um nun noch einen Schatteneffekt einzufügen, kann man im Bedienfeld Aussehen erneut eine neue Fläche erstellen und dieser als Flächenfarbe den zur Transparenz verlaufenden Schwarzübergang zuweisen (siehe Abbildung 9). Klickt man nun auf das Werkzeug Verlauf, kann man direkt auf der Fläche den Verlauf ausrichten. Dazu geht man auf den Anfangspunkt des Verlaufsreglers und achtet darauf, dass das Drehsymbol erscheint. Den Verlaufsbalken kann man danach über die Fläche dehnen und ausrichten, sodass der Schatten sich in der Tiefe des Objektes bildet.
Als Nächstes wird in den Optionen des Bedienfeldes Grafikstil das komplette Aussehen gespeichert (siehe Abbildung 10) und einer neuen Fläche auf der linken Perspektivenseite zugewiesen. Der Scribble-Effekt und der transparente Verlauf müssen dabei an die neue Perspektive angepasst werden. Um Änderungen vorzunehmen, muss man im Bedienfeld Aussehen die entsprechenden Flächen auswählen und danach den Effekt anklicken oder das Werkzeug Verlauf auswählen.
Die Maueroberflächen müssen eine Struktur aufweisen. Dazu eignen sich die Photoshop-Effekte, welche man in eine Vektorfläche einfügen kann. Als Erstes muss man mit dem Werkzeug Perspektivenauswahl die eine Fläche auswählen (siehe Abbildung 11) und über das Effektesymbol im Bedienfeld Aussehen einen passenden Photoshop-Effekt auswählen. Geeignete Photoshop-Filter befinden sich unter Vergröberungsfilter > Mezzotint oder Punktieren. Hier wurde Punktieren (1) verwendet, eine neue Fläche über das Aussehen hinzugefügt, dieser Aussehensfläche der transparente Schwarzübergang zugewiesen (3) und der Verlauf mit dem ausgewählten Werkzeug Verlauf direkt auf dem Objekt gedehnt und ausgerichtet. Nachfolgend wird das Aussehen als Grafikstil gespeichert und den anderen zwei Perspektivenflächen zugewiesen.
Bei der Arbeit mit Photoshop-Effekten stiften die Dokumentrastereinstellungen immer wieder Verwirrung. Bei einem neuen Dokument mit dem Dokumentprofil Druck sind diese automatisch mit 300 ppi angelegt. Ändert man nun im Menü Effekte die Dokumentrastereffekte auf beispielsweise Bildschirm, 72 ppi, so haben diese Photoshop-Effekte, welche ja in Pixel dargestellt sind, krasse Auswirkungen auf die Darstellung (siehe Abbildung 12).
Was nun noch fehlt, sind Linien, um das Mauerwerk darzustellen. Eine Linie muss man, wie übrigens auch Text, ausserhalb einer Perspektivenebene erstellen. Dazu wählt man im Widget zuerst die Fläche ausserhalb des Würfels aus (siehe Abbildung 13) oder drückt alternativ die Taste 4. Danach zeichnet man die Linie, wählt das Werkzeug Perspektivenauswahl aus und gleich danach die rechte Perspektivenebene (siehe Abbildung 14). Dann zieht man die Linie in die Fläche der ausgewählten Perspektivenebene und dupliziert mit der Alt-Taste die Linien. Leider funktioniert der Ausrichtenbefehl mit der Berücksichtigung der Perspektive nicht. Besonders schade ist, dass sich Linienstärken nicht im Fluchtpunkt verengen. Ändert man die Linienstärke, so bleibt die Stärke der Linie über die gesamte Strecke gleich. Man kann anstelle von Linien auch Flächen verwenden oder eine Linie in eine Konturlinie umwandeln und danach in die Perspektive ziehen (siehe Abbildungen 16 und 17). Doch mit Flächen verliert man die komfortableren Linieneinstellungen.
Richtig anfreunden kann man sich mit der 2- und der 3-Punkt-Perspektivenfunktion in Illustrator CS5 kaum. Zu vieles Umschalten von Funktionen blockiert ein flüssiges Vorwärtskommen.
Doch keine Frage, die Perspektivenfunktion stellt eine willkommene Erweiterung in Illustrator dar. Da jedoch kaum jemand täglich mit dieser Funktion arbeitet, würden Hilfen in Form von Erklärungstexten die Einrichtung des Perspektivenrasters erleichtern. Ferner sollten sich Linienstärken zwingend perspektivisch zum Fluchtpunkt verengen, das Ausrichten der Objekte sollte auch in der Perspektive fluchtpunktorientiert funktionieren. Auch erwartet man pro Zeichenfläche unterschiedliche Perspektivenraster.
Die Perspektivenfunktion ist nicht 3D. Warum eigentlich nicht?
3D – Extrudieren und abgeflachte KantePerspektivenrasterPerspektivenauswahlAndreas Burkard arbeitet in der Mediengestaltung, der Medienproduktion und der Ausbildung. Er macht seit vielen Jahren individuelle Trainings und Beratung rund um die Themen Adobe-Programme, Pre-Press und E-Publishing.