Prototypen per Knopfdruck
Zwar ist der 3D-Druck kein neues Marktsegment für die grafische Industrie, aber ein innovatives Fertigungsverfahren. Dabei ist der Workflow demjenigen im grafischen Druck sehr ähnlich. Einblick in eine Technologie mit enormem Zukunftspotenzial.
josef inauen Der 3D-Druck, in der Fachsprache Laser-Sintern genannt, ist ein additives Druck- respektive Fertigungsverfahren und die eigentliche Schlüsseltechnologie für das E-Manufacturing. Es ermöglicht die schnelle, flexible und kostengünstige Produktion von Einzelbauteilen und Kleinserien direkt ab elektronischen Daten. Das Verfahren beschleunigt die Produktentwicklung und revolutioniert die Produktionsprozesse. Ähnliche Abläufe wie im konventionellen grafischen Digitaldruck legen es nahe, das Laser-Sinter-Verfahren anhand des bekannten Workflows zu erläutern.
Diese Fertigungstechnologie wird kein neues Marktsegment für die grafische Branche. Ein Blick über den Tellerrand zeigt jedoch die Bestrebungen einer Branche – welche im Mengensegment am Produktionsstandort Schweiz nicht mehr konkurrenzfähig ist – sich in innovativen Nischenmärkten mit hoher Wertschöpfung neu zu positionieren. Vergleichbar mit dem grafischen Digitaldruck, welcher mit seinen bekannten Vorteilen künftige Aufgabenstellungen an eine gedruckte Information optimal wird abdecken können.
Im 3D-Druck werden in einer Druckmaschine, die äusserlich und auch preislich mit grafischen Digitaldruckmaschinen im gehobenen Segment durchaus vergleichbar sind, aus Kunststoff- oder Stahlpulver mittels Lasertechnologie Einzelteile oder Kleinserien mit einem additiven Verfahren aufgebaut. Als Spezialist in der grafischen Branche werden Sie nun mit Recht anmerken, dass das klassische Drucken ja auch als additives Verfahren bezeichnet werden kann. Da werden ja auch, je nach Anforderung, mehrere Farbschichten plus eine etwaige Veredlung aufgebracht. Da mögen Sie recht haben, aber ausser einigen Spezialverfahren im Siebdruck kann das noch nicht als 3D-Druck bezeichnet werden. Beim Laser-Sintern werden Teile bis zu einer Maximalgrösse von 250 × 250 × 210 Millimetern mittels Tausenden von Schichten aufgebaut.
Wie im grafischen Druck kommen die Kunden für den 3D-Druck aus unterschiedlichen Branchen mit ebenso unterschiedlichen Bedürfnissen. Der Automobilbau und dort im Speziellen der Rennsport, wo Einzelteile und Kleinstserien benötigt werden, nutzen die Vorteile dieser Technologie schon seit geraumer Zeit. Im Werkzeug- und Formenbau, vor allem in der Forschung und Entwicklung, ist das Verfahren kaum mehr wegzudenken. In der Luft- und Raumfahrt und in der Medizintechnik schlummert ein riesiges Zukunftspotenzial. Architektur, Kunstschaffende und Marketingfachleute haben die Chancen ebenfalls erkannt. Laser-Sintern erlaubt es, Modelle von Häusern und ganzen Überbauungen schnell und preisgünstig herzustellen. Kunstschaffende können ihre Inspirationen – und seien sie noch so kompliziert – im Aufbau eins zu eins umsetzen, ohne die Idee bereits durch die technische Machbarkeit begrenzen zu müssen. Jede erdenkliche Form ist machbar. Marketingfachleute können sich mit ganz neuen Produkten von der Masse abheben. Einige innovative Produkte und Märkte werden nachstehend detaillierter aufgezeigt.
Als erster kommerzieller Anbieter des Laser-Sinter-Verfahrens tritt die Firma Ecoparts AG mit den Slogans Rapid Manufacturing, Rapid Tooling und Solution Engineering auf. Der Geschäftsführer, Daniel Kündig, gewährte uns einen Einblick in sein Werken. Die Begeisterung für den 3D-Druck ist aus jeder seiner Erklärungen förmlich zu spüren. Die Feststellung, dass die meisten innovativen Menschen eine besondere Begabung haben, ihre Begeisterung auf andere Menschen zu übertragen, ist bei Daniel Kündig sicherlich zutreffend. Auf die Frage, ob er denn diesen Schritt wieder wagen würde, antwortete er mit einem Leuchten in den Augen: «ja, jederzeit wieder.» Er fügt aber seufzend an: «Die ersten Jahre waren doch recht anforderungsreich.» Obwohl bei Ecoparts ausschliesslich mit Stahlpulver gearbeitet wird und demzufolge auch Stahlteile hergestellt werden, hinterlässt der Druckraum einen extrem sauberen und aufgeräumten Eindruck. Keine Spur von mechanischer Werkstatt mit leichtem Öl-Geruch und Metallspänen.
Wie im grafischen Prozess werden die «Druckdaten» meist vom Kunden in elektronischer Form angeliefert. Selbstverständlich können 3D-Daten auch aus einer Planvorlage modelliert und bestehende Teile eingescannt werden. Es erfolgt eine Datenkontrolle und schon kann die Druckmaschine damit gefüttert werden. Für Serien oder mehrere unterschiedliche Kleinteile aus identischem Material berechnet ein Ausschiessprogramm die machbaren Nutzen pro Produktionsfläche. Die Figuren eines Schachspiels werden also nicht einzeln hergestellt, sondern können alle in einem Produktionsschritt auf der gleichen Plattform auf-gebaut werden. Das Objekt wird rechnerisch in die einzelnen Schichten von zwei Hundertstelmillimetern Dicke zerlegt. Zuerst muss Stahlpulver aufgefüllt werden und anschliessend kann der Startknopf gedrückt werden.
Der Druck erfolgt vollautomatisch in einer luftdichten Druckkammer, wegen Brandgefahr in einer Stickstoff-Atmosphäre bei einem minimalen Sauerstoffgehalt. Die Werkstücke werden auf einem Sockel aufgebaut, von welchem sie nach dem Druck wieder abgelöst werden. Mit einer Rakel wird das Stahlpulver vollflächig in einer Dicke von zwei Hundertstelmillimetern aufgebracht. Der Laserstrahl mit einer Temperatur von 1100 Grad Celsius wird danach den Konturen des Objekts entsprechend über die Pulverschicht geführt, wodurch das Pulver in feste Materie umgewandelt wird. Die Rakel bringt wieder eine Pulverschicht von 20 Mikrometern auf, und der Laser «verschweisst» die neue Schicht mit der vorherigen. So wird das Werkstück Schicht für Schicht aufgebaut. Die Genauigkeit des Lasers liegt bei den erwähnten zwei Hundertstelmillimetern bei einer Geschwindigkeit von 70 Milimetern pro Sekunde. Dies erlaubt einen zügigen Aufbau des Werkstücks. Im Vergleich mit dem konventionellen Druck fallen beim Laser-Sintern selbstredend die Farben weg. Es wird nur monochrom, das heisst, in der entsprechenden Metallfarbe gearbeitet. Da beim Laser-Sintern Material aufgebaut und nicht wie bei herkömmlichen Verfahren abgetragen wird, handelt es sich um ein wirtschaftlich wie auch ökologisch nachhaltiges «Druckverfahren». Das nicht verschweisste Stahlpulver wird gereinigt und dem Prozess erneut zugeführt. Es entsteht also kein «Abfall».
Ob nun mit Stahl- oder Kunststoffpulver gefertigt wird, es geschieht nach dem gleichen Prinzip. Beide Varianten sind allerdings nicht in einer Maschine lösbar, dafür werden zwei unterschiedliche Aggregate benötigt. Aber wer weiss, vielleicht sind in absehbarer Zeit auch Hybridmaschinen erhältlich, welche beide Technologien abdecken können.
Bereits gibt es Kunststoffdrucker für den Hausgebrauch. Dereinst wird man den «Nuggi» für den Junior, das Party-Besteck oder den Lampenschirm drucken statt kaufen. Bausätze für Fahrzeugmodelle (historische Auto- und Bahn-Typen) werden bereits in elektronischer Form angeboten.
Die gefertigten Teile löst man nach dem Drucken von ihrem Sockel. Nun können sie nach Kundenwunsch oder ihrer speziellen Anforderungen entsprechend weiter veredelt werden. Der Stahl kann maschinell bearbeitet, draht- und senkerodiert, geschweisst, mikro-gestrahlt, poliert und beschichtet werden. Objekte, welche mit einem dafür bestimmten Pulver hergestellt wurden, sind für eine zusätzliche Nachhärtung geeignet. Dies, um besonderen Anforderungen bezüglich Festigkeit und Lebensdauer gerecht zu werden. Und sollte jetzt trotzdem noch Farbe gewünscht sein, lassen sich die Teile problemlos einfärben und beschichten.
Im grafischen Umfeld wird es wahrscheinlich nicht oder nur in ganz aussergewöhnlichen Fällen vorkommen, dass ein fehlerhaftes oder unvollständiges Druckerzeugnis in der Druckmaschine repariert oder ergänzt wird. Man stelle sich vor, bei einem Buch sind einige Seiten wegen falschem Ausschiessen nicht in der richtigen Reihenfolge. Da wird in der Regel vernichtet und neu gedruckt. Nicht so beim 3D-Druck. Reparaturen an defekten Teilen wie auch das Aufsetzen von neuen Elementen auf bereits bestehende Werkstücke stellen kein Problem dar – es sind in der Regel aber auch Einzelstücke.
Der 3D-Druck schafft eine bisher nicht gekannte Freiheit und Flexibilität in der Konstruktion. Es können Geometrien umgesetzt werden, welche in der Vergangenheit teuer, langwierig oder gar unmöglich in der Herstellung waren. Innen liegende Strukturen, krumme Bohrungen, Hinterschnitte, Kühlkanäle für hoch beanspruchte Werkteile und vieles mehr. Der Musterschrank von Ecopoarts gleicht einer Wundertüte. Da liegen Dinge drin, welche einen Laien zum Staunen bringen. Von der aus einem Stück gefertigten Spezialpinzette über komplex verschachtelte Werkstücke bis hin zum Keuschheitsgürtel – ich musste schmunzeln – ist fast alles vorhanden. Und dies sind nur Teile aus Metall, da Ecoparts noch nicht mit Kunststoff arbeitet.
In Vorbereitung soll eine Website sein, auf welcher individuelle Gürtelschnallen mit personalisierten Elementen wie Initialen und dergleichen bestellt werden können. Diese sind innert Tagesfrist produziert und per Post versandt. Die Uhren- und Schmuckindustrie hat diese Technologie ebenfalls entdeckt und nutzt sie für Einzelexemplare und komplexe Prototypen. Ein wichtiger Bereich, welchem in Zukunft noch grosse Bedeutung zukommen wird, ist die Medizinaltechnik. Biomedizinische Implantate wie Knie- und Hüftgelenke, Zahnersatz usw. sind absolute Unikate und prädestiniert für diese Fertigungstechnik. Visionär aber denkbar: Im ausgewachsenen Zustand lassen Sie Ihr Skelett einscannen und können so im Bedarfsfall innert Tagen auf absolut passende «Ersatzteile» zurückgreifen. Der Formel-1-Rennstall von Peter Sauber könnte solche Maschinen an die diversen Austragungsorte der Grand Prix' mitnehmen und auf die Strecke und die jeweiligen Witterungsverhältnisse angepasste Kunststoffteile vor Ort fertigen. Dadurch müssten diese nicht in einer kostspieligen Aktion von Hinwil eingeflogen werden. Dasselbe ist natürlich auch bei Motorenteilen oder sonstigen mechanischen Elementen des Renngerätes absolut denkbar.
Die Zukunftsaussichten für diese Technologie sind hervorragend. Versuchen Sie selbst, den aufgeführten Ideen noch einige eigene hinzuzufügen. Sie werden sehen, es wird Ihnen nicht schwerfallen. An den Maschinen wird weiterentwickelt, sie werden grösser und schneller. Einer Reihe von Werkstoffen steht die neue Technologie bereits zur Verfügung, zudem wird die Materialpalette laufend erweitert. Leichtmetalle auf Titanbasis, Aluminium und Superlegierungen wie solche auf Kobolt-Chrom-Basis werden entwickelt. Diese Legierungen eignen sich insbesondere für Anwendungen in der Medizinaltechnik. In der Konstruktion wird umgedacht. Die fast unbegrenzten Möglichkeiten in dieser Technologie sind mittlerweile in den Konstruktionsbüros angelangt, und es wird aus Zeit- und Kostengründen immer mehr darauf zurückgegriffen. Dennoch ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Und da schliessen sich die Parallelen zum grafischen Digitaldruck. Gemäss Aussage von Daniel Kündig wird die neue Technologie die herkömmlichen Verfahren nicht verdrängen, sondern sinnvoll ergänzen. Die Dienste des Metalldruckers sind gefragt, er beklagt sich höchstens über zu viel Arbeit. Er geht sogar so weit, sich Mitbewerber zu wünschen.
ECOPARTS AG8630 Rüti, Daniel Kündig daniel.kuendig@ecoparts.ch
EOS GmbH – Electro Optical Systems D-82152 Kralling/Münchenwww.eos.info