Anzeigenserie mit Liquid Layout&Co.
Im Fokus vieler Neuerungen in InDesign CS 6 steht das Tablet Publishing. Eine Anforderung an Layouts für iPad- und Android-Geräte ist das flexible Anpassen der Seiten an unterschiedliche Proportionen und Auflösungen der Geräte. Bringen solche Funktionen auch den klassischen Print-Publishern Vorteile, und wie fühlen sich «liquide» Printlayouts an?
beat kipfer Wer kennt nicht folgende Situation: Eine Anzeige soll in mehreren Publikationen erscheinen. Leider sind Satzspiegel und folglich auch Inseratgrösse der einzelnen Titel leicht unterschiedlich. Der Aufwand, um jedes Inserat exakt auf die vorgegebene Grösse anzupassen, ist beachtlich. Dies insbesondere, wenn noch in mehreren Durchgängen Korrekturen anfallen und der Abgabeschluss vor der Türe steht.
Das hier gezeigte Beispiel hat ein Originalformat von A5 quer. Es soll zusätzlich im Format 200 × 150 Millimeter publiziert werden. Wir gehen davon aus, dass in Zukunft auch noch weitere Grössen verlangt werden.
Die Anzeige ist ganz normal aufgebaut mit einer Hintergrundfläche und einem grünen Textrahmen (oberer Text darin enthalten, «Logo» und untere Zeile in separatem Rahmen). Bild, Titel und Haupttext sind je in einem entsprechenden Rahmen aufgebaut. Etwas speziell ist der vektorisierte Buchstabe N, welcher exakt die Ränder oben und unten berührt und seine Proportionen bei Grössenänderungen behalten soll (1).
Bevor wir uns daranmachen, alternative Layouts dieses Inserats zu erstellen, testen und definieren wir das Verhalten der einzelnen Objekte bei Grössenänderungen. Dazu wählen wir das Seitenwerkzeug aus. Vorerst geht es um die Wahl des Liquid-Layout-Typs, welcher das beste Verhalten bei Formatänderungen verspricht (2). Der Test durch Ziehen der Anfasser des Seitenwerkzeug-Rahmens (dadurch wird die Formatänderung simuliert) zeigt uns rasch, dass die Option Objektbasiert am meisten Potenzial aufweist.
Nach diesem Entscheid prüfen wir nun ein Objekt nach dem anderen und definieren sein Verhalten im Detail. Dies geschieht zum einen durch Klicken auf die kleinen braunen Kreise (= Anker, auch Nägel genannt). Schnell finden Sie heraus, wie sich die Rahmen verhalten: Der Rahmen mit der grünen Fläche in unserem Beispiel bleibt in Höhe und Breite flexibel, sein Abstand zu den Seitenrändern darf sich bei Formatänderungen ebenfalls proportional anpassen. Dieses Verhalten wird durch die offenen Kreise symbolisiert. Zusätzlich lassen sich die Liquid-Eigenschaften im Liquid-Layout-Bedienfeld editieren und ablesen. Dieses Fenster finden Sie übrigens unter Fenster > Interaktiv (2).
Besondere Beachtung verdient der vektorisierte Buchstabe. Mit den hier gezeigten Einstellungen ist er oben und unten verankert, deshalb behält er bei einer Höhenänderung des Inserats die exakte Position. In der Höhe muss er sich – Proportionen hin oder her – nach der aktuellen Inseratgrösse richten. Allerdings verändert der Buchstabe seine Breite nicht (3). Da wir davon ausgehen, dass dieses Layout nicht in komplett anderen Proportionen verlangt wird, ist dieses Verhalten akzeptierbar.
Erstellen Sie zum Üben dieser Funktionen ein ähnliches Beispiel oder greifen Sie auf eine bereits erstellte Datei zurück. Sie werden feststellen, dass die Liquid-Layout-Regeln ziemlich rasch in den Griff zu kriegen sind. Testen Sie neben der hier gezeigten Variante auch den Modus Hilfslinienbasiert – in einfachen Fällen kommen Sie damit womöglich noch schneller zum Ziel. Testen Sie das Verhalten aller Objekte immer wieder durch Ziehen der Anfasser bei ausgewähltem Seitenwerkzeug. Etwas gewöhnungsbedürftig ist es schon, solche «beweglichen» Objekte im Layout zu haben!
Nun sind wir bereit, die Anzeige in den angeforderten Formaten zu erstellen. Anstatt das Dokument zu duplizieren und anzupassen, erstellen wir im bestehenden Dokument ein oder mehrere alternative Layouts. Dazu öffnen wir das Seiten-Bedienfeld und klicken auf den Optionenpfeil rechts vom Seitennamen (4).
Es lohnt sich, die Details im Dialogfeld zu beachten (5). Bestimmen Sie vorerst den Namen für das neue Layout und kontrollieren Sie die Quellseite. Nebst Seitenformat und Ausrichtung sind folgende Optionen entscheidend:
Die verknüpften Textrahmen werden im Verknüpfungen-Fenster genau gleich gehandhabt wie Bildverknüpfungen (6). Das Symbol gibt an, dass auf diese Weise nur der Inhalt, nicht aber die Rahmeneigenschaften verknüpft wurden. Änderungen im Ursprungslayout verlangen nach einer Aktualisierung der verknüpften Texte (6, 7 und 8).
Textformat in neue Formatgruppe kopieren: Diese Option ist immer dann sinnvoll, wenn der Text im alternativen Layout eventuell unterschiedlich formatiert werden soll (9). Für jedes alternative Layout wird eine Formatgruppe erstellt, welche eine Kopie der Absatz- und Zeichenformate des ursprünglichen Layouts enthält. Diese Stile wurden dem verknüpften Text bereits zugewiesen. So sind Textänderungen wie vorher beschrieben immer noch möglich.
Diese Optionen führen zu neuen Überlegungen für die Anwendung alternativer Layouts: Die Erstellung von Gestaltungsvarianten, Sprachversionen (andere Wörterbücher in den Absatzformaten integriert) oder eine Kombination von Print- und Tablet-Layout werden dadurch wesentlich eleganter.
Um die alternativen Layouts parallel in zwei Fenstern darzustellen, bietet die neue Schaltfläche unten rechts in den InDesign-Dokumentfenstern eine sehr praktische Möglichkeit, die Layoutansicht zu teilen (10).
Sollen einzelne Objekte und nicht die gesamten Layouts kopiert und nach Bedarf verknüpft werden, stehen dazu in InDesign CS 6 zwei neue Werkzeuge zur Verfügung: das Inhaltsaufnahme- und das Inhaltsplatzierungs-Werkzeug (11). Um Objekte mit den Übertragungswerkzeugen zu kopieren und zu verknüpfen, gehen Sie wie folgt vor:
Alternatives Vorgehen: Objekt oder Text kopieren, dann Platzieren und Verknüpfen im Menü Bearbeiten wählen (13). Dabei erscheint ebenfalls das Überträger-Fenster. Standardmässig wird das Objekt auf diese Weise nur einmal eingefügt und verschwindet dann aus dem Überträger; aber auch hierbei lassen sich die Optionen bei Bedarf anpassen.
Es hängt bestimmt von Ihrer Auftragspalette ab, ob diese neuen Funktionen von InDesign CS 6 für Sie von grossem Nutzen sind. Es lohnt sich aber sicher, diese faszinierenden Techniken in passenden Situationen zu verwenden!
Liquid Layout: Unter diesem Begriff verstehen wir ein Layout, das sich automatisch an veränderte Gegebenheiten anpasst – dieses so genannte responsive Layout (basierend auf HTML 5) passt sich zum Beispiel automatisch einer Bildschirmgrösse an.
Alternatives Layout: Alternative Layouts sind die bessere Lösung, wenn im gleichen Dokument unterschiedliche Layouts parallel erstellt und bearbeitet werden sollen. Dies ergibt interessante Perspektiven im Zusammenhang mit verknüpften Inhalten. Anwendung: oft verwendet für digitale Publikationen horizontal/vertikal, aber auch für das Print-Publishing interessant.
Seitenwerkzeug: Mit dem Seitenwerkzeug kann durch Ziehen eines beliebigen Anfassers simuliert werden, wie sich die Objekte einer Seite mit den aktuellen Liquid-Layout-Regeln bei Formatänderungen verhalten.
Inhaltsaufnahme- und Inhaltsplatzierungs-Werkzeuge: Zusammen mit dem Überträger-Fenster dienen diese Werkzeuge als «multiple Zwischenablage»: Objekte oder Inhalte können innerhalb des Dokuments, aber auch zwischen mehreren InDesign-Dokumenten kopiert und dabei nach Wunsch verknüpft werden.
Verknüpfte Inhalte: Alle Objekte und/oder deren Inhalt können innerhalb eines oder mehrerer InDesign-Dokumente verknüpft werden. Änderungen des Basisobjekts können durch Aktualisieren auf die «Tochterobjekte» übertragen werden. Beim «Platzieren und Verknüpfen» erscheint das Überträger-Fenster.
Überträger-Fenster: Dieses enthält alle mit dem Inhaltsaufnahme-Werkzeug aufgenommenen Elemente. Das Fenster bietet vielseitige Funktionen zum Übertragen dieser Rahmen oder Inhalte auf andere Seiten, in alternative Layouts oder in andere InDesign-Dokumente.
Beat Kipfer, Ausbilder FA, PubliCollege GmbH,3400 Burgdorf.Kurse und Seminare, Firmenschulungen und Supportfür Publishing und Prepress; Fachlehrer und Kursleiter an den Schulen für Gestaltung in Aarau, Bern und Zürich.