Wird Google Docs das neue Word?
Cloud Computing ist das Thema, das in der Publishing-Szene aktuell einen Spitzenplatz einnimmt. Onlinetechnologien bieten neue Ansätze, welche bisherige Workflows infrage stellen und diese durch verblüffend einfache Lösungen ersetzen können.
beat kipfer Ob Adobe Creative Cloud, Dropbox, Google Drive oder viele andere Produkte: Alles drängt in die Cloud, um hardware- und ortsunabhängig zu texten, zu gestalten und zu kommunizieren. Neben den «grossen» Lösungen kann diese Technologie auch bei kleineren Projekten vieles vereinfachen, wie das folgende Beispiel zeigt.
Gehen wir von der folgenden Situation aus: Sie verlegen eine kleinere Club- oder Vereinszeitschrift; mehrere Autoren schreiben nebenamtlich oder in der Freizeit Artikel für Ihre Publikation. Geliefert werden meist Word-Dokumente. Diese erhalten Sie in unterschiedlichen Versionen, einmal formatiert, einmal nicht, ab und zu aber auch PowerPoint- oder OpenOffice-Dokumente. Sie laden den Text in InDesign und beginnen jedes Mal von vorne mit dem Formatieren und Editieren dieser Texte. Bei Rückfragen an die Autoren sind diese gerade nicht im Büro oder zu Hause nicht erreichbar und haben folglich keinen Zugriff auf die Texte. Bei Textänderungen senden sie Ihnen jeweils das neue Dokument zu, welches wiederum platziert und formatiert werden muss.
Die Website von Google stellt mit Drive (drive.google.com) eine 5-GB-Datenablage mit integrierter Office-Software gratis zur Verfügung (1). Darin enthalten ist das Textprogramm Docs. Das Benutzer-Interface von Docs ist Microsoft Word nachempfunden, es weist aber (noch) weniger Funktionen auf. Für einfachere Textdokumente reicht der Komfort jedoch völlig aus. Dank der Einfachheit ist die Einarbeitungszeit auch für nicht professionelle Autorinnen und Autoren minimal. Wenn überhaupt notwendig, reicht eine kurze Anleitung auf einem A4-Blatt (oder online).
Die Idee dahinter: Alle mit einer Google-Software erstellten Dokumente werden über Google Drive synchronisiert und ausgetauscht.
Google Drive herunterladen und installieren (2). Auf der Website von Drive unter Registrieren ein Konto erstellen und anschliessend die hier gezeigten Einstellungen vornehmen (3 und 4). Beachten Sie die Anleitung auf der Website unter Weitere Informationen: Sehr übersichtlich wird Ihnen dort das Vorgehen erklärt. Unter dem Icon für Google Drive oben im Finder sind alle Funktionen zusammengefasst (5).
Äusserst einfach ist die Handhabung für die Autoren: Direkt aus Google Drive heraus können die Textdokumente erzeugt werden (6). Zur Formatierung und Strukturierung steht eine Reihe von Standardstilen zur Verfügung (7). Für einfachere Textdokumente reichen diese völlig aus. DieFormate können nach Bedarf angepasst und die Liste erweitert werden (8).Beim späteren Import in InDesign stellt DocsFlow eine Abgleichtabelle zur Verfügung. Damit können die Stile aus Google Docs direkt in ein InDesign-Absatzformat umgewandeltwerden.
Tabellen lassen sich ebenfalls einfügen: Die Tabellenfunktion von Google Docs (9) ist zwar noch äusserst simpel – wer aber mitverfolgt hat, wie sich die Applikation in den letzten Monaten entwickelt hat, kann sich gut vorstellen, dass es bald mehr sein wird! Bedenken Sie: Es geht vor allem um die Struktur, nicht um das Aussehen von Tabellen für die Übernahme in InDesign. Mittels Zellen- und Tabellenformaten werden diese dann in InDesign formatiert.
Wie in anderen Textverarbeitungsprogrammen können Bilder und Grafiken in Zeilen eingebunden oder an einer fixen Position platziert werden. Lassen Sie für den Google-Docs-InDesign-Workflow aber Bilder besser aus dem Spiel: Ein Verweis, an welcher Stelle das jeweilige Bild platziert werden soll, reicht völlig aus. Verlangen Sie die Bilddateien zum Einbauen in den InDesign-Artikel separat! Selbstverständlich können diese auf Google Drive verwaltet werden.
Dokumente auf Google Drive können gezielt zur Verwendung für andere Benutzer freigegeben werden. Damit ist der Datenschutz weitgehend ge-währleistet; der Zugang zur eigenen Ablage ist abgesichert (https).
Nach der Installation des Plug-ins DocsFlow stellt dieses mehrere Programmfunktionen in InDesign zur Verfügung.
Place from GoogleDocs stellt eine direkte Verbindung zu den auf dem Drive gespeicherten Dokumenten her (10). Nach dem Einloggen (11) werden die auf Google Drive vorhandenen Dokumente in einer einfachen Liste angezeigt (12). Markieren Sie die Funktion Show Import Options. Mit Link to document wird der Text nicht eingebettet, sondern nur verknüpft; auf diese Weise liegt die Verantwortung für Textänderungen voll beim Autoren, der mit Google Docs arbeitet.
Die Absatzformate für den mit DocsFlow platzierten Text werden vorgängig definiert und in einer gesonderten Formatgruppe abgelegt (13).
In den Importoptionen von DocsFlow (14) lassen sich den Formaten aus Google Docs entsprechende Absatz- oder Zeichenformate des InDesign-Dokuments zuweisen. Eine erstmalig definierte Zuordnungsliste lässt sich zur Wiederverwendung für weitere Textimporte der gleichen Art speichern.
Nach der Aktualisierung der Verknüpfung eines online korrigierten Google-Docs-Textdokuments sind die Änderungen in InDesign ersichtlich. Dies – wie immer – nur im Texteditor. Dazu wird die Änderungen-verfolgen-Funktion von InDesign aktiviert.
Soll das Dokument nicht weiter mit dem Google-Docs-Dokument ver-knüpft bleiben, wird der Link mit Rechtsklick auf den Namen im Verknüpfungen-Bedienfeld aufgehoben. Damit werden finale Korrekturen und Anpassungen unabhängig vom Quelldokument in InDesign vorgenommen.
In näherer Zukunft wird die Text-Aktualisierung bidirektional möglich sein. Ein entsprechendes Update von DocsFlow ist in Vorbereitung. Damit sollen dann Textänderungen aus InDesign in das Google-Dokument übertragen werden können. Zudem bin ich gespannt auf weitere Verbesserungen in Google Docs, das rasant weiterentwickelt wird.
Für dezentrale Redaktionen, die Zugriff auf die Publikation von irgendwoher und ohne zusätzliche Infrastruktur wünschen, bietet DocsFlow eine testenswerte Lösung für kleinere Arbeitsgruppen mit einer überschaubaren Anzahl Textlieferanten.
Kosten DocsFlow: US$ 200.– pro Lizenz (momentan sind nur Einzellizenzen erhältlich). Detaillierte Dokumentation und Download: www.emsoftware.com.
Beat Kipfer, Ausbilder FA, PubliCollege GmbH,3400 BurgdorfKurse und Seminare, Firmenschulungen und Supportfür Publishing und Prepress; Fachlehrer und Kursleiter an den Schulen für Gestaltung in Aarau, Bern und Zürich.