Vier fr knackigere Bilder
In Sachen Scharfzeichnung hat die neue Photoshop-Version CC einiges zu bieten. Highlight ist der neue Filter «Verwacklung reduzieren». Wie er funktioniert und was Photoshop CC in Sachen Schärfe noch in petto hat.
günter schuler Scharfzeichnung ist in Fotografie und Bildweiterbearbeitung ein zeitloses Thema. Was angemessene Tools für das optimale Schärfen anbelangt, ist Photoshop zwar solide ausgestattet. Mit dem Brot-und-Butter-Filter Unscharf maskieren, dem etwas differenzierter aufgebauten Modul Selektiver Scharfzeichner sowie dem Scharfzeichnungs-Feature in Camera Raw verfügt Bildbearbeiters Liebling über drei effiziente Tools. Während Unscharf maskieren vor allem beim Abarbeiten grösserer Bildmengen seine Vorteile ins Spiel bringt, kommen Selektiver Scharfzeichner und der Details-Reiter in Camera Raw vor allem denjenigen entgegen, die auf eher ambitionierte Vorgehensweisen setzen. Über diese drei Standardfunktionen hinaus kursieren in der Photoshop-Szene die unterschiedlichsten Spezial-Rezepturen. Zusätzlich wird das Terrain Scharfzeichnung auch von einigen Plug-in-Drittanbietern abgedeckt wie etwa dem bekannten Modul nik Sharpener.
Nichtsdestotrotz wird das Thema Scharfzeichnung auch in den kommenden Jahren Aktualität behalten. Hauptgrund hierfür sind die unterschiedlichen Arten von Unschärfe, die in einem Bild auftreten können. Eine besonders problematische Variante geht Photoshop CC mit einem neuen Filter an. Verwacklung reduzieren ist nicht einfach ein weiterer Scharfzeichnungsfilter. Die Analysetools, welche dieser Neuzugang für das Ermitteln einer konkreten Verwacklung zur Verfügung stellt, sind selbst für Photoshop-Verhältnisse ungewöhnlich. Flan-kiert wird Verwacklung reduzieren von drei weiteren Schärfefunktionen. Eine davon ist ein neuer Interpolationsalgorithmus für Bildskalierungen, der speziell auf die Erhaltung von Bilddetails bei Vergrösserungen angesetzt ist. Die Camera-Raw-Schärfung begleitet Photoshop-Anwender zwar schon seit vielen Jahren. In Version CC ist ein Wechsel in das Camera-Raw-Modul allerdings nicht mehr vonnöten; mit dem Camera Raw-Filter ist die Camera-Raw-Scharfzeichnung nur noch einen Filter-Menüpunkt weit weg. Wer möchte, kann sie sogar nichtdestruktiv als Smart Filter anwenden. Neuerung vier fällt zwar eher unter die Rubrik Detailverbesserungen, die neue Organisationsweise von Selektiver Scharfzeichner hilft allerdings, Schwellenängste vor diesem Filter abzubauen. Darüber hinaus haben ihm die Photoshop-Entwickler eine zusätzliche Entrauschungsfunktion spendiert.
Von der Befehlsstaffelung her präsentiert sich die neue Programmversion CC differenziert wie nie. Während Camera-Raw-Scharfzeichnung und Selektiver Scharfzeichner vor allem das Segment der anspruchsvollen Fine-Art-Fotografen bedienen, liefert Verwacklung reduzieren ein neuartiges Werkzeug für Foto-Problemfälle. Der neue Details-erhalten-Interpolationsmodus in Bildgrösse schliesslich produziert zwar nur in indirekter Form Scharfzeichnung. Allerdings setzt er an einem zentralen Schärfe-Problem an: dem kaum vermeidbaren Informationsverlust beim Skalieren von Bildern – beispielsweise auf Postergrösse.
Auch wenn die Ankündigung dieses Filters viel Hoffnungen geweckt hat: Eine Zauberfunktion, die aus schlimm verwackelten Bildern knackscharfe Fotos machen kann, ist Verwacklung reduzieren nicht. Statt des berühmten Knopfs, dessen Drücken Wunder bewirkt, offeriert der neue Filter viel Feininstrumentarium. Verwendungstechnisch las-sen sich mit Verwacklung reduzieren vor allem zwei Formen von Unschärfe angehen: klassische Verwacklungen und Fehlfokussierungen. In beiden Fäl-len tut der Filter dasselbe: zum einen Struktur und Ausmass der Unschärfe analysieren, zum anderen den Versuch unternehmen, die als unscharf erkannten Bereiche mit Details zu füllen und/oder klarer zu konturieren.
Auf den ersten Blick ist das Instrumentarium überschaubar. Den Löwenanteil des Filterpanels nimmt die Bildvorschau ein. Auf der rechten Seite finden sich drei Regler: Verwacklungsspur-Limit (zuständig für das Steuern der Überlagerung und grob mit dem bekannten Parameter Stärke vergleichbar), Glättung und Artefaktunterdrückung. Letztere sind für das Konterkarieren von Überschärfungs-Artefakten zuständig. Glättung ist dabei eher als optionaler Parameter zu betrachten. Artefaktunterdrückung hingegen sorgt dafür, überschärfte Pixel zu unterdrücken und ist von daher ein Regler, den man im Auge behalten sollte. Die Verwacklungsreduzierung im einfachen Modus gestaltet sich recht simpel. Im Detail-Fenster zeigt der Filter an, wie sich die Verwacklungsreduzierung ungefähr auswirken wird. Über die drei Regler kann man die vorgeschlagene Einstellung nachjustieren. Ist man mit dem Ergebnis zufrieden, bestätigt man mit OK; das wars.
Wer sich mit der einfachen Funktionsweise nicht zufriedengeben mag, kann den Erweitert-Button anklicken und so in den Expert-Modus wechseln. Auf den ersten Blick ändert sich nicht viel. Wichtigste Anzeige hier sind so genannte Weichzeichnerschätzungsbereiche. Hierbei handelt es sich um eine filterseitig vorgenommene Analyse der Unschärfestruktur im Bild. Die erste entnimmt der Filter standardmässig. Ausgangsbasis ist ein markierter Ausschnitt im Bild. Der zunächst in der Bildmitte positionierte Ausschnitt kann – via Anfassen am Radio-Button in der Mitte – an einen anderen Punkt verschoben werden. In dem Fall führt der Filter eine neue Berechnung des Bereichs durch. Alternativ oder ergänzend können Sie auch eigene Weichzeichnerschätzungsbereiche aufziehen. Diese werden dann im Erweitert-Bereich angezeigt. Recht praktisch ist auch das Detail-Panel. Lösen Sie es über den zweiten Button von rechts in der Fussleiste ab, können Sie es freischwebend über dem Bild positionieren – als eine Art Lupe, welche die Filterauswirkung in verschiedenen Zoom-Stufen anzeigen kann.
Haben Sie sich mit dem Filter etwas vertraut gemacht, werden Sie feststellen, dass mehrere Weichzeichnerschätzungsbereiche gleichzeitig verwendet werden können. Macht das aber Sinn? Wie meistens hängt die Antwort vom konkreten Bilddefekt ab. Generell tendiert der Filter bei mehreren Schätzungsbereichen zu einer Art Mittelung. In manchen Fällen kann die sinnvoll sein. In anderen wird das Ergebnis eher nicht zu Ihrer Zufriedenheit ausfallen. Vorschlag daher: Probieren Sie unterschiedliche Schätzbereiche, Positionen und Regler-Einstellungen aus. An Gren-zen stösst der neue Filter vor allem da, wo unterschiedliche Arten von Verwacklungen sowie unterschiedliche Bildzonen mit unterschiedlich ausgeprägter Unschärfe zusammenkommen. Letzteres ist vor allem bei Fehlfokussierungen das Problem. Vorgehensweise: Entweder versuchen Sie, mithilfe des Filters das Bild so zu verbessern, dass Sie damit leben können. Oder Sie gehen tiefer in medias res und arbeiten mit mehreren Ebenenkopien, die sie mit unterschiedlichen Einstellungen filtern. Fazit hier: Der Filter funktioniert überraschend gut. Möchte man allerdings überragende Ergebnisse, führt auch mit diesem Filter kein Weg an der manuellen Nachbearbeitung vorbei – Ebenenkopien mit unterschiedlichen Filtereinstellungen filtern, Ebenenmasken anlegen und so weiter.
Unter Digitalfoto-Profis geniesst das Camera-Raw-Modul einen immens guten Ruf. Dies gilt auch für die Camera-Raw-Scharfzeichnung. Grundsätzlich ähnelt diese zwar der in Photoshop üblichen Unscharf-maskieren-Scharfzeichnung. Anders als der Unscharf-maskieren-Filter enthält der Details-Reiter im Camera-Raw-Modul jedoch zwei Schärfungsfunktionen, die im USM-Filter nicht enthalten sind: a) die Möglichkeit, zusätzlich eine Detailschärfung durchzuführen, b) die Möglichkeit, mittels einer Flächenschutzmaske die Flächen eines Bildes von der Scharfzeichnung auszunehmen. Gefragt ist diese flächenschonende Form der Scharfzeichnung vor allem beim Nachschärfen von Porträtaufnahmen. Die Flächenschutzmaske der Camera-Raw-Scharfzeichnung ist nicht nur qualitativ besser als die Schwellenwert-Funktion in Unscharf maskieren. Sie können sich diese Maske während einer Camera-Raw-Scharfzeichnung auch anzeigen lassen. Halten Sie die Optionstaste gedrückt, während Sie den Regler Maskieren bewegen, switcht die Vorschau temporär in eine Maskenvorschau um. Inhalt: eine Anzeige, die zeigt, welche Bildbereiche aktuell maskiert sind und welche geschärft werden.
Die Option, auch Tiff- und JPEG-Bilddaten in Camera Raw zu öffnen und dort einer Scharfzeichnung zu unterziehen, bietet Photoshop zwar schon lange. Bislang war dies allerdings nur in Camera Raw selbst möglich. Photoshop CC eröffnet nunmehr die Möglichkeit, Camera-Raw-Einstellungen mittels eines Photoshop-Filters auf Bilder anzuwenden. Der im Filter-Hauptmenü abgelegte Camera Raw-Filter stellt das Gros der Camera-Raw-Einstellungen nunmehr in Filterform zur Verfügung. Anwenden können Sie dieses Modul sowohl als herkömmlichen Filter als auch in nichtdestrukti-ver Form – als Smart-Filter auf Smart-Ebenen. Als Smart-Filter angebrachte Scharfzeichnungen sind insbesondere bei der finalen Nachschärfung ein nicht unerheblicher Vorteil. Grund: Der einmal eingestellte Scharfzeichnungsradius ist grosso modo auch dann noch «richtig», wenn Sie Bild XY auf die Hälfte oder ein Viertel seiner ursprünglichen Grösse herunterskalieren. Ein Umstand, der natürlich nicht nur für die neue Camera-Raw-Scharfzeichnung gilt, sondern ebenso für andere Scharfzeichnungsfilter oder eine Schärfung mit dem Hochpass-Filter.
Da Camera Raw ein sehr umfangreiches Import-Plug-in ist, eröffnet der neue Filter auch im Hinblick auf die Bildnachbearbeitung allgemein sowie die kreative Bildgestaltung ein weites Feld. Ob Camera-Raw-Schärfung oder allgemeine CR-Bildoptimierung: In jedem Fall sollten sichergestellt wer-den, dass keine anderen Camera-Raw-Einstellungen aktiv sind, die im Bild Veränderungen bewirken. Konkret be-deutet dies: Möchten Sie eine Auto-Kontrasterhöhung oder eine andere Bildverbesserung per se ausschliessen, müssen Sie die Einstellungen im Reiter Grundeinstellungen zunächst auf die Standardwerte zurücksetzen – durch Anklicken der Voreinstellung Standard. Eine weitere Möglichkeit, hier auf Nummer sicher zu gehen, ist das Anlegen einer Camera-Raw-Vorgabe, bei der alle Grundeinstellungen-Parameter auf 0 stehen. Im Fall des Falles setzen Sie dann mit dieser anstatt Standard die Grundeinstellungen-Werte auf 0.
Der überarbeitete Bildgrösse-Dialog ist bereits ohne die neue Interpolationsmethode Details erhalten (Vergrösserung) ein Highlight von Photoshop CC. Die wesentlichen Neuerungen: a) eine Bildvorschau, die einen skalierbaren und (ähnlich wie bei Filtern verschiebbaren) Bildausschnitt anzeigt, b) die Möglichkeit, bestimmte Grössenvorgaben in Form einer Vorgabe abzuspeichern und aufzurufen. Abspeichern können Sie neue Vorgaben über den entsprechenden Befehl in der Aufklappliste hinter Einpassen. Ist eine Vorgabe angelegt, können Sie sie über dieselbe Pop-up-Liste aktivieren. Dritte Neuerung: eine Entrauschungsfunktion. Zugänglich ist diese allerdings nur dann, wenn Sie ein Bild mit der neuen Methode Details erhalten (Vergrösserung) berechnen.
Was ist der Vorteil der neuen Methode? Photoshops Bildgrösse-Dialog offeriert zwar schon seit Längerem mehr Interpolationsmethoden als nur die Klassiker Bikubisch, Bilinear und Pixelwiederholung. Ein Algorithmus, der zielstrebig Weichzeichnung bei Vergrösserungen unterdrückt, fehlte bislang allerdings. Zwar kann auch Details erhalten keine Bilddetails hinzuerfinden. Was der neue Modus real tut, ist, die unvermeidliche Weichzeichnung in Grenzen zu halten. Prädestiniert ist die neue Methode so vor allem für das Erzeugen von Postergrössen. Da Photoshop CC mit Verwacklung reduzieren einen weiteren neuen Detailrestaurier-Filter an Bord hat, kann man durchaus sagen, dass der Spielraum für Bildschärfe in der neuen Programmversion spürbar angewachsen ist. Eine mögliche Option beim Vergrössern: Bildgrösse mit Details erhalten und Verwacklung-reduzieren-Filter in Kombination anwenden. Last but not least: Die Interpolationsmethoden – nunmehr sieben an der Zahl – können im neuen Dialog auch via Shortcut aktiviert werden: Optionstaste plus 1 bis 7.
Verglichen mit den beschriebenen Neuerungen fallen die CC-News beim Selektiven Scharfzeichner bescheiden aus. Die neue Arbeitsoberfläche ist zwar zweifelsohne praktischer. Wichtigste Neuerung: Um Halo-Effekte in der Filterwirkung einzuschränken, muss man nicht mehr auf die separaten Reiter Tiefen und Lichter umswitchen, sondern kann das direkt im Hauptfeature tun. Die Option, zusätzlich Rauschartefakte zu reduzieren, ist ebenfalls ganz praktisch. Eine weitere Neuerung versteckt sich hinter dem kleinen Button mit dem Zahnrad rechts oben. Neben der Berechnungsmethode Genauer, die bereits in früheren Filterversionen vorhanden war, steht hier auch die Option Früheren Wert verwenden zur Verfügung.
Seinen Ruf, ein Filter für eher anspruchsvolle Anwender zu sein, wird der Selektive Scharfzeichner vermutlich auch ins CC-Zeitalter mit herübernehmen. Insgesamt präsentiert sich das Instrumentarium zum Verbessern der Bildschärfe in der neuen Photoshop-Version CC so gut wie schon lange nicht mehr. Gut möglich, dass sich an der Bildschärfe-Front mittelfristig Grösseres tut. Vor der Entwicklungsreife etwa stehen aktuell neue Aufnahmeverfahren, die eine weitaus grössere Kontrolle der Aufnahmeschärfe bereits am Aufnahme-Set ermöglichen. In welcher Form die neuen Techniken den normalen Fotomarkt erreichen und inwieweit sie sich auf die digitale Bildnachbearbeitung auswirken, steht aktuell noch in den Sternen. Allerdings: Langweilig wird es rund um das Thema Schärfe sicher auch zukünftig nicht werden.