Heft-Archiv >> 2015 >> Publisher 5-15 >> Imaging >> G�MIC � der Zauberkasten
Artikel als PDF

G�MIC � der Zauberkasten

Das freie Bildbearbeitungsprogramm GIMP bietet schon von Haus mehr Optionen, als die meisten Anwender jemals brauchen werden. Mit einem einzigen Plug-in lässt sich der Open-Source-Platzhirsch jedoch in ein Paradies für Kreative verwandeln.

Christoph schäfer Viele kreative Photoshop-Anwender denken mit Wehmut an die Plug-in-Sammlung «Kai’s Powertools» (KPT) des Computergrafikpioniers Kai Krause zurück, mit deren Hilfe sich Photoshop durch die Installation eines einzigen Paketes um leicht zugängliche Kreativfunktionen erweitern liess. Leider hat der letzte Eigentümer (Corel) die Software mittlerweile stillschweigend beerdigt, und ein Nachfolger ist nicht in Sicht.

Für GIMP und andere Freie Bildbearbeitungsprogramme kam das Paket von vornherein nicht in Frage, denn deren Plug-in-Schnittstellen unterscheiden sich erheblich von der Photo­shop-Schnittstelle.

Allez les Bleus!

Völlig unabhängig von GIMP oder dem Mal- und Zeichenprogramm Krita wurde eine Lösung entwickelt, die weit über die Bedürfnisse von kreativen Bildbearbeitern hinausgeht, letztendlich aber die Programmierung eines mächtigen Plug-ins ermöglichte, das KPT in den Schatten stellt. Darüber hinaus lässt sich das Plug-in scripten, sodass dem kompetenten Anwender nahezu keine Grenzen mehr gesetzt sind. Sein Name: G’MIC.

G’MIC steht für «GREYC’s Magic for Image Computing». Bei GREYC handelt es sich um ein französisches Forschungsinstitut in Caen, das unter anderem auf digitale Bildbearbeitung spezialisiert ist. G’MIC ist nur eines von mehreren der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten Projekten des Instituts.

G’MIC kann auch viel mehr, als in GIMP oder Krita sichtbar ist, denn es handelt sich im Kern um eine Bibliothek samt Kommandozeilen-Interface für alle Arten der Bildbearbeitung, und zwar nicht nur für einfache Pixelbilder, sondern auch für 3D-Grafiken oder Videos.

Installation

Wer GIMP oder Krita unter Linux verwendet, muss sich in der Regel keine Gedanken über die Installation von G’MIC machen, denn es ist meist Bestandteil beziehungsweise eine Abhängigkeit des Hauptprogramms. Für Windows und Mac OS X steht ein GIMP-Plug-in als Installer beziehungsweise ein DMG unter gmic.eu/gimp.shtml bereit. Wer nicht sicher ist, ob G’MIC seinen Anforderungen entspricht, kann das Programm mit einem Bild seiner Wahl über ein Web-Interface vorher ausprobieren (gmicol.greyc.fr).

Nach der Installation steht G’MIC in GIMP im Menüpunkt Filter als letzter Eintrag zur Verfügung. Ruft man das Plug-in anschliessend auf, so wird schnell ein kleiner Nachteil offenbar, denn die Benutzeroberfläche ist nur teilweise ins Deutsche übersetzt. Das wirkt insbesondere bei den einzelnen Filtern störend, denn nicht nur deren Namen, sondern auch die Beschreibung und sämtliche Einstellungsoptionen stehen nur in englischer Sprache bereit.

Programm im Programm

Von der unvollständigen Programmübersetzung sollte man sich jedoch nicht abschrecken lassen, denn mittels G’MIC wird GIMP noch mächtiger, als es ohnehin schon ist. Man könnte sogar sagen, G’MIC stelle ein eigenständiges Bildbearbeitungssystem innerhalb von GIMP dar, dem das Hauptprogramm lediglich als Wirt und GUI dient.

Ein Beispiel dazu findet sich in der Filterliste unter Various > Import Data. Hier erweitert G’MIC die ohnehin schon endlos lange Liste an Importfiltern in GIMP um zahlreiche weitere, darunter so manche Exoten und Videos im AVI- und MPEG-Format.

Die Eigenständigkeit G’MICs zeigt sich auch darin, dass man das Plug-in unabhängig von GIMP über das Internet aktualisieren kann. Diese Option ist deshalb sinnvoll, weil einige Filter unter Testing nach und nach stabilisiert und in eine der anderen Rubriken umgesiedelt werden.

Lernkurve

Die Bedienung eines so leistungs­fähigen Werkzeugs wie G’MIC lässt sich nicht über Nacht erlernen. Von daher sollte man sich unbedingt etwas Zeit nehmen, um sich damit vertraut zu machen.

Grundsätzlich ist es ratsam, das G’MIC-Plug-in im Vollbildmodus zu verwenden, denn das Vorschaubild ist in der Standardeinstellung etwas klein geraten. Alsdann gilt es, seine Aufmerksamkeit den vielfältigen Optionen unter Eingabe / Ausgabe zuzuwenden, und zwar insbesondere Eingabeebenen und Ausgabemodus. Ein Blick auf die Wahlmöglichkeiten lässt einen erahnen, wie mächtig das Plug-in ist, schon bevor man die erste Bearbeitungs­operation durchgeführt hat.

Nicht eben hilfreich ist die Tatsache, dass die einzelnen Filtergruppen alphabetisch sortiert sind, so dass man unter Umständen etwas länger suchen muss, um die gewünschte Operation zu finden. Mit der Zeit und mit etwas Übung wiegt dieser Nachteil jedoch immer weniger schwer.

Korrektor

Die Funktionen von G’MIC lassen sich grob in drei Gruppen einteilen: klassische Bildbearbeitungsfunktionen, Verfremdungen und sonstige. Zur ersten Gruppe gehören Farbkorrekturen, Bildverbesserung und Bildreparatur sowie Ebenensteuerung. In diesem Punkt überschneidet sich die G’MIC-Funktionalität teilweise mit den Bordmitteln von GIMP, geht aber auch deutlich darüber hinaus, indem sie etwa das Arbeiten in anderen Farbräumen wie CMYK, CIELAB oder YcbCr ermöglicht.

Künstlerpalette

Liegt ein Bild erst einmal in der gewünschten Ausgangsform vor, ermöglicht G’MIC es, dieses mit einer breiten Palette an Effekten zu verfremden. Vieles dürfte ehemaligen KPT-Anwendern bekannt vorkommen, anderes ist erst in jüngster Zeit durch neue Entwicklungen in der Bildbearbeitungstechnologie möglich geworden. Was G’MIC jedoch gegenüber KPT und den meisten aktuellen Photoshop-Plug-ins auszeichnet, sind die umfangreichen Einstellmöglichkeiten.

3D total

Zu beachten sind insbesondre die zahlreichen 3D-Operationen von G’MIC. Dabei ist es gleichgültig, ob Bildinhalte extrahiert, das gesamte Bild einer dreidimensionalen Verformung unterzogen oder ein Stereobild erzeugt werden soll: G’MIC lässt hier kaum Wünsche offen.

Filter Marke Eigenbau

Wie es sich für ein Open-Source-Projekt gehört, lässt sich G’MIC durch eine relativ leicht zu lernende Befehlssprache nahezu grenzenlos erweitern. Die Sprache ist gut dokumentiert (gmic.eu/reference.shtml), und das GIMP-Plug-in stellt ein Eingabefenster bereit. Dabei lassen sich die Ergebnisse der eigenen Programmierarbeit unmittelbar im Vorschaufenster ablesen.

Website: www.gmic.eu/

Artikel als PDF