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Adobe und Macromedia: Gemeinsam gegen Microsoft?

Adobe übernimmt Macromedia

Gemeinsam gegen Microsoft

Mit der Übernahme von Macromedia wird Adobe definitiv zum Monopolisten bei den Publishing-Werkzeugen. Dies ist aus Adobes Sicht jedoch nur ein «schöner» Nebeneffekt; primär geht es um die Eroberung neuer Märkte, wo man gegen Microsoft anzutreten hat.

MARTIN SPAAR Am 18. April haben Adobe und Macromedia ihre Fusionspläne bekanntgegeben. Bis im Herbst will Adobe den kleineren ehemaligen Mitbewerber mittels Aktientausch übernehmen (siehe Kasten). Da die Übernahme noch von den Aktio­nären beider Firmen und von den Kartellbehörden abgesegnet werden muss, geben sich die Exponenten der Firmen bezüglich des konkreten Vorgehens nach der Fusion noch sehr bedeckt. Der Zusammenschluss wird recht pauschal damit begründet, dass man gemeinsam rascher wachsen könne als einzeln. Wie und vor allem wo dieses stärkere Wachstum stattfinden soll, darüber kann man im Moment nur spekulieren; und natürlich auch darüber, wie eine künftiges gemeinsames Produkteportfolio aussehen soll.

Wenn man die Marktanteile der beiden Unternehmen im Kreativmarkt anschaut, wird rasch klar, dass in diesem Bereich kaum mehr Wachstumspotential vorhanden ist. Ausser QuarkXPress gibt es hier kein einziges relevantes Produkt mehr, das nicht zur neuen Familie gehört. Ein markantes Umsatzwachstum liesse sich hier nur realisieren, indem man die Monopolposition ausnutzt, um aus dem Kreis der bestehenden Adobe- und Macromedia-Kunden mehr Geld abzuschöpfen; keine sehr schöne Perspektive für uns Publishing-Anwender – und wohl auch nicht das primäre Ziel der Fusion. Dazu gibt unsere von Margendruck geplagte Branche wohl schlichtweg zu wenig her ...

Die Unternehmensinformatik im Visier

Vielmehr schielt Adobe schon lange auf die fetten Budgets der IT-Abteilungen im Unternehmensmarkt. Hier will man schon länger mit Serverlösungen für das PDF-basierte Dokumentenmanagement Fuss fassen. Die Tatsache, dass Acrobat Elements in einer minimalen Paketgrösse von 1000 Lizenzen auf den Markt kam, zeigt deutlich, in welchen Dimensionen Adobe hier kalkuliert. Diesen unter dem Begriff «Adobe Document LifeCycle» vermarkteten Lösungen war bisher allerdings nicht der gewünschte Erfolg beschieden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Adobe bislang der Zugang zu den IT-Abteilungen der Grossunternehmen fehlte. Die Firma Adobe mag zwar in der grafischen Industrie und den Marketingabteilungen der Unternehmen eine bekannte Grösse sein, in der Unternehmensinformatik ist sie neben Schwergewichten wie IBM, HP, Microsoft, Oracle, SAP etc. ein ziemlich unbeschriebenes Blatt – schlichtweg ein Nobody.

Adobe hätte zwar innovative und interessante Produkte anzubieten, es fehlt jedoch der Zugang zu den Kunden. Einen Ausweg aus dieser Sackgasse verspricht nun die Übernahme von Macromedia. Mit Internet-Serverlösungen und Entwicklungstools wie ColdFusion, Breeze und Flex hat sich Macromedia in der Unternehmensinformatik bestens etabliert und könnte nun perfekt als Türöffner für Adobes Lösungen agieren.

Fokus auf Rich Content

Zudem haben Adobe und Macromedia hier ein grosses gemeinsames Thema: Rich Content! Alle die Daten, die von ERP-Lösungen wie SAP in Oracle- und DB2-Datenbanken auf HP- und IBM-Server eingespeist werden, sollen dem Kunden am Schluss attraktiv aufbereitet präsentiert werden; sei es über ein Flash-Interface im Web oder eine PDF-Aufbereitung auf Papier.

Und damit sind wir wohl beim strategischen Herzstück dieser Fusion. Mit Flash und PDF finden hier die beiden dominanten Technologien für Rich Content zusammen. In einem FAQ-Dokument zur Fusion auf der Adobe-Website heisst es denn auch klipp und klar: «Adobes Mission bleibt dieselbe – Menschen und Unternehmen zu helfen, besser zu kommunizieren. Mit der Akquisition von Macromedia unterstreicht Adobe diese Mission durch das Zusammenführen der besten Autoren- und Austauschwerkzeuge und die komplementäre Funktionalität von PDF und Flash.»

Microsoft mit «Metro» direkter Gegenspieler

Dass diese Fusion gerade jetzt kommt, hängt wohl damit zusammen, dass diese Führungsrolle beim Rich Content durch Microsofts neues Betriebssystem Longhorn bedroht ist. Der Windows-XP-Nachfolger soll über ein komplett neu entwickeltes, vektorbasiertes Grafiksubsystem verfügen. Neben der Benutzeroberfläche Avalon gehört dazu auch eine ausgewachsene Seitenbeschreibungssprache im Stil von PDF (siehe Kasten rechte Seite). Dieses Projekt unter dem Codenamen «Metro» wurde anfänglich als auf Office-Anwendungen beschränkte Technologie heruntergespielt, die PDF nicht das Wasser reichen könne. Seit jedoch bekannt ist, dass Microsoft Metro vom Adobe-Erzrivalen Global Graphics entwickeln lässt, muss man das Ganze ernst nehmen – auch in der grafischen Industrie.

Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass es mit PDF und Metro bald zwei Technologien für den elektronischen Austausch von Drucksachen geben wird. Ähnlich wie im Bereich der Schriften, wo mit Postscript Type1 und Truetype zwei Technologien nebeneinander existieren. Ob hier allerdings wie bei den Schriften mit der Einigung auf Opentype die beiden Rivalen Adobe und Microsoft wieder zusammenfinden werden, ist im Moment mehr als fraglich. Speziell den Bereich des Dokumenten- und Formular-Workflows wird Microsoft nicht einfach so Adobe überlassen. Dazu sind diese Anwendungen ein strategisch zu wichtiger Teil der Unternehmensinformatik. Die mit Office XP eingeführte InfoPath-Technologie zeigte schon in der Vergangenheit deutlich, das Microsoft hier ein eigenes Revier rund um das Office-Paket abstecken will.

Umgekehrt nimmt man bei Adobe Microsoft als gefährlichsten Konkurrenten wahr, auch wenn man sich bis anhin kaum in die Quere kam. Dazu eine im San Francisco Chronicle veröffentlichte Passage aus einem Interview mit Adobe-CEO Bruce Chizen vom April diese Jahres. Chizen meint dort zum Verhältnis zu Microsoft: «Es gibt heute kaum Bereiche, in denen wir in einem harten Konkurrenzkampf stehen. Aber sie sind eine 40-Milliarden-Softwarefirma und ob sie sich nun entscheiden, direkt oder indirekt mit uns in Wettbewerb zu treten, so werden sie immer eine potentielle Gefahr für Adobe sein. (...) Ich denke, sie sind unsere grösste Bedrohung, und jeden Morgen, wenn ich aufwache, fokussiere ich Microsoft und das, was sie tun.»

Was Microsoft mit Metro konkret realisieren wird, darüber lässt sich im Moment nur spekulieren. Auf jeden Fall wird die Gates-Company durch die Kontrolle über das allgegenwärtige Windows-Betriebssystem, den Internet Explorer und das Office-Paket vielfältige Möglichkeiten an der Hand haben, Metro rasch und flächendeckend bei den Anwendern zu etablieren. Da ist es für Chizen sicher ein gutes Gefühl, mit Flash bald eine Technologie im Portfolio zu haben, die auf über 95 Prozent aller Rechner heimisch ist und die viel flexiblere Möglichkeiten für automatische Updates bietet als der Adobe Reader.

Bereinigungen im Produkteportfolio

Wenn wir vom Big Business wieder auf den Nebenschauplatz «Publishing» zurückkehren, so ist hier die zentrale Frage für die Anwender, wie es mit den einzelnen Programmen weitergehen wird. In drei Bereichen gibt es nämlich Überschneidungen im Portfolio der neuen Partner: im Bereich der Vektorgrafik mit Illustrator und Freehand, bei den Bildbearbeitungswerkzeugen mit Photoshop und Fireworks und bei den Webeditors mit GoLive und ­Dreamweaver. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, solche Überschneidungen zu lösen, zwei davon haben bei Adobe Tradition: Erstens kann man die beiden Produkte zu einem neuen verschmelzen. Zweitens kann man das überzählige Produkt abstossen, pikanterweise Mitte der neunziger Jahre so geschehen mit Freehand bei der Fusion von Aldus und Adobe. Oder drittens behält man das überzählige Produkt im Portfolio, ohne es gross weiterzuentwickeln, und lässt es damit sanft entschlafen; dieses Schicksal wiederfährt zurzeit dem Layout-Klassiker PageMaker. Wenn man die Marktanteile anschaut, sind Illustrator und Photoshop klar gesetzt, womit Freehand und Fireworks in die Kategorie «überzählig» fallen. Bei Freehand scheint die Variante «sanft entschlafen» recht wahrscheinlich, ausser die Kartellbehörden legen einen Verkauf nahe. Adobe-CEO Chizen hält Letzteres nicht für wahrscheinlich und verweist auf Corel Draw und OpenSource-Software als Alternativen.

Bei Fireworks wäre eine Verschmelzung mit Photoshop denkbar, und zwar als Modul für die Web-Bildbearbeitung. Das wäre dann das Aus für das jetzige Web-Modul ImageReady.

Schwierige Situation mit GoLive und Dreamweaver

Extrem schwierig sind die Prognosen bei Dreamweaver und GoLive. Als Bestandteil der CreativeSuite bringt es GoLive zwar auf einen beachtlichen Marktanteil, es hat aber gegenüber Dreamweaver einen deutlich schlechteren Ruf bei den Webdesignern. Gegen GoLive könnte auch sprechen, dass die Entwickler noch immer in Hamburg sitzen; die Software wurde von Adobe zugekauft und die Entwickler konnten sich das offensichtlich ausbedingen. Die Dreamweaver-Crew in San Francisco dürfte Adobe also schon rein geografisch näher liegen. Für GoLive spricht dagegen wieder, dass Adobe schon relativ viel Energie in das Produkt und speziell in die Integration in die ganze Suite investiert hat. Lassen wir uns überraschen! Es ist durchaus möglich, dass diesbezüglich auch bei Adobe noch keine fixen Pläne vorliegen und man beide Produkte weiterpflegt, um zu sehen, wie der Markt reagiert.

Gespannt sein darf man auch darauf, wie Adobe Flash und PDF verschmelzen will. Und zwar stellt sich diese Herausforderung je auf der Ebene der Dateiformate, der Autorenwerkzeuge (Acrobat) und der Erzeugungs-Tools (Distiller). Beim Dateiformat ist es denkbar, dass Adobe in einem ersten Schritt die Container-Qualitäten von PDF nutzt. So liesse sich Flash-Code in ein PDF-Dokument einbinden und für die Darstellung im Web nutzen. Den Flash Player entsprechend anzupassen, hat Adobe ja künftig in der Hand. Zu einem wahren Tausendsassa könnte Adobe den Distiller weiterentwickeln. Dieser wäre dann die Konvertierungs-Drehscheibe für die Formate Postscript, PDF, Flash und im Idealfall auch für Microsofts Metro-Format. Und dann ist es durchaus denkbar, dass man künftig nicht mehr wie heute 600 Franken hinblättern muss, um als Einzelanwender eines Distillers habhaft zu werden. Zumindest in diesem Bereich dürfte dank Metro künftig der Wettbewerb vermehrt spielen ...

 

Kasten: Das PDF à la Microsoft heisst «Metro»

(msc) Die nächste Version von Windows erscheint zwar frühestens Ende 2006, aber «Longhorn» sorgt jetzt schon für Diskussionsstoff. So hat Bill Gates Ende April in seiner Keynote an der Windows Hardware Engineering Conference (WinHEC) erklärt, wie die Druckschnittstelle von Windows Longhorn funktionieren wird. Anstelle der heutigen Druckertreiber tritt ein neues System, das die Print-Jobs geräteunabhängig verwaltet. Unter dem Codenamen «Metro» lässt Microsoft eine eigene Seitenbeschreibungssprache entwickeln: Metro basiert auf XML, unterstützt Transparenz, Farbverläufe und -profile und macht sich «Avalon» zu Nutze – die Technologie für die Darstellung der Benutzeroberfläche, die mit Vektorgrafiken arbeitet.

Wie Microsoft erläutert, wird «Metro» eine komplette Plattform zum Erstellen und Austauschen von Dokumenten sein:

  • «Metro» ist ein Dateiformat für Dokumente mit fixem Layout, das als «elektronisches Papier» von jeder Anwendung auf jeder Plattform genutzt werden kann.
  • Ein Viewer erlaubt das Anzeigen, Managen und Drucken von Dokumenten.
  • Ein «Print-to-File»-Konverter erzeugt «Metro»-Dateien aus jeder Windows-Anwendung.
  • Browser werden «Metro»-Dateien direkt (ohne Plug-in) anzeigen können.
  • Ein Digital-Rights-Management regelt den Zugriff auf Dokumente.

Als Vorteile nennt Microsoft nebst der schnelleren und akkurateren Druckausgabe auch die einfache Farbkorrektur, das Wegfallen von Konvertiervorgängen und die Integration ins Betriebssystem: Longhorn-Anwendungen werden von Haus aus «Metro»-Files produzieren und anzeigen können.

Wer schon von Adobe Acrobat gehört hat, der erlebt bei der Beschreibung von «Metro» zweifellos ein Déja-vu: Microsofts Seitenbeschreibungssprache ähnelt in vielen Aspekten Adobes PDF-Format. Kein Wunder, dass bereits eine Diskussion über die Bedeutung der neuen Technlogie entbrannt ist. Manche Kommentatoren handeln «Metro» bereits als PDF-Killer. Entsprechende Stimmen zitiert beispielsweise die Website Microsoft-watch.com oder die US-Ausgabe der «Computerworld». Cnet-News.com hingegen will keinen «Seitenbeschreibungssprachenkrieg» sehen, sondern lässt Adobe mit den Worten Stellung nehmen, «Metro» sei einfach ein längst überfälliges Update für Microsofts angejahrte Druckarchitektur.

Ganz ungerührt dürfte Adobe Microsofts Ankündigung aber nicht aufgenommen haben, zumal, so vermeldet Wikipedia, Microsoft «Metro» von einem langjährigen Rivalen Adobes entwickeln lässt: Global Graphics verkauft nicht nur die Harlequin-RIPs, sondern hat mit dem Jaws PDF Creator und Editor auch ein Konkurrenzprodukt zu Acrobat im Sortiment.

Zu diskutieren gibt auch Microsofts Versprechen, «Metro» werde ein offener und lizenzfrei verfügbarer Standard sein. «The Internet Standards Blog» weist darauf hin, dass Microsoft auch die XML-Schemas aus Office zwar als offen deklariert, Sublizenzen aber ausdrücklich untersagt. «Dies verunmöglicht jede Anwendung im Zusammenhang mit der Gnu Public License, welche diese Sublizenzierung voraussetzt.» Anders als bei PDF, wo die Open-Source-Entwicklergemeinschaft inzwischen eine Reihe von nützlichen Produkten anzubieten hat, wäre «Metro» von der Integration in freie Softwareprodukte ausdrücklich ausgenommen. Mit dieser lizenzrechtlichen Regelung bliebe einer der grössten Stärken des «Portable Document Format» unangetastet. Denn wenn «Metro» in der Welt der freien Software nicht Fuss fassen darf, dann kann kein Linux-Anwender etwas mit einem «Metro»-Dokument anfangen. PDF ist auch auf dem freien Betriebssystem ein gern verwendetes Dateiformat.

 

 

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