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Altes, lebendiges Handwerk

Gestalter Werbetechnik arbeiten meist mit modernen Geräten, die schon nach einigen Monaten überholt sind. Ab und zu blitzt aber ein Funke des alten Handwerks auf, dann, wenn Folie und Rakel mit Farbe und Kolinsky-Rotmarderhaar-Pinsel getauscht werden.

KATRIN KOCH Im Jahr 2007 zerstörte ein durch einen technischen Defekt ausgelöster Brand und der durch die Löscharbeiten entstandene Wasserschaden das Zunfthaus zur Zimmerleuten in Zürich massiv.

Innert dreier Jahren wurde das historische Gebäude wieder aufgebaut und erstrahlt heute als Prunkstück in der Altstadt von Zürich. Aufgrund vieler noch vorhandener Text- und Bildquellen konnte der Wiederaufbau sehr nah am Original geschehen.

Unser Beitrag an die 850-jährige Geschichte des «Haus zum roten Adler» bestand unter anderem aus der Rekonstruktion der Beschriftungen in Pinselmanier.

Technische Voraussetzungen

Im Voraus müssen einige Abklärungen getroffen werden, was beispielsweise den Untergrund und die entsprechende Farbe betrifft. Vom Maler erhielten wir mit Kalkfarbe gestrichenen Karton, um die Wandbeschaffenheit zu simulieren. Die aus Mineralpigmenten angerührte Farbe entwickelte zu wenig Deckkraft, auch reine Kalkfarbe eignete sich nicht für diese feine Anwendung. Die Kalkfarbe wehrte sich geradezu dagegen.

Erst mit Lascaux Sirius erreichten wir den erwünschten, leicht lasierenden Farbauftrag. Die hochkonzentrierten, geschmeidigen und relativ deckenden Farben dieser Serie trocknen matt und wasserfest aus.

Packliste

Ganz wichtig in dieser altehrwürdigen Arbeitsumgebung ist der Schutz von Boden und Wänden. Also Karton und Abdeckpapier mitnehmen. Was weiter auf der Packliste stand: Gebäudeplan, Layouts und die Zeichnungen auf Transparentpapier, 3M-Abdeckband «Gold». Dieses schwach haftende Klebeband eignet sich besonders für heikle Untergründe, wo sich beispielsweise die Deckfarbe schlecht mit dem Untergrund verbindet. Zum Vorzeichnen: Druckbleistift mit sehr harter Mine (4–5 H), Kohlepapier, Geo-Dreieck, Transparentmassstab und Wasserwaage.

Zum Malen: einige Pinsel mit Stärke 2 (bis Stärke 4 hatten wir dabei, verwendeten diese jedoch nicht), diese sollten wenn immer möglich aus Rotmarderhaar bestehen, einige leere Büchsen für die Farbe und das Wasser sowie ein Malstock. Dieser kann nach Mass selbst gebaut werden. Es empfiehlt sich einen Holzstab oder besser Metallstäbe zu verwenden, da diese auch zusammengesteckt oder -geschraubt werden können. Vorne wird eine Holzkugel befestigt und je nach Untergrund werden mehr oder weniger Lappen rundherum gebunden. Diese Bastelarbeit ergibt eine Art Handstütze und Lineal. Weiter benötigt werden Letrasetklingen, welche sich aufgrund der gerundeten Klingen besonders für Retuschierarbeiten eignen.

Farbauftrag und Pinselwahl

Vor Ort stellte ich bereits beim Aufzeichnen der geraden Linien fest, dass nicht nur Farbkonsistenz und Untergrund Einfluss auf den Farbauftrag nehmen, sondern auch die Art des Pinsels. Mein Lascaux-Pinsel Stärke 2, der aus einem neuartigen Interlon-Fasergemisch besteht, war aufgrund der Haarspannung eigentlich die erste Wahl. Diese Fasern verleihen dem Pinsel eine gute Sprungkraft, eine ausgezeichnete Formbeständigkeit und ein hohe Abriebfestigkeit. Der speziell für die Acrylmalerei entwickelte Pinsel zeichnet sich durch eine sehr gute Farbaufnahme und -abgabe aus.

Doch der Farbauftrag war schwächer, weil die Kunsthaare noch immer weniger Farbe aufnehmen können als Naturhaare. Mit dem Pinsel aus Kolinsky-Rotmarder­haar liess sich sehr exakt malen. Die Auf- und Abstriche konnten gut ausgefüllt werden, sodass eine relativ homogene, leicht lasierte Fläche entstand.

Bei solch einer Arbeit ist eine gleichbleibend ruhige Hand gefragt. Wir haben festgestellt, dass nach zwei bis drei Stunden Arbeiten am Stück unsere Hände zu Zittern begannen – und das kleinste Zittern ist meist schon zu viel. Es lohnt sich, die Arbeit regelmässig zu unterbrechen und die Finger zu bewegen und zu dehnen. Ansonsten kommt schnell der Zeitpunkt, da mehr retuschiert als gemalt wird.

Schriften malen

Beim Malen der Schriften empfand ich grossen Respekt für die alte Generation der Schriftenmaler, die noch ohne jegliche elektronische Hilfsmittel arbeiteten. Diese Konzentration, diese Nervensache! Manchmal vergass ich das Atmen. Bis jede Serife perfekt sitzt und die Geraden auf den teils nicht sehr glatten Wänden auf einer Linie zu liegen kommen, ist sehr viel Geduld gefragt.

Durch die Vorgehensweise können dabei einige Schritte rationalisiert werden: Zuerst alle Waagrechten inklusive der Serifenbreiten mit Hilfe des Malstocks ziehen (ich verwende einen Malstock, der nur eine kleine Kugel aufgesetzt hat und etwa 15 mm Wandabstand bietet). So kann sichergestellt werden, dass die Schrift am Ende ruhig an der Wand steht. Dann die Senkrechten und Diagonalen ebenfalls mit Hilfe des Malstocks ziehen und die Serifenabschlüsse mit einbeziehen.

Als Nächstes werden die Rundungen möglichst regelmässig gezogen. Bei grösseren Radien empfiehlt es sich, den Pinsel mit etwas Druck in die Kurve zu ziehen, sodass die Haarspitzen an der gewünschten Kurvenaussenseite entlangzeichnen.

Nun werden die einzelnen Buchstaben regelmässig gefüllt, wobei man mit einem Naturhaarpinsel ein ebenmässigeres Resultat erreicht.

Korrigieren? Wo über die Abschlüsse hinaus gezeichnet wurde, Schlangenlinien statt Geraden entstanden oder die Serifen an die stark eingebuchteten Füsschen und Rundungen der Schrift «Stempel Schneidler» erinnern, kann mit einer gerundeten Klinge etwas Kalk weggekratzt werden, sofern der Maler nicht in der Nähe ist.

Fazit

Schriftenmalen ist eine sehr schöne, feine und dennoch anstrengende Arbeit: den ganzen Tag mehr oder weniger an Ort und Stelle stehen, die Hände ruhig halten, sich konzentrieren und die Geräusche der Baustelle ausblenden. Gerne werde ich mich wieder dem Schriftenmalen widmen.

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