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Die Berufsfachschule aus der Sicht der Lernenden

In den Köpfen der Bildungsverantwortlichen existiert ein facetten­reiches Idealbild des lernenden Polygrafen. Wir wollten von Lernenden im Kanton Bern wissen, wie es um ihre Ausbildung bestellt ist. Ein Lehrling im 4. Bildungsjahr fasst zusammen.

Christian Heimann Um die Sammlung von Stimmen betreffend Polygrafen-Grundbildung zu ergänzen, kommt hier die Sicht der Lernenden zutage. Ich möchte darauf hinweisen, dass alle Erfahrungen und Erkenntnisse, die in diesem Artikel erwähnt sind, aus dem Kanton Bern stammen und nicht einfach eins zu eins auf andere Kantone übertragen werden können.

Im Fokus liegt hier die Berufsfachschule, die betriebsübergreifend berufliche Grundlagen liefert. Auf Probleme in den Betrieben, die sehr individuell sind, soll hier nicht eingegangen werden.

Eines vorneweg: Die perfekte Ausbildung existiert nicht. Sie kann ja gar nicht. Wir alle haben eine andere Umgebung, andere Möglichkeiten, andere Vorlieben und andere Stärken. Die Begabungen liegen über ein breites Spektrum verteilt, die Aufnahmefähigkeiten sind sehr unterschiedlich.

Dementsprechend gross ist der Spagat, den die Schule machen muss, gerade in einer Ausbildung, die so vielfältig ist wie jene des Polygrafen. Damit alles rundläuft, müssen viele Rädchen im Getriebe ineinandergreifen. Um an möglichst viele verschiedenen Stimmen zu kommen, habe ich bei den lernenden Polygrafinnen und Polygrafen der Lehrjahre eins bis vier, welche die Schule für Gestaltung in Bern besuchen, eine Umfrage durchgeführt, die sie aus dem Busch locken sollte. Ein erstes Fazit: Gejammert wird bei der Polygrafen-Grundbildung wirklich auf hohem Niveau. Die Lernenden sind grundsätzlich zufrieden, zwei Drittel der Befragten finden, dass die Ausbildung insgesamt auf einem guten Stand ist.

Start in die Lehre

Aufmerksam auf den Beruf «Polygraf» wurden die meisten Lernenden durch Bekannte, Familie oder über das BIZ. Das Bild, welches sie vor der Lehre vom Beruf hatten, stimmt in der Regel gut mit dem echten «Polygrafsein» überein. Nur in ganz wenigen Fällen würden sich Lernende im Nachhinein anders entscheiden. In einer Vorstellung haben sich aber fast alle getäuscht: Man könne mehr gestalten, öfter kreativ sein. Polygraf ist letztlich ein technischer Beruf. An ihm ist es, dass am Ende die Druckplatte fehlerfrei und problemlos herauskommt – gute Gestaltung hin oder her. Woher dieses merklich verzerrte Bild eines kreativen Polygrafen kommt, ist nicht klar auszumachen, aber in vielen Köpfen ist es da. Durch die Trennung der beiden Fachrichtungen Gestaltung und Produktion kann dem nicht ganz abgeholfen werden. Für die Lernenden besteht aber die Möglichkeit, ihren späteren Arbeitsbereich besser einzuschätzen.

Einige sind davon enttäuscht, dass sie im Berufsalltag viel zu oft mit monotonem Datenhandling, PDF-Schreiben und nur zu selten mit offenen Daten zu tun haben. Die Ursache liegt meistens in der Ausrichtung des Lehrbetriebs, die Leitplanken der Ausbildung können da nur wenig ausrichten.

Aktualität im Schulstoff

«Wir sind leider durch den Bildungsplan eingeschränkt in der Wahl der zu unterrichtenden Themen.» Mit dieser Antwort muss man sich leider zufriedengeben, wenn man direkt in der Schule auf «nicht aktuellen» Schulstoff aufmerksam macht. Um die Aufmerksamkeit der Lernenden in den Schulstunden zu halten und die Glaubwürdigkeit des zu vermittelnden Stoffes zu bewahren, ist es aber unbedingt nötig, den Schulstoff stets à jour zu halten. Dass dies nicht immer der Fall war, zeigen zwei kleine Müsterchen aus meiner Lehrzeit.

Das Paradebeispiel Tabellensatz. Mit InDesign und QuarkXPress ist das Erstellen von Tabellen heutzutage ein Kinderspiel. Dass einige Grundlagen bezüglich Stand und Anwendungsbereiche vermittelt werden, geht in Ordnung. Aber dass wir unnötigerweise Tabellen auf Millimeterpapier skizzieren mussten, ist mir heute noch unbegreiflich. In diesem Zusammenhang wurde uns auch gelehrt, dass, sollte eine Tabelle einmal in der Höhe nicht ganz auf den Satzspiegel aufgehen, man die oberste Zeile nach der «Halslinie» etwas vergrössern könne – eine Anweisung, die noch aus dem Bleisatz stammt und heute in keinster Weise mehr Anwendung findet.

Zum Abschluss, wir waren im letzten Semester unserer Lehre, durften wir noch die Thematik der Datenfernübertragung (DFÜ) durchnehmen. Die meisten warteten bereits ungeduldig darauf, mit den Repetitionen zu beginnen. Doch DFÜ schien wichtige Inhalte bereitzuhalten. Leider kam es anders: Statt die Funktionsweise eines FTP-Ser-vers aufzuzeigen, wurde erklärt, dass ein elektronisches Postfach «Mailbox»heisst, anstatt von ADSL/VDSL undBreitband wurde lieber vom 56-K-Mo­dem geschwärmt. Aktualität ahoi!

Um solche Anekdoten zu vermeiden, ist von allen Lehrpersonen Aktivität gefordert. Einige legen sich richtig ins Zeug, was von den Lernenden wahrgenommen wird – diesen Lehrkräften ist zu danken. Wiederum andere sollten einmal über die Bücher – und zwar bitte über die neusten.

Damit der Lernstoff aktuell gehalten werden kann, wurde die neue Bildungsverordnung 2007 offen formuliert. So ist Spielraum da, neue Themen einzubringen, ohne gleich die ganze Bildungsverordnung über Bord werfen zu müssen. Unsere diesjährige Lehrabschlussprüfung hat zudem klar gezeigt, wie praxisnah und aktualitätsbezogen die Experten hinter den Kulissen arbeiten. Auch konnten die oben erwähnten «alten Zöpfe» bei meinen Nachfolgern grösstenteils abgeschnitten werden, endlich. Aber aufgepasst, irgendwann sind die heute «frischen Zöpfe» auch wieder alt.

Lernstoffquelle Internet

Das Berufsbild des Polygrafen befindet sich auf einem Zug, der mit extremer Geschwindigkeit in Richtung Zukunft fährt. Gut, gibt es da das Internet, es scheint stets auf dem neusten Stand zu sein. Leider kommt es vor, dass bei gewissen Themen alles auf die Karte «Internet» gesetzt wird. So müssen sich die Lernenden anhand einer Fragestellung durch zum Teil schwierige Themen kämpfen und bekommen als einzige Stoffquelle das Internet vorgeschlagen. Dabei sind Informationsquellen, auf die sich die Lernenden zu 100% verlassen können, enorm wichtig. Das Internet bietet diese Voraussetzung sicher nicht.

Praxisbezug

Beim Thema «Praxisbezug» ist einer der grössten Streitpunkte wohl die Avor, nicht erst seit heute. Die Meinung, dass die Avor, wie sie bei den Polygrafen gelehrt wird, auf ein Minimum reduziert werden sollte, zieht sich durch alle vier Lehrjahre. Wenn die Lehrperson dann noch selbst zu den Lernenden sagt: «Das macht heutzutage keiner mehr», ist es um das Interesse der Lernenden sowieso geschehen. Wie das Sorgenkind Avor zum Guten entwickelt werden kann, bleibt mir ein Rätsel. Ein überzeugenderes Argument als «in praktisch allen Betrieben fehlt die Zeit für eine sorgfältige Avor, zumindest für Polygrafen» gibt es ja kaum.

Des Weiteren fehlt den Fächern «Kalligrafie» und «Freihandzeichnen» jeglicher Praxisbezug. Mögen jetzt alle sagen, für die Fachrichtung «Gestalten» sei das «Freihandzeichnen» unabdingbar. Interessanterweise äusserten sich gerade die Gestalter klar, dass das Freihandzeichnen weder dem Betrieb noch ihnen selbst irgendetwas bringen würde. Bei solchen praxisfernen Unterrichtsfächern muss wirklich die Frage erlaubt sein: Sind das nur Füllerfächer, die das GVK-Jahr vollkriegen sollen?

GVK-Jahr

Da kommt man Ende neunte Klasse aus der Schule, hat eine Lehrstelle und möchte endlich arbeiten gehen. Bei den Polygrafen wird dieser Drang, in der Arbeitswelt endlich loszulegen, durch das GVK-Jahr gebremst. Dass sich die meisten Betriebe für das GVK-Jahr aussprechen (gem. Publisher 2/2009), ist verständlich. Die Schule ist für Betriebe eine praktische und «günstige» Möglichkeit, den Lernenden die Grundlagen im Bereich Programm-/Softwareschulung, Bildbearbeitung und Typografie zu vermitteln. In diesen drei Bereichen sind sich die Lernenden auch einig: Zu diesen Themen nehmen sie durch die Berufsfachschule am meisten Wissen mit in den Betrieb, welches sie wirklich anwenden können. Doch braucht es dafür ein ganzes Jahr? Könnte das GVK-Jahr nicht halbiert oder in Blöcke aufgeteilt werden? Diese salopp formulierten Fragen sollen einzig die derzeitig absolute Stellung des GVK-Jahres etwas in Frage stellen.

Dass es ein nicht allzu schlechtes Modell sein kann, zeigt sich daran, dass vier Fünftel der Lernenden das GVK-Jahr als gut oder sogar sehr gut empfinden. Jedoch fanden die meisten Lernenden im ersten Lehrjahr, dass sie sich zwar auf die Berufswelt freuen, sich aber noch etwas unsicher fühlen. Viele haben angegeben, im ersten Lehrjahr lieber in die Schule zu gehen, weil sie noch nicht genug könnten, um richtig zu arbeiten. Dies kommt daher, dass Lernende im ersten Lehrjahr in der kurzen Zeit, welche sie im Betrieb verbringen, zu grossen Teilen nur Füllerarbeiten und Übungen zu machen bekommen. Auch kommt es sogar vor, dass sie tagelang in die Ausrüsterei «verbannt» werden. Diese eingeschüchterte Antwort ist daher nur eine logische Folge.

Eine Lernende schlug mir vor, man könnte doch im ersten Lehrjahr mindestens pro Woche einen Tag im Betrieb verbringen, so hätte man wenigstens einen Bezug zum Betrieb. Genau dieser Punkt war in der Umfrage die meistgenannte negative Aussage bezüglich GVK.

Französisch und Englisch

Die Fächer Französisch und Englisch werden nur im ersten Lehrjahr unterrichtet. An und für sich ist Sprachenlernen immer etwas Sinnvolles. Aber in der Polygrafen-Grundbildung direkt hat es eigentlich seinen Platz nicht verdient. Es stellt weder ein Prüfungsfach noch eine von Betrieben unbedingt benötigte Materie dar. Die Sprachfachstunden liegen schon seit meinem ersten Lehrjahr auf Randzeiten, und durch die in unterschiedlichen Niveaus geführten Klassen fallen für die meisten Lernenden ungünstige Wartezeiten an.

Aufgrund der Dauer von einem Jahr bleibt auch die Wirkung der Fächer Französisch und Englisch sehr gering. Gemäss Selbsteinschätzung wird nur gerade jeder zehnte Lernende Ende des vierten Lehrjahres noch viel des Gelernten präsent haben, bei den restlichen neunzig Prozent reicht es dann vielleicht noch für die Kommunikation im Urlaub. In Anbetracht dessen, dass in unmittelbarer Nähe der SfGB-B Bern von gibb und anderen Schulen Gratissprachkurse angeboten werden, die erst noch klare Ziele wie «First» oder «Delf» definiert haben, gehören die Fremdsprachen aus dem Programm der Polygrafen-Grundbildung genommen – und die Lernenden einen Tag in den Betrieb geschickt!

Wo die Nachfolger profitieren

Weitere Verbesserungen gab es in den letzten Jahren darin zu verzeichnen, dass bei den Lernenden des ersten und zweiten Lehrjahres in der Berufsfachschule die offenen Daten endlich kontrolliert werden. In meiner Lehrzeit war das ein einziges Mal der Fall, dabei ist gerade wichtig, dass Polygrafen saubere Dateien aufbauen können, die letztlich auch über längere Zeit problemlos anwendbar sind.

Auch war es erfreulich, zu lesen, dass das Thema «Stilkunde» in der Produktionsrichtung ganz abgeschafft, und in der Gestalterrichtung reduziert wurde. Ein Thema, das die Hälfte unseres vierten Lehrjahres in Anspruch genommen hat.

Überladene Fächer?

Man hört oft, die Polygrafen-Grundbildung sei deutlich überladen. Dem ist, nach Meinung der Lernenden, nicht so. Aber es ist genug Stoff im schulischen Lehrplan. Die Mehrheit der Lernenden bevorzugt fundierte Kenntnisse des Berufes, denn die Spezialisierung soll erst nach der Lehre stattfinden. Ein gewisses Spektrum muss bei einem so breit gefächerten Beruf aber unbedingt in der Grundbildung mitgegeben werden. Klar herauskristallisiert hat sich, dass im Fach Informatik die Menge der Informationen und Themen den Rahmen sprengt. Es werde zu viel Stoff auf einmal zu vermitteln versucht, am Ende hätten die Lernenden gar nichts davon. Bei zum Teil doch eher trockener Materie ist dies nachvollziehbar. Dies ist schade, weil die Materie der Informatik meistens nur so lange trocken bleibt, bis man sie in der Praxis anwenden kann – doch dazu kommt es im Moment nur selten.

Der verstärkt in den Schullehrplan eingebrachte Bereich Multimedia soll das Wissen zum Erstellen von Multimediaproduktionen und Internetsites vermitteln. Web-Programmierer werden die Polygrafen dadurch nicht. Auch werden in den Betrieben die wenigsten Lernenden mit multimedialen Produkten in Berührung kommen. Aber ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen schadet bestimmt niemandem, auch wenn diese Thematiken nur oberflächlich behandelt werden können, unter anderem, weil zum Teil nicht genug geschulte Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Allgemein wurde in der Umfrage oft erwähnt, dass vor allem im ersten Lehrjahr während des GVK schon viel Stoff aufs Mal komme. So wie es den Anschein macht, ist die Grundbildung der Polygrafen in Bezug auf die Menge des Schulstoffes gerade auf der Kippe zwischen viel und zu viel. Es bleibt zu hoffen, dass auch wenn viele am Schulstoffplan mitdiskutieren, das Gewicht nicht auf die falsche Seite fällt.

LAP 2009

Die Lernenden, welche jetzt im Sommer fertig werden, wurden sowohl in der Berufsfachschule wie auch durch die überbetrieblichen Kurse gut auf die Lehrabschlussprüfungen vorbereitet. Die Aufgaben waren etwa bekannt, der theoretische Stoff hatte Realitätsbezug und die klaren Indikatoren der praktischen Prüfung liessen eine faire und klare Beurteilung zu.

Gefühlsmässig sind die Probanden nach eigenen Angaben in der Typografie ziemlich sattelfest, im Bildbereich ist noch einiges nicht ganz klar.

Bildbereich

Heute ist es schwer, einen «echten» Lithografen zu finden. Sie sind buchstäblich am Aussterben. Viele Betriebe sind textlastig, oft kommt die Bildbearbeitungsausbildung in den Betrieben zu kurz. Dass in der Schule das Thema Bildbearbeitung praxisnah angegangen wird, ist also unbedingt nötig. Die Schulung im ersten Lehrjahr ist unabdingbar, jedoch wäre es für viele eine Erleichterung (auch hinsichtlich LAP), wenn zwischendurch in der Schule wieder einmal das eine oder andere Thema der Bildbearbeitung angesprochen und vor allem ausprobiert würde.

Überbetriebliche Kurse

Als eminent wichtiger Teil der Ausbildung zeigen sich gerade im Bildbereich die überbetrieblichen Kurse. 80 Prozent der Lernenden sind sicher, das in überbetrieblichen Kursen gelernte Wissen im Betrieb auch anwenden zu können. Die ersten zwei ÜKs sind zur Programmschulung (in den neusten Versionen von InDesign und Photoshop) unheimlich wertvoll. Anschliessend bilden «Grafik», «Farbbildbearbeitung», «Digitalfotografie» und «Datenmehrfachnutzung» weitere Inhalte von überbetrieblichen Kursen. In allen Kursen steht die Praxis ganz klar im Vordergrund, was sich auf jeden Fall auszahlt.

Motivation

Wenn die persönliche Motivation der Lernenden zum Erlernen des Berufes fehlt, dann taugt auch der beste Ausbildungsplan nichts. Doch aktueller Stoff und möglichst klarer Praxisbezug helfen auf jeden Fall mit, die vorhandene Motivation der Lernenden aufrechtzuerhalten. Die Lernenden bekommen dadurch zu Recht das Gefühl, einen zukunftsträchtigen Beruf zu erlernen.

Die viele Theorie im ersten Lehrjahr und der mangelnde Bezug zum Betrieb haben schon in mehreren Fällen zu einem Motivationszusammenbruch geführt. Denn wer mit der Haltung «ich will endlich arbeiten» in die Berufslehre als Polygraf einsteigt, wird erst einmal arg enttäuscht. Doch wer von Beginn weg das Licht am Ende des Tunnels mit den fast allen Lernenden bekannten zu erreichenden Zielen sieht, wird die Lehre auch durchziehen können. Zudem finden seit der BiVo 2007 im ersten Lehrjahr am Mittwochnachmittag Freifachkurse statt, die grossen Anklang finden und starke Praxisnähe aufweisen.

Das Ziel der Erschaffung der perfekten Berufsausbildung für Polygrafen scheint manchmal in greifbarer Nähe. Erreicht wird es wahrscheinlich nie. Ich, nach abgeschlossener Polygrafen-Grundbildung, darf aber sagen, dass ich eine gute Ausbildung erfahren durfte. Um sie in Zukunft noch besser zu machen, sollten die Beteiligten auf jeden Fall alle am gleichen Strick ziehen – und vor allem in die gleiche Richtung: für die optimale Polygrafen-Grundausbildung.

Berufsmaturitätsschule

Der Besuch der Berufsmaturitätsschule parallel zur Berufslehre stellt für die Lernenden und den Betrieb eine nicht zu unterschätzende zeitliche Belastung dar. Die Verteilung der Schultage in der gestalterischen und gewerblichen Berufsmaturitätsrichtung ist seit drei Jahren so, dass im zweiten Lehrjahr ein Tag Unterricht, im dritten Lehrjahr zwei Tage und im vierten Lehrjahr wieder ein Tag an der BMS stattfindet.

Ein Tag zusätzlich zum halben Tag Berufsfachschule (da nur Berufskundefächer besucht werden müssen, Allgemeinbildung aber wegfällt) ist für Lernende und Betrieb tragbar. Im dritten Lehrjahr aber bedeuten die zwei Tage BMS, dass der Lehrling maximal zweieinhalb Tage pro Woche im Betrieb arbeiten kann. Je nach Distanz zwischen Betrieb und Schule werden es sogar drei Tage, die für Schulbesuche pro Woche benötigt werden. Dies ist einfach zu viel. Um die Situation für Lernende und Betriebe zu verbessern, wird darauf hingewirkt, dass die gestalte­rische Berufsmaturität wieder über vier Jahre läuft.

Die Arbeitskraft, die einem Betrieb dadurch verloren geht, ist das eine, die Folgen für den Lehrling hingegen das andere. Kurze Anwesenheits­zeiten im Betrieb bedeuten, dass den Lehrlingen keine grossen Arbeiten, die über einen grösseren Zeitraum betreut werden müssen, zur Ausführung gegeben werden können. Gerade im dritten Lehrjahr, wo die angehenden Polygrafen endlich im Stande sein sollten, grosse, heraus­fordernde Projekte zu erledigen, sind sie kaum im Betrieb.

 

Gestalterische Berufsmaturität in Bern

Aus eigener Erfahrung ist zu sagen, dass die gestalterische Berufsmaturität an der gibb in Bern nicht ganz das ist, wofür sie sich ausgibt. Da die gestalterischen Anforderungen hoch sind, muss damit gerechnet werden, dass mindestens so viel Zeit ins «Produzieren» (Dokus gestalten, Druckprodukte umsetzen etc.) wie ins Lernen selbst investiert werden muss, wenn nicht sogar mehr. Wer die Idee hat, während der gestalterischen Berufsmaturität gestalterische Techniken zu erlernen, liegt leider falsch. Wer sich erhofft, mit Mal- und Skizziertechniken in Berührung zu kommen, einmal Silikon- oder Bleigiessen zu erleben, professionelle Bildbearbeitungstricks und Formenlehre zu erhalten, sollte lieber einen entsprechenden Kurs an einer Schule für Gestaltung machen, als die gestalterische BMS zu besuchen. Denn dort finden im «Gestaltungs­unterricht» leider – auch ich hatte anderes erwartet – nur Projektarbeiten statt. Aus diesem Grund ist den Lernenden zu raten, die Richtung erst nach reiflicher Überlegung und nach dem exakten Studieren der Stoffpläne zu wählen – auch wenn dieses Problem speziell Bern betrifft.

Anpacken, nicht einfach absitzen

Thea Schröder, Ende 1. Bildungsjahr Der Frust im Fach «Informatik» war das viele Theoretische, die Wörter und Begriffe auswendig lernen, von welchen man viele dann doch nicht braucht. Es war auch deshalb schlimm, weil wir uns nach zwei Lektionen Sport – total erschöpft und ausgelaugt – hinsetzen und drei Stunden lang nur zuhören mussten.

Wir lernen Sprachen ein Jahr lang. Kein Lehrer konnte uns sagen, wieso, denn grösstenteils brauche man diese Fächer so oder so nicht. Der Unterricht selbst war sehr angenehm, um das gehts gar nicht, aber das Ziellose am Lernen geht mir nicht ganz in den Kopf.

Ich bin gerne im Betrieb, aber ganz am Anfang vom 1. Lehrjahr wusste und konnte ich nichts. Ich habe alles nur theoretisch gelernt und konnte noch nichts anwenden – ich musste «die Zeit absitzen». Das soll nicht heissen, dass ich mich jetzt nicht wohl fühle. Je später im Jahr, umso mehr konnte ich machen, aber ich hatte manchmal das Gefühl, dass ich dem Betrieb eher zur Last gefallen bin, als dass ich helfen und lernen konnte. Logischer wären für mich Blöcke: Schule, Betrieb, Schule. Aber dieses Durcheinander wäre am Anfang für viele ziemlich anstrengend, glaube ich.

Tobias Grimm, Ende 3. Bildungsjahr Das GVK (Grundbildungsjahr für visuelle Kommunikation) hat mein gestalterisches Auge von Grund auf geschult und ich konnte grosse Erfahrungen sammeln im Umgang mit den Design-Programmen. Somit war der praktische Einstieg in die folgenden Lehrjahre wesentlich einfacher. Dank dem umfangreichen Grundwissen konnte ich im Lehrbetrieb von Anfang an fachlich mitwirken und bekam auch Verantwortung, was wiederum für mich motivierend ist.

Violetta Aellig, Ende 2. Bildungsjahr Durch die meisten Berufsbildbeschreibungen und -informationen im Internet über den Beruf des Polygrafen hatte ich anfangs eine andere Vorstellung der Arbeiten. Man könnte annehmen, dass Polygraf und Grafiker beinahe derselbe Beruf sei, weil es teilweise wirklich so dargestellt und beschrieben wird. Jedoch werden viele Aufträge vom Kunden bereits belichtungsfertig angeliefert. Wenn man diesen Beruf erlernen möchte, muss man sich wirklich bewusst sein, dass das Gestalten, je nach Betrieb und Fachrichtung, nicht im Vordergrund steht.

Doch ich bereue jedenfalls nicht, dass ich diesen Beruf am Erlernen bin, und es macht mir Spass. Auf jeden Fall ist diese Ausbildung eine gute Grundlage, um sich nach der Lehre in verschiedenen Richtungen weiterbilden zu können.

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