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Book-on-Demand in der Praxis


Book-on-Demand in der Praxis

Ofenfrisch und hausgemacht

Dank dem Prinzip des Book-on-Demand ist es heute möglich, Know-how auch in Buchform stets ofenfrisch in den Regalen zu haben. Denn ein veraltetes Fachbuch lockt in etwa so wenig zum Genuss wie hartes Brot.

MARTIN SPAAR Herausgeber von Computerfachbüchern haben immer mehr mit der Schnelllebigkeit dieser Branche zu kämpfen. Dies gilt ganz besonders auch im Bereich der Pub-lishing-Software. Man kann ein Fachbuch erst fertigschreiben, wenn die Software aus dem Betastadium heraus ist, und bis das Buch dann produziert und in die Vertriebskanäle eingespiesen ist, steht schon bald wieder ein Update der beschriebenen Software an, das aus den auf Halde produzierten Büchern Makulatur macht. Wer kauft heute noch ein Buch zu Acrobat 5.0 oder InDesign 2.0?

Fachzeitschriften dagegen können sehr flexibel auf Neuankündigungen reagieren und sofort über aktuelle Werkzeuge und deren Funktionen berichten. Dafür kann ein Fachartikel nie so stark in die Tiefe gehen wie ein Fachbuch.

Edition Publisher: Kreuzung zwischen Fachzeitschrift und -buch

Die Idee hinter unserer neuen «Edition Publisher» ist nun, quasi die Gattungen Fachzeitschrift und Fachbuch miteinander zu kreuzen und aus beiden Formen das Beste zu übernehmen: von der Zeitschrift Aktualität und leserfreundliche Aufmachung, vom Buch die Ausführlichkeit und fachliche Tiefe. Realisierbar wurde das dank den Möglichkeiten des Book-on-Demand: Es werden kleine Auflagen nach Bedarf produziert, so dass der Titel von Auflage zu Auflage aktualisiert werden kann. Als erstes Buch dieser Serie wurde der Titel «PDF-Workflow mit Adobe Creative Suite» von Haeme Ulrich und Michel Mayerle im Juni in einer Startauflage von 225 Exemplaren produziert.

Standesgemässer PDF-Workflow

Das Buch ist «themengerecht» in Adobe InDesign gelayoutet. Jedes Kapitel entspricht einer InDesign-Datei, das Ganze wird über die Buchfunktion von InDesign bequem organisiert. So konnte ein druckfertiges PDF/X des ganzen Buches über einen einzigen Befehl generiert werden. Per Transfer-Tool (www.publisher.ch/transfer) ging dann das knapp über 50 MB grosse PDF per Internet an die Digitaldruckerei.

Druck bei der AWZ St. Gallen auf einer HP indigo press 3000

Unsere Wahl fiel dabei auf die AWZ St.Gallen, die seit Anfang dieses Jahres über eine HP indigo press 3000 verfügt. Dieses Digitaldrucksystem überzeugt durch eine hervorragende Druckqualität. Wie die vom Publisher herausgegebenen Digitaldruck-Musterordner zeigen, kommt die indigo 3000 auch mit gleichmässigen Halbtonflächen gut zurecht, die bei anderen Digitalsystemen oft unruhig oder gar streifig wiedergegeben werden. Angesichts der vielen Screenshots mit grossflächigem Grau in unserem Buch war das ein wichtiges Kriterium.

Gedruckt wurde das A4-formatige Buch im Doppelnutzen, was eine Bruttodruckzeit (inkl. Papiernachfüllen etc.) von rund 6 Stunden verteilt auf drei bis vier Tage ergab. Gemäss Martin Feurer, Geschäftsleiter der AWZ St. Gallen, ist es im Digitaldruck gang und gäbe, dass grössere Jobs immer wieder von kleineren unterbrochen werden: «Die typischen Digitaldruck-Jobs kommen kurzfristig und müssen innert 24 Stunden oder höchstens zwei Tagen fertiggestellt sein. Oft erstellen wir für den Kunden, wenn er uns einen Auftrag übergibt, auch sofort einen Andruck als Gut zum Druck. So sind wir froh, wenn wir bei grösseren Jobs zeitlich etwas mehr Spielraum haben.»

Primern als Handicap der HP indigo

Da wir mit «Lessebo Design» von Antalis ein spezielles Naturpapier für unser Buch gewählt hatten, musste dieses vor dem Druck mit einem so genannten Primer vorbehandelt werden. Ohne dieses Primern hätten die Flüssigtonerfarben der HP indigo press nicht genügend Haftung bzw. Abriebfestigkeit auf dem Papier. Dieses Handicap der Indigo-Systeme wird durch die neuen, an der Drupa präsentierten «HP Electro-Ink-4»-Flüssigtoner gemildert. Gemäss Angaben des Herstellers sind damit rund 40% mehr Papiere ohne Primern direkt bedruckbar. Die indigo press 3000 der AWZ wurde im Mai auf Ink-4 aufgerüstet und wir haben zurzeit viel versprechende Tests mit einigen ohne Primer gedruckten Büchern am laufen.

Gemäss Martin Feurer von der AWZ ist das mit dem Primern nicht ein allzu gravierendes Problem. 85% der Jobs bei der AWZ laufen auf gestrichenen Papieren, bei denen ohnehin kein Primer notwendig ist. 10% laufen mit dem Standard-Offsetpapier, das die AWZ vorgeprimert ab Werk beziehen kann. Es bleiben also nur 5%, bei denen auf einer alten Heidelberg-Offsetpresse geprimert werden muss.

Lessebo Design als ideales Werkdruckpapier

Wie schon das Thema «Primern» zeigt, ist die Wahl des Papiers bei einem Book-on-Demand-Projekt alles andere als eine Nebensächlichkeit. Es war für uns daher sehr wertvoll, die Firma Antalis als Partnerin in diesem Projekt mit im Boot zu haben. Dort stand uns mit Dieter Weber ein Digitaldruckpio-nier der ersten Stunde mit seinem umfassenden Know-how zur Seite. Das von uns ausgewählte Papier «Lessebo Design» empfahl sich durch seine speziellen Eigenschaften für dieses Projekt: Als Volumenpapier ergibt es bei einem Gewicht von 120g/m2 auch beim einem relativ geringen Umfang von 68 Seiten eine Dicke des Buchblockes von rund 6 Millimetern; das ist entscheidend für das spätere Binden auf der Bookmaster 360, die einen Buchblock von mindestes 5 Millimetern Dicke voraussetzt. Als klassisches Werkdruckpapier ist Lessebo Design ein Naturpapier mit angenehmer Haptik. Die natürliche, ungestrichene Oberfläche verhindert Spiegelungen und das Papierweiss ist dezent abgetönt, was das Lesen angenehm macht. Ein weiterer Vorteil eines Naturpapieres ist die leichtere Verarbeitung bei der Klebebindung: Die offene Oberfläche führt hier zu einer besseren Haftung des Klebstoffes.

Binding-on-Demand als entscheidender Faktor

Während der Digitaldruck schon seit Jahren problemlos Drucksachen «on Demand» zu liefern vermag, ist Binding-on-Demand im Bereich von Hardcover-Büchern eine junge Errungenschaft. So produzierten gängige Book-on-Demand-Lösungen bis heute meist Softcover-Paperbacks oder gar nur spiralgebundene Werke. «Richtige» Bücher liessen sich erst ab Auflagen über 500 Ex. industriell wirtschaftlich produzieren. Bei kleinen Auflagen blieb nur das handwerkliche Binden mit Kosten um die 100 Franken pro Buch.

Insofern bedeutet unser PDF-Workflow-Buch einen kleinen Meilenstein in der Geschichte der Schweizer Buchproduktion. Es ist unseres Wissens das erste über den breiten Buchhandel vertriebene Hardcover-Buch, das nach dem Prinzip des Book-on-Demand produziert wird. Ermöglicht hat dies die Buchbinderei Burkhardt AG (BuBu) in Mönchaltorf. Dort steht mit der Bookmaster 360 des deutschen Herstellers Bielomatik die weltweit erste produktive Maschine dieses Typs. Was in der industriellen Fertigung eine Produktionsstrasse von über 70 Metern Länge beansprucht, passiert in der Bookmaster in 14 aneinandergekoppelten Modulen auf kompakten 12 Metern. Über einen Handeinleger mit den Buchblöcken, Vorsatzbogen und den Buchdecken gefüttert, produziert die Bookmaster im 10-Sekunden-Takt fixfertige Bücher. Das ergibt eine theore­tische Stundenleistung von 360 Büchern. In der Praxis wird gemäss Markus Bruderer, Produktionsleiter bei BuBu, ein Ausstoss von rund 200 Stück pro Stunde erreicht.

Schritt für Schritt zum gebundenen Buch

In der Bookmaster laufen dabei folgende Produktionsschritte ab:

  • Handeinlage von Buchblock und den beiden Vorsatzbogen
  • Die vorgefertigten Buchdecken werden parallel auf das Förderband gelegt und laufen bis zur Einspeisung in die Maschine synchron mit
  • Dreiseitiger Beschnitt des Buchblockes
  • Fächerklebebindung von Buchblock und Vorsatzblatt; die Blattkanten werden dabei durch Auffächern beim Auftragen des Leimes von drei Seiten in den Leim eingebettet
  • Auftragen einer Gaze auf den Rücken des Buchblockes. Das gibt nochmals zusätzliche Stabilität bei grösstmöglicher Flexibilität des Rückens
  • Die Buchdecke kommt dazu und wird im Falzgelenk mit dem Buchblock verschweisst
  • Versiegelung (der Leim wird durch Erhitzen aktiviert) der Deckel mit den Spiegelblättern (Vorsatzblätter)
  • Abrunden des Buchrückens bei über 15 mm dicken Büchern
  • Einbrennen des Falzgelenkes
  • Bei dicken Büchern Banderolieren zur Stabilisierung während des Trocknens

Wie man aus der obigen Beschreibung ersieht, werden die Buchdecken separat vorproduziert und fertig in die Bookmaster eingespiesen. Die Decken werden bei Auflagen ab 150 Exemplaren industriell, das heisst vollautomatisch auf einer BDM Universal von Hörauf produziert. In unserem Projekt haben wir gleich eine grössere Anzahl vorproduziert, da bei den aktualisierten Neuauflagen der Umschlag jeweils unverändert bleibt. Der Umschlag selbst wurde durch die AZ Print in Aarau im konventionellen Offsetdruck produziert und anschliessend laminiert. Das maximale Papierformat der HP indigo press hätte für den Umschlag nicht ausgereicht und auch das Laminieren wäre im Falle des Digitaldrucks aufwändiger und damit teurer gewesen.

Flexibilität und kleines Risiko

Für uns als kleiner Zeitschriftenverlag bot sich dank der Möglichkeiten des Book-on-Demand die Chance, eine eigene Buchserie herauszugeben. Wir starteten mit dem Titel «PDF-Workflow mit Adobe Creative Suite» Mitte Juni mit einer Auflage von 225 Exemplaren und konnten damit den Kapitalbedarf und das finanzielle Risiko in engen Grenzen halten. Das Buch verkaufte sich dann rein über die Zeitschrift so gut, dass wir Anfang August schon eine zweite Auflage von 275 Exemplaren produzieren konnten, die auch in den Buchhandel geht.

Falls dadurch die Nachfrage nochmals steil nach oben geht, können wir rasch reagieren und innert acht Arbeitstagen eine neue Auflage produzieren. Die Produktionszeit liesse sich im Prinzip bis auf drei Tage drücken, was allerdings auch eine Frage des Preises ist. Als «Fülljob» bekommen wir sowohl vom Digitaldrucker als auch vom Buchbinder deutlich bessere Konditionen, als wir diese im Falle einer Expressabwicklung hätten.

Kalkulation

Die Kalkulation für das PDF-Workflow-Buch gestaltet sich pro Buch bei einem Umfang von 68 Seiten und einer Auflage von 200 Exemplaren wie folgt:

  • Papier Lessebo Design von Antalis: Fr. 2.65
  • Druck Inhalt 4/4-farbig auf HP indigo press 3000: Fr. 15.50
  • Druck Umschlag Offset inkl. Laminieren: Fr. 1.20
  • Binden auf Bookmaster 360: Fr. 8.95

Bei den daraus sich ergebenden reinen Produktionskosten von insgesamt Fr. 28.30 (exkl. MWST) pro Buch lässt sich der Verkaufspreis von Fr. 38.- nur realisieren, weil wir mit dem Platzieren von Inseraten der am Projekt beteiligten Partner (Antails, AWZ St. Gallen, BuBu, Chromos AG) innerhalb des Buches zusätzliche Einnahmen generieren können.

Aktualität als entscheidender Trumpf

Ein viel entscheidenderer Trumpf als das Minimieren des finanziellen Risikos ist für uns jedoch die durch Book-on-Demand gebotene Möglichkeit, den Titel von Auflage zu Auflage zu überarbeiten und zu aktualisieren. So konnten wir bei der zweiten Auflage nicht nur einige Fehler ausmerzen, sondern das Buch um ein zusätzliches Kapitel ergänzen. Gerade in der schnelllebigen Softwarewelt ist das ein nicht zu unterschätzender Vorteil für den Leser: Er kann sich darauf verlassen, dass der Inhalt des gekauften Buches immer absolut à jour ist.n

 

 

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