Dossiers >> InDesign >> Fachartikel >> Comics in InDesign layouten
Artikel als PDF

Comics in InDesign layouten

Judika Dragässer kreiert Comics von A bis Z und braucht dafür nebst Bleistift, Feder, Pinsel und Papier auch Photoshop und InDesign. Ein Portrait der Künstlerin, in dem sie Einblick in ihre Arbeitstechniken gewährt.

Haeme Ulrich Unglaublich, wie breit Adobe InDesign eingesetzt wird. Tageszeitungen, Magazine, Marke­tingmaterialien, Dokumentationen und ganze Bücher entstehen mit der Layoutsoftware. Judika Dragässer layoutet sogar ihre Comics mit Adobe InDesign.

Judika Dragässers neuster Comic soll in zwölf Sprachen in einer Gesamtauflage von 42 000 Exemplaren erscheinen. Dabei hat sie das seltene Privileg, dass der Verlag ihr bei der Umsetzung der Projekte sehr viel Freiheit lässt. Die Planung bis zur eigentlichen Umsetzung obliegt ihrer eigenen Regie, wobei sie immer wieder Inputs von verschiedenen Seiten mit einbezieht.

Um einen Einblick in ihre Arbeit unddiese andere «InDesign-Welt» zu bekommen, habe ich der in Wien leben­den Künstlerin einige Fragen gestellt.

PUBLISHER: Judika Dragässer, was ist eigentlich Ihr Beruf?

DRAGÄSSER: Ich bezeichne mich als Grafikerin und Illustratorin beziehungsweise Comiczeichnerin.

PUBLISHER: Wie wird man Comiczeichnerin, welche Ausbildungen haben Sie genossen?

DRAGÄSSER: Ich habe in Deutschland in der Werbe­abteilung eines Zeitungsverlages Mediendesignerin für Printmedien gelernt. Nach zwei Jahren aktivem Arbeiten bei OM EAST bei Wien habe ich ein Jahr in Amerika an der Joe Kubert School of Cartoon and Graphic Art studiert. Heute bin ich wieder zurück bei OM EAST bei Wien.

PUBLISHER: Haben Sie bereits als Kind gerne gezeichnet?

DRAGÄSSER: Ja, ich habe eigentlich schon immer gerne gezeichnet. Ich sage immer: Im Gegensatz zu anderen habe ich nie aufgehört zu zeichnen. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern und andere mich seit je in meiner Begabung gefördert und ermutigt haben.

Inspiration vor der Haustür

PUBLISHER: Haben Sie Vorbilder? Was inspiriert Sie in Ihrer Tätigkeit als Comiczeichnerin?

DRAGÄSSER: Brauche ich Inspiration, gehe ich nach draussen in die Natur. Doch auch im Mikro- und Makrokosmos faszinieren mich die gut durchgeplanten Kunstwerke. Mein grosses Vorbild ist der Designer des Universums.

Ansonsten mag ich die Vielfalt an Kunstund Künstlern. Ich versuche von zeitgenössischen wie auch von klassischen Künstlern zu lernen. Rang und Namen sind mir dabei egal. Ich schaue einem Kollegen, der in einem Programm mehr weiss, anders arbeitet und einen anderen Stil hat genauso gerne über die Schulter wie ich Michelangelos Zeichnungen analysiere. Besonders interessieren mich auch ihre Motivation und ihre Weltanschauung, die sich immer im «Produkt» widerspiegelt.

Im Comicgenre faszinieren mich besonders ausgefallene Techniken und wenn sich zeichnerisches Talent mit Kunst und gutem, niveauvollem Inhalt mischt. Diese Kombination hat in der Comicbranche, die sehr auf Entertainment ausgerichtet ist, noch nicht genügend Einzug gehalten.

Das Miteinander führt zu guten Comics

PUBLISHER: Wodurch zeichnet sich denn ein guter Comic aus?

DRAGÄSSER: Bei einem guten Comic sollte zuerst einmal das Storytelling, also die Geschichte, die Erzählkunst stimmen. Dann erst kommen die Zeichnungen. Ist die Story schlecht und unverständlich, hat der Comic seinen Sinn verfehlt.

Bei einem guten Comic ist die Handlung grafisch so gut umgesetzt, dass sie zur Not auch ohne Text verständlich wäre. Der eigentliche Text sollte also eher unterstützend wirken. Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass die Zeichnungen wiederum die Story unterstützen sollen und nicht umgekehrt. Sprich, die Zeichner passen sich dem Stil der Geschichte an.

In den wenigsten Fällen arbeitet ein einzelner Künstler an einem Comic. Bei einem guten Comic ergänzen sich Texter, Zeichner und Kolorist optimal.

Wichtig ist auch, dass sich die Leser mit der Geschichte identifizieren können. Dazu müssen Charaktere und Orte immer klar und deutlich durch den gesamten Comic wiedererkennbar sein. Weniger ist manchmal mehr: Seiten sollten Stimmungen transportieren und nicht primär Photoshop-Effekte vorführen.

Verschiedene Kameraeinstellungen machen einen Comic erst interessant. So kann bei einer langweiligen Story oft noch viel gerettet werden.

Kurz: Bei einem guten Comic ergänzen sich Text, Stil, Zeichnungen, Farben und Effekte zu einer verständlichen Geschichte.

PUBLISHER: Wie entwickeln Sie aus einer geschriebenen Geschichte die passenden Bilder?

DRAGÄSSER: Zuerst einmal versuche ich die Geschichte zu erleben. Je mehr ich mich in die Geschichte hineinversetzen kann, desto besser kann ich Gefühle und Stimmungen darstellen. Denn Kunst spricht immer die Gefühlswelt an.

Dann müssen natürlich auch die Fakten stimmen. Gute Recherche in Literatur, Internet, Fotos, Museen und andernorts zahlt sich immer aus. Beim letzten Comicprojekt spielte die Geschichte in Nordafrika. Ich bin tatsächlich dort hingereist, um die Kultur besser zu verstehen und Referenzfotos zu sammeln. Ich denke, der Aufwand hat sich gelohnt.

Scannen, veredeln, platzieren

PUBLISHER: Welche Schritte waren notwendig, bis Ihr neuester Comic in Druck gehen konnte?

DRAGÄSSER: Ich hatte das seltene Privileg, ein Comicprojekt komplett von vorn bis hinten durchzuplanen und eigenständig anzufertigen. Das hatte den Vorteil, dass ich selbst die einzelnen Durchgänge aufeinander abstimmen konnte.

Begonnen habe ich mit dem Drehbuch, ähnlich wie bei einem Film. Das heisst, ich habe Szenen, Handlungen und Dialoge festgelegt und die Geschichte, die schon als Kinderbuch bestand, so umgeschrieben, dass sie durch Sprachboxen wiedergegeben werden konnte. Ich habe Charakterskizzen angefertigt, auf die ich immer wieder zurückgriff, damit die einzelnen Charaktere durch den ganzen Comic wiedererkennbar blieben. Dann erst habe ich mit ersten Skizzen für den eigentlichen Comic begonnen und eine Probeseite angefertigt. Ich habe an verschiedenen Stellen um Feedback gebeten und noch viel verändert, bevor ich den richtigen Entwurf fertig hatte. Dieser war dann die Basis für die eigentliche grafische Umsetzung.

Ich habe mich für einen Stil entschie­den, bei dem Figuren und Hintergründeseparat gezeichnet werden. Ich wollteeine Mischung aus malerischen Stimmungen und moderner Technik kreieren.Die Figuren habe ich zunächst in doppelter Grösse mit Bleistift gezeichnet und später mit Tusche nachgezeichnet. Dies, damit im späteren, reduzierten Format die Zeichnungen klarer werden. Dabei musste ich die Hintergründe und Sprechblasen immer im Hinterkopf behalten.

Die Hintergründe sind in Gouachetechnik gemacht. Hintergründe und Tuschezeichnungen habe ich dann einzeln gescannt und in Photoshop zusammengefügt.

Für die Computerkolorierung, Licht-, Schatten- und andere Effekte der Figuren in Photoshop nahm ich das Grafiktablett zu Hilfe.

Dann habe ich die Bilder in InDesign platziert und dort Sprechblasen und Sprachboxen erstellt.

Da der Comic in verschiedenen Sprachen erschien, war es wichtig, Sprechblasen so lange wie möglich von den Zeichnungen unabhängig zu halten, damit sie an die unterschiedlichen Textlängen der verschiedenen Sprachen angepasst werden konnten.

Photoshop: «Sandwichtechnologie» mit viel Repro-Wissen

PUBLISHER: Wie haben Sie eine solche Photoshop-Datei aufgebaut?

DRAGÄSSER: Ein Lob an den Erfinder der Photoshop-Ebenen! Ohne diese geht bei solch einem Projekt gar nichts. Zunächst habe ich mir eine Masterdatei angelegt, in der auch Schnittmarken enthalten sind. Darüber liegen dann die verschiedenen Hintergrundebenen und die Tintenzeichnung.

Die Tintenzeichnungen habe ich getrennt von der übrigen Zeichnung nach CMYK konvertiert, und zwar mit der Einstellung Maximales GCR (Gray Component Replacement), um das Schwarz ausschliesslich im Schwarz-Kanal zu erhalten.

Dann erst habe ich die Tintenzeichnungen in die Masterdatei kopiert und über Multiplizieren mit den anderen Ebenen verrechnet.

Nach der fertigen Computerkolorierung habe ich noch eine Undercolor-Ebene angelegt. Da habe ich die Tuschezeichnung ausgewählt, die Auswahl verkleinert und sie mit 30 Prozent Cyan und 100 Prozent Schwarz gefüllt. So vermeide ich beim Überdrucken von Schwarz unterschiedliche Farbdeckungen im Bild. Natürlich darf diese Ebene dann nicht auf Multiplizieren stehen.

Auch für Schattierungen, Lichtreflexe und andere Effekte sind eigene Ebenen in der Photoshop-Datei angelegt.

Das Farbfelder-Panel habe ich eigens für dieses Projekt zusammengestellt und auf die eingescannten Hintergründe abgestimmt. Darin sind Farben für Nacht, Tag und extremen Sonneneinfall.

InDesign-Bibliotheken mit Sprechblasen

PUBLISHER: Was wird in InDesign gemacht?

DRAGÄSSER: Alles, was mit Text zu tun hat. Denn Schrift muss auch als solche gedruckt werden, damit sie scharf bleibt. Das wäre mit Photoshop zu aufwendig.

Ich habe mir eine InDesign-Bibliothek mit verschiedenen Sprechblasen angelegt, auf die ich während des Layoutens ständig Zugriff habe.

Auch in InDesign nutze ich wie in Photoshop verschiedene Ebenen. Eine für die Illustrationen, eine für die Sprechblasen, eine für die Sprechblasennummern, eine für den Originaltext und eine für die Übersetzung. Die Sprechblasen nummeriere ich für die Übersetzer und das spätere Layouten der Sprachvarianten.

PUBLISHER: Welches ist Ihre liebste InDesign-­Funktion?

DRAGÄSSER: In diesem Zusammenhang eindeutig die Bibliothek!

PUBLISHER: Ist bereits ein weiteres Comicprojekt geplant?

DRAGÄSSER: Da ein Comicdruck recht aufwendig ist, kam der Gedanke auf, einmal etwas fürs Web zu entwickeln. Ich wurde von einem Comickünstler auf der Frankfurter Buchmesse inspiriert, der seinen Comic direkt mit dem Grafiktablett gezeichnet hat. Ein guter Stil für einen Webcomic, der auf moderne Art zum Philosophieren und zur Diskussion anregen soll.

User Group

Das nächste Treffen von InDesign User ­Premium findet am 18. März 2010 statt.

Als Mitglied profitieren Sie:

  • ein Freak-Seminar pro Jahr,
  • vergünstigte Teilnahme an der swiss publishing week,
  • exklusiver Status auf www.HilfDirSelbst.ch,
  • Publisher-Jahresabo,
  • vergünstigte Teilnahme an weiteren Events.

Information und Anmeldung: www.InDesign-User.ch

Der Autor

Haeme Ulrich, ulrich-media, ist Trainer und Berater für Adobe InDesign.
ulrich-media ist bekannt für InDesign- und Photoshop-Wissen.

www.ulrich-media.ch
ulrich@ulrich-media.ch

Artikel als PDF