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Der Inkjetdruck wird den Offsetdruckern bald Arbeit wegnehmen!

Der Digitaldruck war für Kleinauflagen schon immer eine preiswerte Alternative zum Offsetdruck. Mit den auf der Ipex gezeigten Hochleistungs-Inkjetdrucksystemen können nicht nur die Direct-Mail- und Transaktionsdrucker ihre Seitenpreise senken, sondern auch Akzidenzoffsetdrucker wesentlich höhere Auflagen billiger drucken.

KURT K. WOLF Natürlich waren auf der Ipex 2010 in Birmingham bei allen Herstellern von Digitaldrucksystemen Weiterentwicklungen und Neuheiten zu sehen. Einige neue Produkte jedoch sprechen neue Kundengruppen an, und noch nie wurden so viele neue Maschinen vorgestellt, die dem Akzidenzoffsetdrucker den Umstieg auf Inkjetdruck überlegenswert machen.

Digitale B2-Druckmaschinen

Fujifilm und Screen zeigten ihre Inkjet-Bogendruckmaschinen für das B2-Format, die sie bereits auf der Drupa 2008 vorgestellt hatten. Sie sollen vor allem kleine und mittlere Akzidenzoffsetdruckereien ansprechen, welche die digital gedruckten B2-Bogen ideal in ihre Weiterverarbeitung integrieren können.

Die Fujifilm Jet Press 720 druckt mit Samba-Druckköpfen in 72 cm Breite und, mit einer Auflösung von 1200 × 1200 dpi, auf im Querformat transportierte Bogen. Die Geschwindigkeit beträgt im Schöndruck 2700 Bogen pro Stunde (180 Seiten A4 pro Minute) auf Offsetpapier, das vor dem Bedrucken automatisch beschichtet wird. Für den Widerdruck sind die Bogenstapel zu wenden, wodurch beidseitiger variabler Datendruck ausgeschlossen sein dürfte.

Die Screen Truepress Jet SX bedruckt die B2-Bogen im Längsformat in 52 cm Druckbreite. Im Schön- und Widerdruck bedruckt sie 810 Bogen im Format B2 pro Stunde, also 108 Seiten im Format A4 pro Minute. Durch den doppelseitigen Druck ist auch variabler Datendruck einsetzbar.

Wer sich aber für diese zwei Maschinen interessiert, sollte sich unbedingt auch die Rollendruckmaschinen in 50 cm Druckbreite ansehen, die Preise vergleichen und die Aufrüstungsmöglichkeiten bedenken. So druckt beispielsweise die Xeikon 4000 ebenfalls in 50 cm Breite, aber mit 4/4-Farben von der Rolle mit variablen Daten. Die gedruckte Bahn wird normalerweise auch auf Bogengrösse geschnitten. Die Geschwindigkeit beträgt 130 Seiten im Format A4 pro Minute, per Upgrade ist später ein Aufrüsten bis zur Xeikon 8000, mit einer Geschwindigkeit von 260 Seiten im Format A4 pro Minute, möglich.

Neue Tonerdruckmaschinen

Alle Anbieter xerografischer Tonerdruckmaschinen haben in den letztenJahren mit neuen Tonern die Bilddruck­qualität verbessert und ihre Modelle schneller gemacht. Eine detaillierte Aufzählung würde diesen Bericht sprengen. Aus zwei Gründen aber ist hier Xerox zu erwähnen: Die neuen Digitaldruckmaschinen Xerox Color Press 800 und 1000, die 80 bzw. 100 Seiten im Format A4 pro Minute drucken. Die Maschinen arbeiten mit einer Auflösung von 2400 dpi und sind die ersten, die den neuen EA-Eco-Toner verwenden. Neu ist das optionale fünfte Druckwerk, das mit transparentem Trockentoner, der Clear Dry Ink, seidenmatten Glanz erzeugen kann und sogar digitale Wasserzeichen druckt. Ein neues Fuser-Rollensystem hält die Fixiertemperatur auch beim Hochleistungsdruck konstant. In der Grundkonfiguration hat die Xerox 1000 Color Press mit fünftem Druckwerk, einem EFI Fiery RIP und einer Grossraumbogenauslage einen Listenpreis von 390 000 Euro. Die Minimalkonfiguration ist für 317 000 Euro bestellbar und die momentan verfügbare Maximalkonfiguration für 457 000 Euro. Die Xerox 800 Color Press ist noch nicht verfügbar.

Xerox ColorCube

Die Druckerfamilie Xerox ColorCube 9200 besteht aus drei verschieden schnellen Multifunktionssystemen. Diese drucken mit Festtinten im Inkjetverfahren. Die Kosten für Farbseiten sollen im Vergleich zu herkömmlichen Laserdruckern um bis zu 50 Prozent gesenkt und Materialabfälle bis zu 80 Prozent verringert sein. Statt in Flaschen oder Kartuschen sind die Festtintenwürfel in Blisterpackungen erhältlich. Ein Würfel soll für den Druck von bis zu 55 500 Seiten ausreichen. Die ColorCube-Modelle drucken je nach Ausführung von 38 bis 85 Seiten A4 pro Minute. Mit dieser Technologie wurde auch das neue Hochleistungsdrucksystem entwickelt.

Neue Hochleistungs-maschinen

Die neuen HP T300 Color Inkjet Web Press, die Kodak Prosper 5000 XL und die neue Xerox-Inkjettechnologie waren für Direktmailer, Transaktionsdrucker, aber auch für jede grössere Offsetdruckerei höchst interessante Neuheiten.

Denn während man bisher Digitaldruckmaschinen immer als Kleinauflagensysteme betrachtet hat, können diese – dank ihrer hohen Druckleistung – in Auflagenhöhen von 5000 bis 7000 gegenüber dem Offsetdruck billiger drucken. In welchem Mass dies die Druckindustrie verändern wird, konnte man auch auf der Ipex nicht erfahren, weil die Preise der Drucksysteme und der wichtigen Verbrauchsdaten nur bei den wenigsten Ausstellern angegeben wurden.

HP T300 Color Inkjet Web Press

Die modular konfigurierbare Inkjet-Rollendruckmaschine HP T300 druckt in 762 cm Breite im vierfarbigen Schön- und Widerdruck in einer Auflösung von 600 × 1200 dpi. Die Geschwindigkeit soll maximal 122 Meter pro Minute beim Druck auf normales Offsetpapier betragen. Gedruckt wird mit dem HP-Wide-Scan-Inkjetkopf, dessen Düsen mit 1200 dpi in 10,8 cm Breite drucken. Die Druckköpfe sind so konstruiert, dass sie der Operator selbst wechseln kann. In Bezug auf die Druckqualität sei erwähnt, dass sich identische Düsen im Latex-Grossformatdrucker HP Design­jet L65500 befinden, der in höchster Bildqualität druckt.

Inzwischen hat man erste Maschinen ausgeliefert und mit Timson, einem britischen Hersteller von Bücherdruckmaschinen, eine Zusammenarbeit für den vollautomatischen Bücherdruck gestartet. Die HP T300 soll rund 2,5 Millionen US-Dollar, eine mit der Maschine gedruckte A4-Farbseite nur 1 US-Cent und eine Schwarzweissseite 0,15 Cent kosten.

Kodak-Streamdruckmaschinen

Die Hauptattraktion am Kodak-Stand war die Kodak Prosper 5000 XL, eine vollfarbig digital mit Streamdüsen druckende Inkjet-Rollendruckmaschine, die vierfarbig von 7,62 bis zu 200 Meter pro Minute und monatlich bis zu 120 Millionen Seiten im Format A4 drucken kann. Die Auflösung soll dem 70er-Raster im Offsetdruck entsprechen. Die maximale Papierbahnbreite beträgt 64,8 cm und die Druckbreite 62,23 cm. Die speziellen Stream-Inkjetinten enthalten weniger Netzmittel und können, gemäss Kodak, neben ungestrichenen Papieren auch gestrichene und glänzend gestrichene Papiere bedrucken. Bedruckbar sind Grammaturen von 45 bis 300 g/m2. Die Prosper 5000 XL besteht aus zweimal vier Druckwerken für den Schön- und Widerdruck und soll über 4 Millionen US-Dollar kosten. Die Schwarzweiss-Rollendruckmaschine Prosper 1000, die ebenfalls auf der Ipex gezeigt wurde, verarbeitet Grammaturen zwischen 45 und 175 g/m2 und lässt sich auch im Nachhinein zur Prosper 5000 XL aufrüsten.

Die Xerox Inkjet Press

Xerox als Erfinder des xerografischen Digitaldrucks kam in den 90er-Jahren durch den Kauf der Phaser-Technologie von der amerikanischen Firma Tektronix zu deren Technologie und Patenten des Inkjetdrucks. Hauptgrund war damals, so vermuten Fachleute, dass mit den Festtinten und ihrer schnellen Trocknung ein Drucksystem möglich wurde, das die Xerografie in Preis und Druckleistung stark konkurrenzieren könne. So wurde die Technologie nur in den Phaser-Druckern im Home- und Officebereich angeboten.

Auf der Suche nach schnelleren und hochwertigeren Rollendruckern aktivierte man dieses Wissen und entwickelte ein Inkjet-Hochleistungsdrucksystem, dass nun erstmals auf der Ipex als Technologiedemonstration gezeigt wurde. Das System hat drei Schlüsselkomponenten: die Farbe, die Düsen und ihre Herstellung.

  • Als Farbe wird die wachsbasierte Festtinte verwendet, die weiter oben bei den ColorCube-Druckern beschrieben wurde. Als Druckkopf dienen Sprühdüsen aus Edelstahl, die Xerox selber herstellt, in der dickflüssige Tinte auf fast 100 °C erhitzt wird. Die Tröpfchen werden piezoelektrisch auf das Papier geschossen, wo sie auf der Oberfläche sofort erkalten. Damit bleibt die volle Farbkraft auch auf dünnen 50-Gramm-Papierbahnen erhalten. Die Tinte dringt auch nicht ins Papier ein und haftet ohne Vorbeschichtung auf allen unbeschichteten und beschichteten Druckpapieren.
  • Edelstahlinkjetdüsen halten extrem lange, können nicht rosten und kennen kaum verstopfte Düsen wie andere Druckköpfe.
  • Nicht ganz koscher ist das Marketing dieser Technologie. So wird damit geworben, dass Xerox damit zwei Milliarden Tintentropfen jede Sekunde exakt steuern kann – mit 49 000 Düsen aus 56 Druckköpfen. Das ist genauso bescheuert, als wenn ein Offsetdruckmaschinenhersteller damit werben würde, wie viele Milliarden Rasterpunkte er pro Sekunde drucken kann. Immerhin geben die 52 cm Druckbahnbreite mit 150 Metern pro Minute an, dass Xerox damit den Anschluss an die Hochleistungsmaschinen von HP und Kodak sucht.
  • Fazit

    Die HP T300 Color Inkjet Web Press und die Kodak Prosper 5000 XL müssen Direktmailer, Transaktionsdrucker, aber auch jede grössere Offsetdruckerei im Auge behalten. Denn während bisher die Digitaldruckmaschinen immer nur als Kleinauflagendruckmaschinen betrachtet wurden, können diese zwei dank ihrer hohen Druckleistung bis zu Auflagenhöhen von 5000 bis 7000 Drucken billiger als der Offset drucken und damit einem Bogenoffsetdrucker viele Auflagen wegnehmen. Wie das die Druckereilandschaft verändern wird, kann man erst sagen, wenn man von allen Herstellern verbindliche Preise für alle Unterhaltskosten erhalten kann.

    Auch wer gar nicht daran denkt, vom Akzidenzoffset auf Digitaldruck umzusteigen, könnte dann merken, dass Wettbewerber ihn plötzlich schmerzhaft unterbieten. Denn auch hier gilt das Prinzip der Einsteiger in den Digitaldruck: Wenn eine Anwendung die neue Maschine zu 50 bis 70 Prozent rechtfertigt, holt man sich den Rest der Auslastung mit kostendeckenden Tiefstpreisen von den Wettbewerbern weg.

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