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Der Motor hinter der Automation

InDesign Server ist kein Ersatz für die lokale Variante der Layoutsoftware. Er ist jedoch der zuverlässige Motor, der hinter mancher Publishing-Lösung treue Dienste verrichtet.

Haeme Ulrich In vielen bekannten Publishing-Systemen ist InDesign Server die treibende Kraft unter der Haube. Endanwender haben keinen direkten Kontakt mit ihm. InDesign Server automatisiert Design, Layout und Typografie mit der bekannten Qualität von InDesign. Weil InDesign Server auf der gleichen Codebasis aufbaut wie InDesign, verfügt der Server auch immer über die neusten Funktionen der Desktop-Variante.

Kopflos – aber mit Köpfchen

InDesign Server hat keine grafische Benutzerberfläche (GUI = Graphical User Interface). Vielmehr werden von Drittherstellern individuelle, an spezifische Anforderungen und Bedürfnisse angepasste Oberflächen über den «Motor» InDesign Server programmiert. Dies in den Technologien Adobe Flex oder Flash, Java, Adobe AIR oder HTML.

Wie bei der Desktop-Variante können bei InDesign Server Scripts oder in C++ geschriebene Plug-ins die Steuerung übernehmen. Zusätzlich unterstützt der Server zur Steuerung auch das Netzwerkprotokoll SOAP oder Java APIs (Application Programming Interface).

Bei InDesign Server zählt nur eines: Performance und Stabilität. Im Gegensatz zur Desktop-Variante werden beim Server Prozesse nicht abgebrochen, Fehler werden abgefangen und aufgezeichnet. Mit den Anforderungen wächst auch die Leistung des Servers. InDesign Server unterstützt mehrere Instanzen auf mehreren Prozessoren (siehe Grafik). Es gab für ein Katalogprojekt Berechnungen, dass man mit dreissig InDesign Servern pro Sekunde zwanzig A4 Seiten layouten könnte. Das sind beinahe so viele Seiten pro Sekunde, wie ein ruckelfreier Film Bilder aufweist.

Wer braucht InDesign Server?

Grundsätzlich kann InDesign Server überall dort zum Einsatz kommen, wo ein professionelles Layout fern von einer Desktop-Station hochperformant und automatisiert erstellt werden soll. Typische Anwendungen sind Web-to-Print-Systeme oder Redaktionssysteme.

Es gibt auch andere Technologien, Layouts automatisch generieren zu lassen. So ist es zum Beispiel möglich, über XSL-FO (Extensible Stylesheet Lan­guage-Formatting Objects) aus XML eine PDF-Datei zu generieren. Solche werden aber den hohen Ansprüchen an professionelle Layouts nicht gerecht und sind häufig wenig flexibel in der Anwendung. Nicht selten werden solche Systeme nach kurzer Zeit frustriert durch Systeme mit InDesign Server als Motor ersetzt.

Legitimation zur Automation

Kritiker behaupten, dass Automationslösungen vor allem Arbeitsplätze vernichten. Ich meine, dass nur jene den Schritt zu Publishing 3.0 schaffen, die standardisieren und automatisieren. Dabei geht es um bessere Dienstleistungen und mehr Durchsatz, nicht um eine Personalreduktion. Automatisierung erlaubt es, neue Dienstleistungen anzubieten, die sonst nicht möglich wären. Dank der Automation können neue und zusätzliche Ausgabekanäle bedient werden – ganz dem heutigen Trend folgend. Nicht zuletzt wird repetitive Arbeit automatisiert, wodurch Zeit und Spielraum für mehr Kreativität und bessere Qualität zur Verfügung steht.

Lösungen auf Basis von InDesign Server

Da InDesign Server kein fertiges System ist, müssen Lösungen entwickelt werden, die darauf aufbauen. Heute gibt es schier für alle Bedürfnisse und Budgets von Adobe-Partnern Lösungen auf Basis von InDesign Server. Wer die Programmierer im Haus hat, kann natürlich auch selbst Hand anlegen und seine eigenen Lösungen über InDesign Server stricken. Sinnvoller ist meist der Kauf von bestehenden Produkten. Denn in ausgereiften Lösungen stecken unzählige Mannjahre Programmierung und viel Erfahrung. Je nach Produkt sind Lösungen von Adobe-Partnern nach ein paar Mausklicks bereits einsatzbereit oder ermöglichen eine individuelle Anpassung an die individuellen Bedürfnisse.

InDesign Server ist heute typischerweise bei Web-to-Print-Anwendungen, bei Redaktionssystemen, im Katalog-Publishing und bei der Personalisierung von Drucksachen im Einsatz.

Für InDesign Server ­entwickeln

Wer selbst für InDesign Server entwickeln will, braucht gute Programmierkenntnisse und Erfahrung in der Automation von Desktop-Publishing. Idealerweise haben Entwickler zuvor bereits mit der Desktop-Version von InDesign automatisiert. Entwickelt wird in C++, C#, AppleScript, VBScript, JavaScript, SOAP und .NET.

Das SDK (Software Developer Kit) von InDesign Server ist unter www.adobe.com/devnet/indesign frei verfügbar. Um freien Zugriff auf die Runtime und die Debug Software für die Entwicklung zu bekommen, muss das InDesign-Server-Formular ausgefüllt werden: www.adobe.com/products/indesignserver/buildsolution/. Kommerzielle Entwickler tun gut daran, eine Mitgliedschaft im Adobe Solution Partner Program zu abonnieren, um direkten Support bei der Entwicklung zu erhalten.

Weitere Informationen – auch zu den unterschiedlichen Lizenzstufen für den praktischen Einsatz von InDesign Server – gibt es auf der umfangreichen FAQ-Website: www.adobe.com/products/indesignserver/faq/

XML Rules für Business-Logik

Eine Möglichkeit, in InDesign Server Layouts automatisch zu generieren, sind die leistungsfähigen XML Rules.

Dabei wird der per InDesign Server importierte Datenstrom über vordefinierte Rules (Regeln) zu dynamischen Layouts umbrochen. Die Regeln werden in JavaScript, ­AppleScript oder VBScript formuliert.

Seit der Version CS4 ist auch die Verarbeitung von IDML (InDesign Markup Language) möglich. IDML ist ein Abbild des InDesign-Dokuments in Form mehrerer zu einem ZIP-Archiv zusammengefassten XML-Dateien. Dies ermöglicht Programmierern, dynamisch InDesign-Layouts zusammenzustellen oder bestehende Layouts zur Editierung auf XML-Basis in Einzelteile zu zerlegen.

Der Einstieg

So technisch die Welt um InDesign Server klingen mag, für die Endanwender sind die Lösungen logisch und dank Web-Interfaces in der Regel einfach in der Bedienung. Als Einstieg in die automatisierte Layouterstellung kann auch ein preiswertes Plug-in für InDesign Desktop verwendet werden. Wer sich dann sicher fühlt, steigt auf ein System mit InDesign Server als Motor um. Da die Lösungen zahlreicher als die Anforderungen sind, lohnt sich eine gründliche Evaluation. Auf der Website www.adobe.com/products/indesignserver/findsolution/ findet sich eine übersichtliche Tabelle der Adobe-Partner, die für InDesign Server entwickeln.


Fragen an den Entwickler

Daniel Sterchi von ulrich-media schult und berät Programmierer, die für InDesign Server entwickeln. Er schreibt im Auftrag von Kunden auch Lösungen zur Automation von InDesign (Server). Wir haben den Spezialisten zu InDesign Server befragt.

Publisher (Haeme Ulrich): Daniel Sterchi, welches war dein letztes InDesign-Server-Projekt?

Daniel Sterchi: Im letzten Projekt ging es darum, zu zeigen, wie man einen Java Client über Corba mit InDesign Server verbindet. Konkret ging es um die Erstellung von Tickets für einen Event. In Java – nicht zu verwechseln mit JavaScript – habe ich die Eingabemaske programmiert. Und über Corba (Common Object Request Broker Architecture) habe ich die Maske mit InDesign Server verbunden.

Worin unterscheidet sich InDesign Server vom normalen InDesign?

InDesign Server hat keine grafische Benutzeroberfläche. Er muss über ein Script, ein Java-Programm oder über ein C++-Programm gesteuert werden. Der InDesign Server ist gehärtet. Er stürzt auch bei defekten Dokumenten nicht ab. Das wäre ja im automatisierten Betrieb eine Katastrophe. Stattdessen wird ein Log-File erzeugt.

Der Server ist viel schneller als die Desktop-Variante, da keine grafische Oberfläche aufgebaut werden muss. Der Server kann auch mehrere Prozessoren nutzen, wobei pro Prozessor zwei Serverinstanzen laufen können. Bei der Desktop-Version macht das keinen Sinn.

Was ist deiner Erfahrung nach das typische Einsatzgebiet von InDesign Server?

Automatisches Erzeugen oder Verarbeiten von InDesign-Dokumenten, bei denen kein Benutzer-Input nötig ist, oder die schnelle Erzeugung von PDF-Dokumenten.

Welche Rolle spielt InDesign Server beim Publishing 3.0?

InDesign Server verarbeitet anonym hochgeladene InDesign-Dateien und liefert verarbeitete Layouts.

Man lädt XML und ein Script oder eine Verarbeitungsanweisung in irgendeiner Form in die Cloud und erhält eine InDesign-Datei oder ein fertiges PDF zurück.

Und wenn man an die logische Weiterentwicklung denkt und schaut, was mit der Webversion von Photoshop (www.photoshop.com) heute schon möglich ist, wird InDesign Server die treibende Kraft sein, wenn wir in einer RIA (Rich Internet Application) layouten. Diese RIA kann auf dem iPhone, im Browser oder wo auch immer laufen. Unter der Haube ist dann immer noch InDesign-Technologie mit all ihren Vorzügen für profes­sionelle Layouts.

Der Autor

Haeme Ulrich, ulrich-media.
ulrich-media ist bekannt für InDesign- und Photoshop-Wissen.

www.ulrich-media.ch
ulrich@ulrich-media.ch

Kostenloser Tricks-Blog:

http://blogs.ulrich-media.ch

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