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Der Werbetechnikbetrieb heute

Welche Werkzeuge, Maschinen und Materialien setzt ein Werbetechniker ein? Ein Blick hinter die Kulissen von traditionellen Schriftenmalereien und jungen Werbetechnik­unternehmen mit Investitionsmut zeigt, wie und womit heute gearbeitet wird.

n Katrin Koch Cutter, Klebeband, Rakel: Auf Baustellen sind Werbetechniker sofort als solche zu erkennen. Doch wie arbeiten moderne Schriftenmalerinnen? Ein Augenschein in der Branche hat ergeben, dass effiziente Maschinen unverzichtbar geworden sind. Auch der Umgang mit Computern nimmt im Vergleich zum Handwerk einen immer grös­seren Stellenwert ein.

Schriftenmalerei im Wandel der Zeit

Noch vor ein, zwei Jahrzehnten bestand ein Grossteil der Arbeit des Schrift- und Reklamegestalters aus dem manuellen Zuschneiden von Folien für Schriften und Logos sowie Schablonier- und Malarbeiten mit dem Pinsel. Stanniol war das wichtigste Hilfsmittel für randscharfe Zeichnungen. Die Siebdrucker waren in ihrem ganz eigenen Bereich tätig und produzierten beispielsweise Kleber, die sie veredelten. Zudem unterstützten sie die Schriftenmaler bei Grossauflagen.

Mit dem Aufkommen von digitalen Druckmaschinen und passenden Printmedien vor etwa zehn Jahren kam der Stein allmählich ins Rollen. Auch wenn die High-Solvent-Farben von damals den heutigen Umweltschutzbestimmungen nicht mehr genügen, und wir für die grobe Auflösung von damals bloss ein müdes Lächeln übrig haben. Richtig in Schwung kam der neue Arbeitszweig ein paar Jahre später durch Maschinen, die feinere Auflösungen drucken konnten und deren Produkte für den Aussen- und neu auch den Innenbereich geeignet waren. In dieser Zeit fielen auch die Preise der Drucksysteme auf bis zu einen Viertel der ursprünglichen Anschaffungskosten, wodurch auch kleinere Unternehmen in Maschinen investieren konnten.

Heute steht in jedem noch so kleinen Werbetechnikbetrieb ein Schneidplotter und ein Digitaldrucksystem, dazu gehört auch ein breites Sortiment an Produkten für den Indoor- und den Outdoorbereich wie Papier, Blachen, Displaymaterialien und Vinyl. Der aktuelle Trend im Bereich Grossformatdruck läuft in Richtung UV-Technologie und Flachbettsysteme, um starre Medien direkt bedrucken zu können und die Wartezeit zur Verarbeitung auf ein Minimum zu reduzieren. Um am Ball zu bleiben, sind grössere Firmen auf Maschinen mit bis zu zweieinhalb Metern Druckbreite angewiesen, die schneller drucken und bessere Resultate liefern. Bei grossen Produktionsbetrieben stehen auch Super-Wide-Format-Drucker mit UV-trocknenden Tinten für grossflächige Verklebungen und Banner im Einsatz.

Über die Jahre wurden die Maschinen auch vielseitiger, Printer in Kombination mit einer Schneideeinheit sind keine Seltenheit mehr.

Im Bereich des UV-Drucks bis A3 für Kleinauflagen hat sich ein Hersteller eine Nische geschaffen, die mit einem spezia­lisierten Gerät erschlossen werden soll. Hier zeigt sich, dass durchaus Potenzial vorhanden ist, dieser Bereich aber vom Hersteller wie auch vom Werbetechniker bearbeitet werden muss. Die Möglichkeiten sollen vor allem den Kunden aufgezeigt werden.

Im Grossformat-Digitaldruck eingesetzte Tinten sind heute mit geringeren Lösemittelanteilen verfügbar. Ergänzt wurden die klassischen Prozessfarben CMYK unter anderem mit Weiss und Lack. Auch Metallic-Farben und deckendes Weiss sind heute erhältlich. Da die Pigmente bei Letzteren rasch absinken und die Düsen der Druckköpfe bei unregelmässigem Gebrauch verstopfen, ist die Nachfrage bei Werbetechnikern gering.

Auch im Bereich der Materialien hat sich einiges verändert: Die Qualität der Klebstoffe und Folien konnte verbessert werden, neue Materialien wie Leinwand­imitate für Kunstdrucke, Tapeten und Textilien mit Struktur haben ihren Platz in den ehemaligen Schriftenmalereien gefunden. Ein Ende der Weiterentwicklungen ist nicht abzusehen, im Gegenteil: Der Rhythmus, in welchem Produkte für neue Anwendungsbereiche erhältlich werden, beschleunigt sich. Einer der Gründe hierfür ist die Schnelllebigkeit von Beschriftungen. Blachen müssen oft nur für die Dauer eines Open Airs halten, dann werden sie entsorgt.

Wer mit dem Markt mithalten will, kann nicht einfach auf «Me too»-Produkte setzen, sondern muss sich mit neuen Produkten und Techniken immer wieder einen Vorsprung vor den Mitbewerbern sichern. Erfolg in diesem Wettbewerb hat nicht nur, wer die Nase in den Wind steckt, sondern auch, wer sich in der Einrichtung seines Betriebes und in der Lagerhaltung flexibel zeigt. Im Bereich des Siebdrucks sind es diejenigen, die nicht auf alte Pferde setzen und all den Produkten nachtrauern, die heute kostengünstiger digital produziert werden können, sondern ganz bewusst Nischen suchen und sich darin profilieren. Mit dieser Spezialisierung kann sich ein Siebdrucker auch vom Preisdruck lösen.

Medienvorstufe

Die frische Generation von Gestaltern Werbetechnik kann durchaus als «Adobe Natives» bezeichnet werden: Photoshop ist für viele nicht bloss Arbeitswerkzeug, sondern auch Hobby. Mit dem Programm Adobe Illustrator verhält es sich ähnlich. Wer etwas von sich hält und am PC oder Mac gerne gestaltet, kommt kaum darum herum. In einer Umfrage unter 17 Lernenden der Werbetechnik-Abschlussklasse zeigt sich, dass es tendenziell eher die städtischen Werbetechnikbetriebe sind, die in neue Software investieren.

In wenigen Firmen halten sich auch QuarkXPress und Freehand tapfer. Andere Programme wie CorelDraw, Signlab, Signmaker und CoCut sind noch vereinzelt vorhanden, meist aber nicht als Gestaltungsprogramme, sondern zum Lesen alter Dateien oder zum Ansteuern von Schneidplottern.

In denjenigen Betrieben, die jahrelang mit denselben Programmversionen arbeiten, wird auch weniger in Plotter und Printer investiert. Das kann zuweilen so weit führen, dass nur das nötigste repariert wird, wenn auch die Effizienz und die Genauigkeit der Maschine darunter leiden.

Es sei dahingestellt, ob Betriebe gezwungenermassen mit den neusten Softwareversionen arbeiten müssen oder ob auch ein bis zwei Versionen übersprungen werden können. Hier redet nicht nur der datenliefernde Kunde mit. Die Lernenden werden in der Schule ein Stück weit verwöhnt, da stets mit der neuesten Softwareversion gearbeitet werden kann. Steht diese im Ausbildungsbetrieb nicht zur Verfügung, kann sich dies erschwerend auf die Datenverarbeitung auswirken.

Produktion

Würde man von besagter Umfrage auf die Schweiz schliessen, so stünde in jedem vierten Betrieb ein Jetster XL. Dieses Modell hält sich ausserordentlich lange und läuft weit über die Amortisationszeit hinaus weiter, wobei die Qualität der Prints sehr konstant bleibt. Gute Investitionen rechnen sich. Was über eine durchschnittliche Einsatzdauer von drei bis vier Jahren funktioniert, wird auch gerne repariert. Weit verbreitet scheinen auch Mimaki-Maschinen aus der JV3-Serie, aber auch Schneidplotter. Tisch- und Rollenplotter verschiedener Hersteller halten sich etwa die Waage.

Dass hier Mutmassungen statt klare Fakten stehen, liegt daran, dass weder vom Verband Werbetechnik+Print noch von Lieferanten Statistiken zu Unternehmen und ihren Einrichtungen, Durchlaufzyklen und Amortisationsgrundlagen vorhanden sind.

Neuere Investitionen bei den befragten Betrieben sind unter anderem effizientere Schneidplotter und UV-Flachbettprinter. Im Bereich des Direktdrucks auf starre Materialien entwickelt sich eine Nische des Berufs in Richtung Goldgrube: Aufträge können in kürzerer Zeit mit weniger Ressourcen und Personal ausgeführt werden. Zudem entfallen Trocknungszeiten. Ebenfalls in diese Richtung geht die Investition in einen RollsRoller. Dieser Laminiertisch ermöglicht es, grossflächige Applikationen speditiv, blasenfrei und vor allem ohne zusätzliche Arbeitskraft auszuführen.

Flexibilität

Was die Nutzung von Räumlichkeiten betrifft, so haben vor allem flexible Einrichtungen ein grosses Potenzial. Faktoren wie beispielsweise Hallen mit über viereinhalb Metern Raumhöhe und grossen Einfahrten, Rolltische und Multimediasteckdosen ermöglichen ein flexibles Umstellen des Arbeitsplatzes. Computerstationen können kurzfristig umplatziert und wieder via Ethernet verbunden werden, Arbeitstische je nach Platzbedarf und Arbeit zusammengestellt oder zur Seite geschoben werden. Dadurch erhöht sich die Raumauslastung, weil z.B. Kleinlastwagen in den eigenen Räumlichkeiten statt extern beschriftet werden können.

Werkzeuge und Hilfsmittel

Eine umfassende Auflistung von Werkzeugen ist stark von der Ausrichtung des Betriebes abhängig. Zur Grundausstattung gehören nebst Folien, Farbfächern, Printern und Plottern auch Untergrundreiniger, verschiedene Klebebänder und Applikationswerkzeuge wie Rakel, «Rölleli» und Verklebehandschuhe, verschiedene Messwerkzeuge wie Massstäbe, Winkel, Klapp- und Rollmeter, Wasserwaagen sowie eine Digitalkamera für das Festhalten von Arbeiten.

Sobald eine Firma nicht nur Schilder entwirft und klebt, wird es sofort aufwändiger. Hilfsmittel zur Bearbeitung von starren Materialien müssen her: Kreissäge, Bohrständer, Bohr- und Schraubmaschinen. Dazu natürlich diverses Kleinmaterial wie Schrauben, Dübel, Distanzhalter, Bit-Sets, aber auch Lagerflächen für Plattenmaterialien: Forex, Dibond, Acrylglas, Aluminium, Signicolor.Siebdruckmaschinen, Handdrucktische, Kopierrahmen, Trocknungsschubladen sowie Auswaschraum erfordern einiges an Platz. Dazu kommt ein Grundstock von Sieben, Rakeln und Farben für verschiedene Untergründe wie Kunststoffe, Textilien und Metalle.

Firmen, die eine Spritzkabine unterhalten, müssen sich zurzeit mit ihrem Lagerbestand an Farben auseinandersetzen. Da eine über Jahre produzierte Farbe abgesetzt wird, braucht es auch in diesem Bereich eine Neuorientierung.

Es reicht nicht (mehr), einige Räume zu unterhalten, sich ein Layoutprogramm zu besorgen und seinen Tischplotter laufen zu lassen. Gerade weil auch immer mehr Privatpersonen einen solchen betreiben, sind Werbetechnikunternehmen umso mehr gefordert, sich mit neuen Materialien, Werkzeugen und Anwendungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen.

Anforderungen an Lehrbetriebe

Im Merkblatt «Mindestanforderungen Einrichtung und Infrastruktur eines Lehrbetriebes für den Beruf Gestalterin/Gestalter Werbetechnik EFZ» des Verbands Werbetechik + Print werden diese Anforderungen gegliedert in Räumlichkeiten, Medienvorstufe, Werbetechnik, Arbeitssicherheit und Verschiedenes.

Wie die Vorschriften über die Mindestanforderungen lauten, wird hier am Beispiel «Arbeitssicherheit» aufgeführt. Schutzmassnahmen bei Lösemittelemission, Schutzkleidung, Sicherungsmaterial, ein Erste-Hilfe-Set, die persönliche Sicherheitsausrüstung sowie ein betriebliches Notfallkonzept müssen vorhanden sein. Dieses listet das Vorgehen bei ausserordentlichen Vorfällen auf, enthält die wichtigsten Notfalltelefonnummern und bietet Unterstützung in erster Hilfe. Einige Risiken in unseren Betrieben, die zu solchen Notfällen führen können, sind Stürze und Vergiftungen durch Lösemittel mit Schädigung der Atemorgane und/oder der Haut.

Der Verband empfiehlt über die Mindestanforderungen hinaus die Auseinandersetzung mit Vorgaben und Merkblättern der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS), eine Augendusche für Notfälle, ein Entsorgungskonzept für Abfälle und Gifte sowie Unterlagen über Umweltvorschriften. Mit diesen Vorgaben will der Verband eine Sensibilisierung der Verantwortlichen und Mitarbeitenden erreichen, was direkt zur Vermeidung von gefährlichen Si­tua­tionen beitragen kann.

Chancengleichheit durch überbetriebliche Kurse?

Nicht allen Betrieben ist es möglich, den Lernenden die geforderte Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und eine breit gefächerte Ausbildung zu ermöglichen. Hier schaffen die überbetrieblichen Kurse, die während der vier Ausbildungsjahre besucht werden müssen, einen kleinen Ausgleich. Sie thematisieren unter anderem Drucktechnologien, Kundenberatung und Konzeption. Dadurch soll den verschiedenen Ausrichtungen und Grössen der Lehrbetriebe ein Stück weit Rechnung getragen werden. Durch die neue Bildungsverordnung ist es auch möglich, die Lehre in verschiedenen Betrieben zu absolvieren. Der «Beobachter» thematisierte dies Anfang Jahr im Artikel «Die mobilen Stifte». Hier wird aufgezeigt, wie beispielsweise kleine, hochspezialisierte Betriebe Nachwuchs ausbilden können, ohne dass die Ausbildung einseitig ausfällt. Bei dieser Option wird der Vertrag nicht mit den Lehrbetrieben, sondern mit dem Berufslehrverbund Zürich abgeschlossen. Gute Leistungen in der Schule und im Betrieb sind Voraussetzung für die Vermittlung in das jeweils nächste Lehrjahr.

Fazit

Ein hohes Mass an Wandlungsfähigkeit ist für den heutigen Werbetechniker Voraussetzung. Dies bedeutet nicht, blind jede Neuerung mitzumachen, sondern sich ganz gezielt zu informieren und für sich Schwerpunkte zu setzen, wo investiert und was verändert werden soll. Rasche Veränderungen auf dem Markt führen zu einem intensiveren Kontakt zwischen Lieferant und Produzent: Letzterer will nicht mehr einfach das Produkt, das er schon immer hatte, sondern Beratung und massgeschneiderte Lösungen für spezifische Kundenaufträge.

Interessant ist auch die Entwicklung von Werbetechnikbetrieben zu kleinen Generalunternehmern. Von der Kundenakquisition über Layout, Produktion und Montage wird vieles in Eigenregie und losgelöst von Agenturen ausgeführt.

Merkblätter und Vorschriften

Mindesteinrichtung Lehrbetrieb

Für Werbetechnikbetriebe gelten Vorgaben, um Lehrlinge ausbilden zu dürfen. Diese beschreiben beispielsweise, welchen Standards Arbeitsräume und Hilfsmittel zur Fertigung entsprechen müssen.

Der Verband Werbetechnik+Print hat daraus ein Merkblatt für den Beruf Gestalterin/Gestalter Werbetechnik EFZ entwickelt, das auf der Website zum Download zur Verfügung steht.

www.verband-werbetechnik.ch > Service > Download > Dokumente

 

Verordnung über die berufliche Grundbildung

Die Verordnung über die berufliche Grundbildung für Gestalterin/Gestalter Werbetechnik EFZ fasst vom Bildungsplan über die Dokumentation der Leistung bis hin zum Qualifikationsverfahren den gesetzlichen Rahmen des Berufes zusammen.

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