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Die Farbe macht den Unterschied

In den letzten Jahren wurde der Grossformatdruck enorm vorangetrieben. Die ­Anwendungsmöglichkeiten sind heute entsprechend vielfältig. Eine Klassifizierung von ­Grossformatsystemen anhand der Farben zeigt deren Einsatzgebiet auf.

thomas riebel Die klassische Bezeichnung Tintenstrahldruck oder Inkjetprinting kann heute so nicht mehr stimmen. Was aus modernen Druckköpfen der Grossformatdrucker gespritzt wird, hat nicht im Entferntesten mit der uns bekannten Tinte zu tun. Da werden je nach Drucksystem hochkomplexe Farben eingesetzt, welche genau auf das Drucksystem, das Trocknungsverfahren, die Substrate, die Weiterverarbeitung und den endgültigen Anwendungszweck des bedruckten Materials abgestimmt sind. Wer heute also noch von Tintenstrahldruckern oder Inkjetprintern spricht, wird wohl verstanden, operiert aber mit einem sehr globalen Begriff und wird den vielfältigen Möglichkeiten der Systeme in keiner Weise gerecht.

Unwissen

Beim Endkunden in Agenturen und teilweise sogar bei Druckdienstleistern ist viel zu wenig bekannt, worin sich die Systeme unterscheiden und welches am Schluss das geeignetste Verfahren zur Abdeckung der Anforderung ist. Und da spielt halt – wie vielfach im Leben – das genaue Anforderungsprofil des Endprodukts eine zentrale Rolle. Grossformatdruck meint nicht mehr nur Pläne, Proofs (ehemalige Blaupause) oder Plakate auf Bluebackpaper. Der Bereich hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt, wodurch heute fast alle Materialien in ausgezeichneter Qualität und mit entsprechender Lebensdauer bedruckt werden können. So wie dies bis anhin ausschliesslich dem Siebdruck vorbehalten war.

Grobklassierung

Grossformatdrucksysteme werden an-hand der Druckbreite klassifiziert: Wide Format zwischen 17 und 100 Zoll und Superwide Format grösser als 100 Zoll oder 2,54 Meter.

Flexible Materialien werden in der Regel ab Rolle gedruckt und nach dem Druck zur Weiterverarbeitung wieder auf eine Rolle aufgerollt. Hier spielt die rasche Trocknung der Farbe eine zentrale Rolle. Starre Materialien werden auf so genannten Flachbett-Druckern bedruckt, welche mit nachgelagerten Trocknungseinheiten und Weiterverarbeitungsschritten gekoppelt werden können. Als Weiterverarbeitung können Veredelungsverfahren, Montagen, Konturschneiden usw. verstanden werden.

Die Vielzahl der heute möglichen Anwendungen von CAD-Drucken (Technisches Grossformat) über Bedrucken von Bluebackpaper bis hin zum Bedrucken von Glas oder Composite-Materialien wie Dibond zeigen, dass die Art der Anwendungen (das Endprodukt) das Substrat bestimmt und damit auch die Wahl der entsprechenden Tinte.

Feinklassierung über die Farbe

Die Tinte respektive die Farbe spielt in der Interaktion mit dem Drucksubstrat und den Druckköpfen eine wesentliche, wenn nicht die entscheidende Rolle. Die Zusammensetzung der Tinte auf dem gewünschten Drucksubstrat ist absolut entscheidend dafür, ob das Endprodukt den gestellten Anforderungen gerecht wird.

  • Waterbased Ink. Diese Technologie dürfte jeder kennen, der schon einmal einen Tintenstrahldrucker im Büro oder zuhause benutzt hat. Der Einsatz speziell beschichteter Papiere belohnt den Anwender mit guten bis sehr guten Ergebnissen. Der thermale Drop-on-Demand-Druckkopf wird im Grossformatdruck meist für technische Dokumentation oder für Innenanwendungen benutzt, da die UV-Beständigkeit sehr eingeschränkt ist. Die UV-Beständigkeit kann durch den Einsatz von pigmentierten Tinten verbessert werden. Waterbased Ink mit pigmentierter Tinte hat im Outdoor-Bereich eine Lebensdauer von ein bis zwei Jahren. Der Vorteil der pigmentierten, wasserbasierenden Tinten liegt in den geringen Herstellungskosten im Vergleich zu Solvent- oder UV-Tinten. Anwendungsbereiche sind in erster Linie Plakate im Indoor-Bereich. Mit einem zusätzlichen Schutzlaminat versehen, ergibt sich eine Aussenhaltbarkeit von bis zu 3 Jahren.

Im industriellen Grossformatdruck werden üblicherweise Piezo-Inkjet-Druckköpfe verwendet. Diese sind geeignet, unterschiedlichste Tinten auf das Substrat zu bringen.

  • Öko-Solvent- und Mild-Solvent- Tinten, von Herstellern auch Latex, Bio-Lactide oder ähnlich genannt, sind nur mit Vorbehalten «grün». Der Begriff ist nicht geschützt und deshalb schwer abgrenzbar. Eine Möglichkeit bietet die Kategorisierung anhand des Lösemittelanteils und damit der Anteil der VOC (volatile organische Komponenten).

Sowohl Öko-Solvent- als auch Mild-Solvent-Tinten enthalten VOC. Im Vergleich zu Öko-Solvent-Tinten weisen Mild-Solvent-Tinten jedoch eine höhere Konzentration von VOC auf.

Je höher die Konzentration der VOC, desto besser verbinden sich die Farbpigmente mit dem Bedruckstoff, was zu einer längeren Haltbarkeit und UV-Beständigkeit führt. Die UV-Beständigkeit, abhängig vom Standort, kann zwischen drei und vier Jahren betragen.

Anwendungsgebiete sind alle flexiblen Materialen wie Mesh, Vinyl, Folie oder Papier, sowohl beschichtet als auch unbeschichtet. In einem zweiten Arbeitsgang können die flexiblen Materialien weiterverarbeitet werden und auf starre Materialien beispielsweise für Baustellentafeln aufgebracht werden. Für den Outdoor-Einsatz wird meist ein Schutzlack aufgetragen damit die Tinte länger auf dem Drucksubstrat hält und eine höhere Abriebfestigkeit aufweist. Dies war vor dem Aufkommen der UV-Tintentechnologie oft der Fall, insbesondere wenn Folien auf starre Materialien kaschiert wurden. Eine Modeapplikation auf Mild-Solvent-Basis ist die bekannte Fototapete oder die speziell hergestellte Tapete in Auflage 1, die perfekt auf das Interieur abgestimmt ist.

  • Solvent-Tinten enthalten einen höheren Anteil an Lösemitteln, sind jedoch bei Applikationen wie beim Bedrucken von LKW-Blachen, die einer hohen Beanspruchung unterliegen, unersetzlich. Der Lösemittelanteil der Solventtinte raut die Oberfläche des Bedruckstoffs auf, wodurch die Pigmente der Tinte eine Verbindung mit dem Bedruckstoff eingehen können. Bei normalen Anwendungen muss im Gegensatz zu Mild-Solvent kein Schutzlack aufgetragen werden. Die Sirek AG in Buchs hat die Kombination von Plane, Tinte und Lack perfekt aufeinander abgestimmt, und garantiert bei LKW-Blachen eine Haltbarkeit von bis zu fünf Jahren. An diesem Beispiel zeigt sich, wie innovative Anwender die einzelnen Komponenten genau aufeinander abstimmen und so aussergewöhnliche Resultate erzielen.
  • UV-Tinten sind für eine Vielzahl von Anwendungen geeignet, da die Tinte sich unproblematisch mit fast allen Materialien vernetzt (polymerisiert) und sich sowohl auf starre als auch auf flexible Materialien aufbringen lässt. UV-Tinten sind VOC-frei und bestehen aus Polymeren und Monomeren, die, sobald sie mit UV-Licht bestrahlt werden, aushärten. Der chemische Prozess der Aushärtung nennt sich Polymerisation.

UV-Tinten härten auf allen Medien aus und sind deshalb für flexible Materialien von der Rolle wie Backlight, Mesh oder Papier, aber auch für starre Materialien wie Holz, Dibond oder Glas geeignet. Je nach Hersteller gibt es für verschiedene Anwendungen auch verschiedene Tinten, beispielsweise UV-Tinten für Rollensysteme, die etwas flexibler sind als UV-Tinten für starre Materialien.

Anwendungsgebiete bei flexiblen Materialien oder bei UV-Rollensystemen sind unter anderem Baustellenverkleidungen mit Mesh oder Backlight-Folien für Leuchtkästen. Da die UV-Tinte bei der Auswahl des Bedruckstoffes keine grossen Anforderungen stellt, sind die Herstellungskosten der Drucksubstrate sehr viel geringer als bei Mild-Solvent oder Solvent-Tinten. Die Materialien müssen in der Regel nicht zusätzlich beschichtet werden, was einen aufwändigen Arbeitsschritt bei der Herstellung von flexiblen wie auch starren Bedruckstoffen einspart. Ein weiterer Vorteil der UV-Tinte ist die sofortige Weiterverarbeitbarkeit der bedruckten Materialien. Da die Herstellung der UV-Tinte aber wesentlich komplexer ist, schlägt sich dies bei den Preisen der Farbe nieder. Während sich der Marktpreis bei hochvolumigen Produktionssystemen bei Solvent- und Mild-Solvent-Tinten bei 22 bis 30 Franken pro Liter befindet, ist für UV-Tinten zwischen 60 und 85 Franken zu bezahlen. Bei der Gesamtkalkulation sollte natürlich auch der geringere Tintenverbrauch der UV-Systeme berücksichtigt werden.

Anwendungen für starre Materialien wie Alu-Dibond, Holz, Glas oder Keramik sind äusserst vielfältig und in Verbindung mit bestimmten Materialien wie Lightboard oder Reboard und einer Cutting Solution beispielsweise von Agfa Graphics wird der Druckdienstleister schon fast zum Schreiner. Mit diesen innovativen Materialien, basierend auf Papier mit bis zu 50 Millimetern Stärke, lassen sich Möbel, Messe­ausstattungen, Inneneinrichtungen und Produktständer für den Point of Sale oder den Point of Interest herstellen und individuell bedrucken.

Bei der Automobilzulieferindustrie werden auch tiefziehfähige Tinten eingesetzt. Die Tinten werden auf flaches Material aufgebracht und dann mit Hitze und Druck in Form gepresst, beispielsweise für Autoarmaturen. In der Vergangenheit war dies eine Siebdruckdomäne, bei kleinen Serien oder im individuellen Typenbau jedoch ein digitales Geschäftsfeld.

  • Dye-Sub-Tinten werden im digitalen Textildruck eingesetzt. Wer sich heute in höherwertigen Boutiquen oder Flagshipstores der grossen Marken umschaut, wird viel Werbung wahrnehmen, die auf Stoff gedruckt ist. Stoff ist durch seine Oberfläche emotionaler und damit prädestiniert, um im Mode-Detailhandel eingesetzt zu werden. Die Stoffe werden nach dem Druck meist mit einer Gummilippe versehen und dann in Aluframes eingespannt. Der Vorteil zu starren Materialien liegt in den günstigeren Logistikkosten und der einfachen Entsorgung. Technisch werden die Direct-Dye-Sub-Tinten direkt auf das Textil aufgebracht und anschliessend direkt mit einer Heizung getrocknet. Alternativ hierzu ist die Fixierung mit einem Kalandar möglich, dies erfordert jedoch zusätzliche Investitionen, Energie zum Heizen der Gummiwalzen und einen weiteren Arbeitsschritt.

Anforderungsprofil für eine UV-Tinte

Jeder Hersteller von Tinten steht vor der Quadratur des Kreises bei der Entwicklung einer neuen Tintenrezeptur. Am Anforderungsprofil wird deutlich, welcher Spagat von den Entwicklern verlangt wird (Anforderungsprofil von Agfa Graphics für eine UV-Tinte):

  • Geringe Geruchsbelästigung,
  • leuchtende Farben,
  • schnelles Aushärten der UV-Farbe zur Sicherstellung der Produktivität,
  • bestmögliche Haltbarkeit und hohe Kratzfestigkeit (Fingernageltest),
  • Verwendung von weisser Farbe,
  • Verwendung von Light-Farben (Light-Cyan, Light-Magenta),
  • zuverlässiges Jetting der Tinte,
  • Kontrolle der Dot-Grösse, welche auch die Auflösung beeinflusst,
  • einfache Anwendung, möglichst geringer Wartungsaufwand,
  • grosser Gamut (ISO 15311-3),
  • gute Haftung auf einer Vielzahl von Substraten,
  • starr und flexibel,
  • Innen- und Aussenanwendungen.

Die Aussenhaltbarkeit der (UV)-Tinten ist von vielen Faktoren abhängig, primär jedoch vom Sonnenlicht und den physikalischen und chemischen Stressfaktoren. Die Intensität der UV-Strahlen hängt ab vom Längen- und Breitengrad des Standortes, der Höhe über Meer und der Ausrichtung des Plakats. Unterschiedliche Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten sorgen für weitere Stressfaktoren, welche die Haltbarkeit beeinflussen. Eine generelle Aussage über die Aussenhaltbarkeit ist deshalb nicht möglich, jedoch geht man in der Regel bei UV-Tinten von einer Haltbarkeit von vier Jahren im Aussenbereich aus. Die Firma Sitour aus Innsbruck ist auf Aussenwerbung in Skigebieten spezialisiert, wofür als Schutz zusätzliche UV-Lacke eingesetzt werden. Trotz grosser Höhe und extremer Sonneneinstrahlung können sie damit ihren Kunden eine Haltbarkeit von bis zu fünf Jahren garantieren.

Nur die Hersteller von digitalen Grossformatdruckern, welche auch eine eigene Tintenentwicklung und Produktionsstätte haben, sind in der Lage, die Druckköpfe und die Tinten perfekt aufeinander abzustimmen. Die Komplexität der heutigen Technologie erfordert interdisziplinäre Vorgehensweisen sowie eine gute Kapitaldecke, um die Forschung voranzutreiben.

Je individueller die Tinten entwickelt werden, desto zahlreicher die Nischenmärkte, die belegt werden können. Gleichzeitig haben heutige «Standard»-UV-Tinten eine um 200 Prozent höhere Dehnfähigkeit als zu Beginn der Technologieeinführung, so dass immer mehr Anwendungen auf flexiblen Materialien auch auf UV-Systemen gedruckt werden.

Was gehört noch dazu?

Neben dem Bedrucken von unterschiedlichsten Materialien gibt es eine weitere Herausforderung für die Anwender: Das Farbmanagement, denn der Endkunde möchte seine Sonderfarben sowohl im Offset- als auch im grossformatigen Digitaldruck identisch wahrnehmen. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen und Kenntnisse im Bereich der Lineariserung, der Kalibration und der Profilierung für unterschiedlichste Substrate zeugen nicht nur von Fachkompetenz, sondern auch vom Dienstleistungsgedanken des Druckdienstleisters.

Neben der Kernkompetenz des Druckens wird heute das Thema Endverarbeitung immer wichtiger. Genau wie im Offset- oder Siebdruck ist es für den «digitalen Druckdienstleister» wichtig, fertige Endprodukte in immer kürzer werdenden Zeitfenstern zu produzieren und auszuliefern. Die Wertschöpfungskette eines «Grossformatigen Dienstleisters» verlangt Fachkompetenz in der Datenannahme und -prüfung im Farbmanagement, beim Drucken auf unterschiedlichen Materialien, in der Endverarbeitung, in der Montage und in der Logistik. Möglichst auch noch bei der Entsorgung der alten Materialien. Im digitalen Textildruck sind neben der Ausrüsterei auch Kenntnisse im Verarbeiten von Aluminiumprofilen absolut notwendig.

Nur Drucken, wie manche Hersteller von Drucksystemen suggerieren wollen, reicht heute nicht mehr aus. Neben der Auswahl der richtigen Technologie, sowohl im Prepress-, im Druck- als auch im Endverarbeitungs-Bereich, ist die ständige Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten und die laufende Investition in neue Technologie ausschlaggebend, um sich von den Mitstreitern differenzieren zu können und damit eine langfristige Win-Win-Situation aufzubauen.

Künftige Herausforderungen

Die nächsten Schritte im Grossformatdruck werden im Bereich der Automatisierung und der Standardisierung stattfinden. Dadurch wird ein Produktivitätsfortschritt ermöglicht, welcher die traditionellen Bereiche, wie die des Siebdrucks immer weiter zurückdrängt.

Es klingt utopisch, einen 24-Stunden-Betrieb durch entsprechende Automatisierung zu konzipieren, ist heutzutage aber durchaus möglich. Dies erst noch mit einem hohen Individualisierungsgrad, was die Materialien und die Endprodukte anbelangt. n

Der Autor

Thomas Riebel ist Digitaldruckpionier der ersten Stunde. Seit 1994 ist er in der grafischen Industrie tätig – bei verschiedenen Her­stellern von Digitaldruck­systemen in internationalen Vertriebs- und Marketingpositionen.

thomas.riebel@agfa.com

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