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Die digitale Transformation muss im Kopf des Chefs beginnen!

Trotz wachsender Dominanz der Grossen mit ihren Druckfabriken sieht Bernd Zipper für kleine Druckdienstleister gute Chancen im Online-Geschäft. Dies vor allem mit pfiffigen, kundenorientierten B2B-Portalen.

PUBLISHER: Sie haben am letzten Online Print Symposium interessante, ja fast alarmierende Zahlen und Prognosen vorgestellt: Der extreme Preisdruck hält an und bis 2020 sollen die grossen Druckfabriken 50 Prozent Anteil am gesamten Druckvolumen haben. Kommen die Kleinen jetzt definitiv unter die Räder?

Bernd Zipper: Das sind in der Tat unsere Prognosen. Unsere Erhebungen zeigen, dass bei den Open-Shops die grossen Anbieter jährlich 10% wachsen, kleinere Anbieter jedoch nur um rund vier Prozent: Jedoch legen die Closed-Shops – auf den einzelnen Kunden massgeschneiderte Portale – mit knapp 14 Prozent am stärksten zu. Wir sehen somit bei kleinen, pfiffigen B2B-Portalen sehr gute Wachstumschancen, speziell für kleinere Druckdienstleister.

Aber auch hier werden die Druck­fabriken einen markanten Preisvorteil haben. Und man sieht, wie die jetzt versuchen, diese Märkte an sich zu reissen.

Sicher, es dreht sich immer alles um den Preis oder besser die Kosten. Man muss dabei jedoch den ganzen Prozess betrachten – da sind die reinen Druckkosten nicht der allein entscheidende Faktor. Die ganzen Handlingkosten inklusive Logistik fallen viel mehr ins Gewicht. Wenn man E-Business Print gescheit betreibt, lässt sich für die Unternehmen enorm viel einsparen. Das ist der springende Punkt.

Und warum sollen das die Kleinen besser können? Die Grossen sind doch im Optimieren von Prozessen die Weltmeister.

Es geht um die Anbindung an die Prozesse der Kunden. Die kann man nicht immer standardisieren – da sind die Kleinen einfach näher dran. Sie betreiben das Geschäft mit mehr Herzblut und erreichen eine grössere Betreuungstiefe. Sie kennen ihre Kunden seit Jahren und können proaktiv mitdenken, um solche schlanke Drucksachen-Prozesse zu entwickeln.

Tönt gut – und wie soll ein kleiner Akzidenzdrucker vorgehen, um diese Vorteile auszuspielen?

Es geht um E-Business, das heisst darum, bestehende Abläufe und Dienstleistungen online abzubilden. Diese digitale Transformation ist die grosse Herausforderung für die kleinen Druckdienstleister, die in diesem Bereich oft noch kaum Erfahrungen haben.

Hier haben die grossen Portale tatsächlich einen entscheidenden Vorsprung. Um vorwärtszukommen, muss man die digitale Transformation zuerst einmal selber im eigenen Betrieb leben. Dies verlangt meist tiefe Einschnitte bezüglich der Firmenkultur.

Und da hapert es wohl noch da und dort …

Und wie! Ich komme immer wieder in Betriebe und denke: Bin ich hier im Mittelalter gelandet? Es herrscht oft ein verstaubtes Ambiente, das beileibe kein Umfeld für eine erfolgreiche digitale Transformation ist.

Wenn man das mal erkannt und den Betrieb entstaubt hat, wie geht man weiter vor?

Um sie leben zu können, muss die digitale Transformation im Kopf stattfinden – zuerst im Kopf des Chefs und dann bei allen andern in der Firma. Die erste Frage lautet dabei: «Was können wir in unserem Betrieb sinnvoll digitalisieren.» Die zweite Frage für den Chef muss dann aber auch lauten: «Was muss ich an mir ändern.» Man muss da wirklich raus aus der Komfortzone!

Was wären mögliche Antworten?

Jeder Mitarbeiter soll eine digitale Identität haben. Der Arbeitstag be­ginnt nicht mehr an der Stechuhr, sondern mit digitalem Einchecken. Wissen soll intern geteilt werden, zum Beispiel über ein Unternehmens-Wiki. Ein Infoscreen zeigt aktuelle Informationen und begrüsst Kunden.

In einem nächsten Schritt kann man sich nach aussen wenden, beispielsweise mit einem Facebook-Auftritt des Unternehmens. Oder man peppt die Website auf, zum Beispiel mit einem Blog des Lehrlings. Diese Aufzählung liesse sich beliebig fortsetzen. Und natürlich soll dann bald einmal auch das erste Projekt mit einer Online-­Anbindung eines Kunden folgen.

Da sind die Patrons ganz schön ge­fordert!

Der Patron muss die Notwendigkeit der Transformation erkennen, aber nicht alles alleine stemmen. Er muss lernen, dass er Komplizen braucht – und nicht nur Mitarbeiter. Er soll diese einbinden und kann beispielsweise einen Ideen-Wettbewerb ausschreiben. Oder ein Tiger-Team innerhalb der Firma auf die Beine stellen, das den ganzen Prozess Step-by-Step vorantreibt.

Was es sicher braucht, ist die Bereitschaft, in dem durch das Internet angetriebenen Wettbewerb jeden Tag am Ball zu bleiben. Wenn der Patron das nicht will, muss er einen Ersatz oder einen Partner suchen. Denn eines ist sicher: Das mit den alten Geschäftsmodellen funktioniert schon heute nicht mehr!

Interview: Martin Spaar

Bernd Zipper

Bernd Zipper ist Berater, Dozent, Redner sowie Gründer und CEO der zipcon consulting GmbH in Essen. Seine Schwerpunkte sind E-Business Print, Web-to-Print, Online Print Shops und interdisziplinäre Medienprojekte. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater mit seinem Team aktiv die praktische Umsetzung. Bernd Zipper ist Autor des in Fach- und Entscheiderkreisen populären Blog-Magazins beyond-print.de sowie Mitinitiant des Online Print Symposiums.

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