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Editorial

Noch keine Monopolisten-Dividende für Adobe

Am 2. Dezember konnte Adobe das Vorliegen sämtlicher Bewilligungen zur Fusion vermelden und damit die Übernahme von Macromedia definitiv vollziehen. Da stellt sich natürlich die Frage, ob wir Publishing-Anwender nun nicht auf Gedeih und Verderb einem einzigen Anbieter ausgeliefert sind.

Diese Gefahr ist langfristig sicher da, im Moment ist Adobe jedoch noch weit davon entfernt, sich zurücklehnen und eine Monopolisten-Dividende einstreichen zu können. Im Gegenteil: Im nächsten Jahr dürfte Adobe von der Konkurrenz so hart bedrängt werden wie schon lange nicht mehr.

Da ist zuerst einmal Microsoft mit dem neuen Betriebssystem Windows Vista. Mit diesem wird ein neues Grafikmodell kommen, auf dessen Basis Microsoft einen neuen Standard für Rich Content einführen und damit direkt PDF und Flash konkurrenzieren wird. Die Druckersprache Metro, das Grafikwerkzeug Acrylic sowie die Web- und Applikationsentwicklertools Quartz Web Designer und Sparkle Interactive Designer werfen jetzt schon dunkle Schatten auf Adobes Wachstumspfad.

Dazu kommt noch ein Office 12, das erstmals mit reinen Bordmitteln PDF-Dokumente erzeugen wird. Dies ist keinesfalls als Kniefall vor dem etablierten Standard zu verstehen, wie Microsoft das schon fast heuchlerisch selbst darstellt. Hier geht es wohl eher um eine Umarmung mit dem innigen Charme eines Schraubstocks, frei nach dem Motto «if you can't beat them, embrace them». Da wird es für Adobe schwieriger werden, die Umsätze zu halten und die Unternehmen weiterhin davon zu überzeugen, für jeden Arbeitsplatz eine Acrobat-Lizenz zu erwerben.

Und auch auf dem ureigensten Feld der Publishing-Applikationen droht Adobe Ungemach. Da überrascht Apple nun mit einer Bildbearbeitungssoftware für Profifotografen (siehe Seite 56), die einen ganz neuen Ansatz zeigt und Photoshop in dieser Disziplin ziemlich alt aussehen lässt. Wenn das Beispiel Schule macht, stehen für Adobe die auf ewig sicher gebuchten Umsätze mit der Bildbearbeitungs-Milchkuh plötzlich auf wackligen Beinen.

Und dann ist da noch – oder besser gesagt: wieder – Quark! Von vielen schon abgeschrieben, meldet sich der Layout-Erzrivale mit QuarkXPress 7 auf eindrückliche Weise zurück (siehe Seite 23). Da werden nicht nur alle bis jetzt schmerzlich vermissten Funktionen auf einen Schlag nachgereicht, sondern es wird tüchtig eins draufgesetzt, sodass Adobe mit InDesign plötzlich wieder in Zugzwang steht.

Das sind alles in allem keine so schlechten Perspektiven für uns Anwender. Die harte Konkurrenz wird die Innovation im Bereich der Publishing-Software weiterhin rasch vorantreiben. Dass dieser Konkurrenzkampf auf dem Buckel der Anwender ausgetragen wird, zum Beispiel indem die Anbieter ihre Technologien durch bewusste Inkompatibilitäten voneinander abschotten, steht kaum zu befürchten. Dazu sitzt allen hier erwähnten Firmen die Angst vor der Opensource-Bewegung zu stark im Nacken. Man ist vorerst mal froh, wenn man das Modell der durch Aktivierung geschützten Software durchsetzen kann. Die Anwender wie in der Vergangenheit durch bewusste Inkompatibilitäten zu nerven, liegt da nicht mehr drin.

 

Martin Spaar

 

 

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