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CS 5.5: Halbe Nummer mit doppelter Weichenstellung

Editorial

Mit Erscheinen dieses Heftes hat Adobe die Creative Suite 5.5 vorgestellt (siehe Seite 7). Das ist zwar nur eine halbe Nummer, mit der zum Beispiel Photoshop gar keine Neuerung erfährt. Und doch markiert dieses Update einen wichtigen Meilenstein: Adobe hat hier die Weichen in zweierlei Hinsicht neu gestellt!

Dies betrifft erstens die Datenformate: Dreamweaver wurde auf HTML5 getrimmt und InDesign wurde fürs Tablet-Publishing fit gemacht, indem es jetzt das neue Format .folio für digitale Magazine ausgibt. Gar nichts hat sich dagegen bei PDF und Acrobat X getan, das nun auch Teil der Creative Suite ist. Publishing-Profis können das getrost als reines Office-Update abhaken.

HTML5 und .folio präsentieren sich somit als die neuen Stars am Publishing-Himmel und es stellt sich die Frage, was dies für PDF und Flash bedeutet. Bezüglich letzterem möchte ich keine Prognose wagen. Dagegen bin ich mir sicher, dass PDF im Publishing noch sehr lange ein zentrale Rolle spielen wird. Dies zeigt schon der Umstand, dass sich auch das neue .folio-Format beim Darstellen der einzelnen Seiten eines digitalen Magazins auf PDF stützt. Es gibt bis heute schlichtweg keine Alternative zu PDF, wenn es um die qualitative hochwertige Darstellung von Seiten mit fix definiertem Layout geht.

Mit dem Erscheinen von .folio wird also PDF nicht obsolet, aber es tritt ein Glied zurück. Es ist nicht mehr selbst der universelle Container, der alle Formate von Text und Bild über Videos bis zu Animationen transportiert, sondern es gibt diese Rolle an .folio ab. Dieses kann anders als PDF damit auftrumpfen, dass es ein modernes, das heisst ganz XML-basiertes Dateiformat ist. Eine .folio-Datei ist nach dem selben Prinzip als ZIP-Archiv organisiert wie die aktuellen Office-Formate sowie XPS von Microsoft. In diesem Archiv sind bei .folio alle nötigen Ressourcen wie PNGs oder PDFs zur Darstellung der Seiten sowie «Overlay-Ressourcen» wie 3D-Grafiken, Videos etc. in Unterordnern verpackt. Das Zusammenspiel dieser Strukturen und Objekte zu einem digitalen Magazin wird über XML definiert. Darstellen lässt sich ein solcher aus InDesign exportierter «.folio-Container» mit dem Adobe Content Viewer. Das ganze erinnert also vom Konzept her stark an PDF.

Ganz anders als bei PDF – und das ist die zweite neue Weichenstellung, welche Adobe mit der CS 5.5 vollzieht – verhält es sich mit dem Publizieren dieser digitalen Magazine. Um auf ein Tablet zu gelangen, müssen diese den Weg in die entsprechenden Stores finden, also zu Apps «gebacken» werden. Dafür stellt Adobe nun nicht eine käufliche Software zur Verfügung, sondern in Form der Digital Publishing Suite einen Service, der monatlich über 350 Euro kostet!

Heisst das nun, dass wir Publishing-Profis künftig ganz dem Monopolisten ausgeliefert sind und gnadenlos gemolken werden? Im Moment scheint Adobe die allgemeine Tablet-Goldgräberstimmung tatsächlich zu nutzen, um ordentlich abzuschöpfen. Längerfristig sehe ich aber nur eine geringe Gefahr, dass Adobe sich auf einem Monopol ausruhen könnte. Denn auch hier spielt die Analogie zur PDF-Story: Das neue .folio ist ein offener Standard und es dürften zur Erstellung von Apps schon bald Tools von anderen Anbietern geben, wie es heute unzählige Acrobat-Alternativen gibt. Dies wird die Preise ins Rutschen bringen respektive Adobe dazu zwingen, für den höheren Preis auch wirklich mehr zu bieten.

 

 

 

Martin Spaar

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