Dossiers >> InDesign >> Fachartikel >> Gepflegte Typo bis ins kleinste Detail
Artikel als PDF

Gepflegte Typo bis ins kleinste Detail

Wer ist heutzutage noch gewillt, Zeit in typografische Feinarbeit zu investieren, wenn es um die Erstellung von Print­dokumenten geht? Lesen Sie in diesem Artikel, dass gepflegte Mikrotypografie mit InDesign kaum Mehraufwand bedeutet, wenn man es gekonnt angeht.

Beat Kipfer Wir alle schätzen eine gute Qualität bei all den Produkten, mit denen wir im Alltag zu tun haben. Daher leuchtet es überhaupt nicht ein, wieso gerade bei der Gestaltung von Drucksachen auf die Pflege der Details verzichtet werden soll, welche einen überzeugenden Gesamteindruck ausmachen. Die Zukunft von Print liegt nicht zuletzt im hohen Qualitäts­segment; dieses verlangt gutes Bildmaterial, aber eben auch Top-Typo.

Mikrotypografische Qualität

Adobe InDesign bietet Werkzeuge und Optionen für alle, die gute Gestaltungsqualität schätzen. Um diese optimal einzusetzen, ist Know-how und etwas Achtsamkeit notwendig. Der Mehraufwand hält sich in Grenzen und zahlt sich in Form von typografisch überzeugenden Produkten aus.

Im Folgenden gehe ich auf mikro­typografische Details und Finessen ein, welche für einen guten Gesamteindruck des Produkts unabdingbar sind.

Korrekte Anführungszeichen

Die sprachspezifischen Anführungs- und Schlusszeichen sind unter Voreinstellungen > Wörterbuch ersichtlich. DieseZeichen werden beim Schreiben der Tastenkombination Shift-2 automatisch richtig eingesetzt, wenn die zutreffende Sprache gewählt wurde (Absatzformat > Erweiterte Zeichenformate).

Werden Word-Dokumente platziert, erscheinen andersartige Anführungs- und Schlusszeichen, welche oft nicht unseren Wünschen entsprechen. Immerhin gibt es dabei einen Unterschied zwischen den Anführungs- und den Schlusszeichen, sodass sie mit Suchen/Ersetzen problemlos ausgewechselt werden können (unter Ändern in im Suchdialog einfach Gänsefüss­chen mit Shift-2 einsetzen).

Eingabe des Apostrophs

Im selben Voreinstellungendialog wird auch die Art der einfachen Anführungszeichen definiert. Dies bewirkt bei Verwendung von Deutsch: Schweiz 2006 Rechtschreibreform, dass bei der Eingabe eines Apostrophs automatisch ein einfaches Guillemet erscheint. Tipp: Entgegen der Standardeinstellung das oberste Zeichenpaar auswählen (1).

Nicht viel besser ergeht es den Anwendern von Deutsch: 2006 Rechtschreibreform: Mit den Standardeinstellungen zeigt der Apostroph nach oben statt nach unten. Abhilfe schafft ebenfalls die Definition gemäss (1).

Generell gilt: Sie haben entweder den Apostroph oder das einfache Anführungszeichen auf der Tastatur; beides gleichzeitig geht nicht (ausser auf dem Mac: Shift-Option-! ergibt den richtigen Apostroph). Bei obiger Einstellung geben wir dem Apostroph den Vorzug. Sollen trotzdem einfache Anführungszeichen gesetzt werden (2), bleibt einzig das Einfügen über Schrift > Glyphen.

Einige Arten von sprachabhängigen Anführungs- und Schlusszeichen sehen Sie in (3). Speziell sind die »umgekehrten« Guillemets, welche für Werksatz in Deutschland und Österreich beliebt sind. Unter Doppelte Anführungszeichen stehen auch diese bei Bedarf als Voreinstellung zur Verfügung.

Kerning: optisch oder metrisch?

Ein wesentlicher Unterschied zwischen InDesign und einem herkömmlichen Textverarbeitungsprogramm liegt in der Pflege der Zeichenabstände. Mit der Kerning-Standardeinstellung Metrischwertet InDesign die in professionellen Fonts hinterlegten Kerning-Paare aus. Was heisst das? Ein Font ist nicht nur eine Ansammlung von Zeichen, sondern er enthält für sehr viele typische Zeichenfolgen die passenden Unterschneidungswerte. Bei der Zeichenfolge «Te» werden in der hier verwendeten Schrift beispielsweise 51 Einheiten unterschnitten. Damit verringert sich der Abstand zwischen diesen beiden Buchstaben automatisch.

Nebst Metrisch steht die Option Optisch zur Auswahl. Was ist der Unterschied? Bei der optischen Variante bestimmt eine InDesign-Funktion anstelle der Font-Kerningtabelle die Zeichenabstände. Dabei wird auch die Schriftgrösse berücksichtigt. Um eine optische Übereinstimmung der Laufweite einer Schrift in unterschiedlichen Grössen zu erreichen, muss – je grösser der angewandte Schriftgrad ist – umso mehr unterschnitten werden. So kann es absolut vorkommen, dass eine Zeile in einem kleinen Schriftgrad (beispielsweise in 8 pt) mit optischem Kerning etwas breiter läuft als mit der metrischen Variante. Der gleiche Text als 48-pt-Titel verhält sich umgekehrt: Hier bewirkt die optische Variante etwas engere Zeichenabstände (4). Der Unterschied hängt auch sehr von der Qualität des Fonts ab: Professionelle Fonts weisen eine gepflegte Kerningtabelle auf, wogegen «Billigfonts» mit dem metrischen Kerning immer noch schlecht aussehen, da sie zu wenig Unterschneidungsinformationen liefern. Tipp: Generell Optisch verwenden, ausser bei Zahlentabellen (und zur Erstellung professioneller Dokumente keine Billig- oder Gratisfonts verwenden).

Leerräume korrekt angewandt

Im Schrift-Menü finden Sie die Funktion Leerraum einfügen. Dort stehen vom Geviert bis zum 1/24-Geviert die unterschiedlichsten Werte für Wort- oder Zeichenabstände zur Verfügung. Zur Erreichung einer gepflegten Typografie ist die Verwendung der jeweils passenden Abstände ein Muss.

In (5) sehen Sie einige typische Beispiele. Ein normaler Wortzwischenraum wäre überall zu gross. Was zusammengehört, bleibt mit diesen Leerräumen auch zusammen: Im Gegensatz zum gewöhnlichen Wortabstand sind die gezeigten Begriffe untrennbar verbunden. Der ganze Begriff steht somit immer auf der gleichen Zeile. Dies gilt ebenfalls für die Verwendung des geschützten Leerzeichens; dieses ist gleich breit wie ein normales Leerzeichen, wird aber nicht getrennt.

Verwenden passender Ziffern

Je nach Kontext passen nicht immer die gleichen Ziffern. Versalziffern für eine Jahreszahl in einem klassischen Lauftext würden zu stark herausstechen. Proportionale Mediävalziffern für Zahlenkolonnen in einem Jahresbericht wären genauso unpassend.

Aus diesem Grund nehmen die Schriftentwerfer die Mühe auf sich, alle Zahlen in vier Versionen zu zeichnen (6). Die Voraussetzung dazu bieten heute übliche OpenType-Fonttechnologien, in denen zwei Bytes pro Zeichen zur Verfügung stehen. Dies erlaubt es, in einen Zeichensatz 216, also über 65 000 Zeichen, unterzubringen. Ältere Fonts wiesen höchstens 256 Zeichen auf, mehrere Zahlenreihen waren deshalb aus Platzmangel nicht möglich.

Die Ziffern für Tabellen weisen eine einheitliche Breite (Dickte) auf. Bei proportionalen Ziffern kann jede Zahl eine individuelle Breite aufweisen. Dies gibt bei Verwendung im Lauftext ein wesentlich schöneres Satzbild. Typisch dafür ist die «schmale Eins»: Die Ziffer «1» darf bei Verwendung ausserhalb von Tabellen nicht gleich breit sein wie die anderen Ziffern (7). Wählen Sie die passende Ziffernart im Absatzformat unter OpenType-Funktionen (8).

Brüche, nicht Bruch!

Bei Bruchziffern ist wichtig, dass diese nicht über die Versalhöhe und unter die Grundlinie der Zeile herausragen. Die Grösse der hoch- und tiefgestellten Ziffern beträgt in der Regel rund 60% der Originalgrösse.

Die Verwendung aktueller Open-Type-Fonts bietet auch für Brüche eine komfortable und typografisch einwandfreie Funktion: Schreiben Sie den Bruch und markieren Sie diesen wie in (9) dargestellt. In den Optionen der Steuerungspalette (ganz oben rechts) finden Sie unter OpenType die Funktion Brüche. Verwenden Sie diese und der Bruch ist perfekt formatiert (10). Detail: Der mit Shift-7 geschriebene Schrägstrich wird durch einen echten Bruchstrich ersetzt. Nicht alle Zahlenkombinationen werden bei allen Fonts in korrekte Brüche umgewandelt. Sollte es nicht funktionieren, erstellen Sie den Bruch mit den Symbolen für Hochgestellt (Zähler) beziehungsweise Tiefgestellt (Nenner). Beachten Sie dabei die Voreinstellungen für Grösse und Position dieser Zeichen (11). Dabei muss der Bruchstrich selbst erfasst werden: Am besten verwenden Sie dazu die Glyphenpalette im Schriftmenu (Ein­blenden: Mathematische Symbole).

Echte Kapitälchen

Bei klassisch gestalteten Printprodukten (Bücher usw.) sind Kapitälchen immer noch eine beliebte Auszeichnungsart. Beachten Sie dabei, dass der verwendete Font echte Kapitälchen aufweist. Nur so stimmt die Strichstärke mit derjenigen des restlichen Textes überein. Andernfalls werden einfach die Grossbuchstaben verkleinert; dabei nimmt die Strichstärke proportional zur Verkleinerung ab (12). Ob der von Ihnen verwendete Font echte Kapitälchen aufweist, sehen Sie im Glyphenfenster, wenn Sie Ein­blenden: Kapitälchen wählen (13).

Abstand bei Interpunktionen

Haben Sie mit französischem Text zu tun? Dann ist Ihnen bestimmt schon aufgefallen, dass in diesem Sprachraum Abstände bei den Interpunktionen erwünscht sind (14). Dazu ist aber ein Wortabstand zu gross. Zudem bestünde das Risiko, dass das Satzzeichen allein auf die nächste Zeile umbrochen würde.

Anstatt diese Abstände manuell einzusetzen, empfiehlt sich die Einbindung eines GREP-Stils. Dazu wird vorerst ein Zeichenformat angelegt, welches einzig den Laufweitenwert enthält (15). Mit Neuer GREP-Stil im Absatzformat des Textes erstellen Sie zwei Stile mit dem vorhin erstellten Zeichenformat und der exakten Zeichenfolge gemäss (16). Der erste Stil bewirkt das Anspationieren eines Zeichens, wenn darauffolgend eines der Satzzeichen folgt, welches den Abstand erfordert (beliebiges Zeichen suchen, positives Lookahead). Der zweite Stil ergibt den Abstand nach dem Anführungszeichen.

Fazit

Die typografische Qualität Ihrer Dokumente verbessert sich markant, wenn Sie die hier gezeigten Features beachten. Für hochwertige Print­produkte lohnt sich der Aufwand auf jeden Fall.

Zeichen setzen!

Das neue Buch «Zeichen setzen!» von Ralf Turtschi ist ein nützliches Nachschlagewerk bei Fragen rund um die Mikrotypografie. Thema ist die typografisch korrekte Verwendung all jener Zeichen, die im täglichen Gebrauch zu Unsicherheiten führen: Anführungszeichen, Apostroph, Malzeichen usw.

www.publisher.ch/shop oder www.zeichen-setzen.ch

GREP & Co.

Dieser Artikel geht nur oberflächlich auf die Verwendung von GREP-­Stilen ein. Wenn Sie mehr über die Verwendung dieser sehr hilfreichen Technik erfahren möchten, empfiehlt sich das Buch «InDesign automa­tisieren» von Gregor Fellenz.

publisher.ch/shop oder dpunkt.de

Der Autor

Beat Kipfer, Ausbilder FA, PubliCollege GmbH,3400 BurgdorfKurse und Seminare, Firmenschulungen und Supportfür Publishing und Prepress; Fachlehrer und Kursleiter an den Schulen für Gestaltung in Aarau, Bern und Zürich. www.publicollege.ch
Artikel als PDF