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Innovation in der dritten Dimension

Gebäudebeschriftungen prägen das Bild besiedelter Landschaften – doch besteht jenseits von grellen Farben und geometrischen Flächen die Möglichkeit, eine ruhige und harmonische Gesamtwirkung zu erzeugen? Wir müssen nicht lauter schreien, sondern etwas leiser und angenehmer kommunizieren.

KATRIN KOCH In den frühen zwanziger Jahren entdeckten die Amerikaner in ihren Ford T-Modellen die Strassen und das weite Land. Wenig später folgten Manufakturen und Händler, welche sich entlang dieser Routen niederliessen. Dies bot Meile für Meile Platz für Werbung. Da ein Überangebot an Raum vorhanden war, wurde auch beim Format der Plakate nicht gespart. Bald säumten grossformatige Billboards die wichtigen Strassen. Egal ob als Wegweiser zum nächsten Einkaufsparadies, als Kinowerbung, Wahlkampfplakat oder Dankeschön an heimgekehrte Soldaten: nichts, das sich nicht übergross am Wegrand wiederfand.

Werbung und Architektur

Unumstritten ist das Thema Aussenwerbung nicht: Die Werbelegende David Ogilvy schrieb 1983: «The world would be a safer, prettier place without billboards.» Die Welt wäre ohne Werbetafeln ein sicherer und hübscherer Ort – Billboards lenken im Strassenverkehr ab und dominieren die Landschaft.

In diesen Billboards, Reklametafeln, aus dem letzten Jahrhundert liegt wohl der Anfang der dreidimensionalen Werbetechnik. Am extremen Beispiel von Las Vegas zeigt sich, wie Stadtlandschaften aus Plakatwänden und uramerikanische Technicolor-Ästhetik zum Markenzeichen einer Metropole und Kultur werden können. Robert Venturi und seine Frau Denise Scott Brown waren die Ersten, die eine Stadt als Zeichensystem begriffen. Im Fotoband «Learning from Las Vegas» von 1972 suchten sie die Antwort darauf, was eine gute Stadt ausmacht – eine lebendige, pulsierende Stadt abseits von durchgeplanten Vorstädten und schnurgeraden Strassen der Nachkriegszeit.

«Mit markanter Architektur Zeichen zu setzen oder Logos zu realisieren, die ein hohes Erinnerungspotenzial beim breiten Publikum haben, ist in der globalisierten Welt zu einer Kernaufgabe von Architektur überhaupt geworden», so Stanislaus von Moos, emeritierter Professor für Kunstgeschichte der Universität Zürich, in Das Magazin 2008-48. Architekten und Planer könnten nicht ignorieren, dass die Faszination der Reklame zum Architekturthema wird und müssten somit lernen, damit produktiv umzugehen.

Auch für die Werbetechnik ist es wichtig, die zu beschriftenden Elemente in einen Kontext zum Gebäude zu bringen. So kann gewährleistet werden, dass Gebäude und Beschriftung eine einheitliche und ruhige Wirkung erzeugen und dennoch grosses Erinnerungspotenzial aufweisen.

Stadtmarketing durch Qualitätsarchitektur

Öffentlicher Raum ist kostbar. Tragen Plakate und Gebäudebeschriftungen zu einer Belebung dieses Raumes bei oder stellen sie eine Entstellung dessen dar? Korrespondieren Beschriftungskonzepte mit den entsprechenden Gebäuden? All diese Elemente müssen als stadtgestaltend betrachtet werden. «Würden wir nicht ordnend eingreifen, wäre bald alles mit Werbung besetzt und zugestellt. Die Folge: Charme dahin, Ausstrahlung null», so Kathrin Martelli, Zürcher Stadträtin und Vorsteherin des Hochbauamtes im Gesamtkonzept Aussenwerbung der Stadt Zürich. Gerade in einer Stadt wie Zürich, wo Werbefläche sehr begehrt ist, und Geschäfte mit viel Licht und grossen Beschriftungen um Kundschaft buhlen, muss das Gleichgewicht von Bauten und deren Umgebung sicher-gestellt werden. Der Strassenbereich darf um der Qualität willen nicht übermässig beworben werden. Gewisse Tendenzen machen sich bemerkbar: Es werden in der Stadt Zürich keine neuen flächigen Leuchtelemente mehr zugelassen. Punktuelle Leuchtschriften auf Basis neuartiger Lichttechnologie wie LED sind hingegen weiterhin erlaubt.

Welche Faktoren beachten?

Die Ästhetik von Leuchtschriften spielt eine grosse Rolle. Tag- und Nachtwirkung müssen harmonisch sein. Nahtlose Verarbeitung, eine verdeckte Montage ohne sichtbare Montageelemente wie Schrauben und Halterungen sowie eine gleichbleibende Qualität der Farben in beleuchtetem und unbeleuchtetem Zustand gehören zu den Ansprüchen. Daneben zählen auch Faktoren wie extreme Beständigkeit, Wertigkeit, Haptik und Optik. Durch die dreidimensionale Grafik kann das Auge des Betrachters bewusster geführt werden. In Einkaufszentren und anderen öffentlichen Gebäuden kann mit solchen Elementen eine zweite Wahrnehmungsebene geschaffen werden. Wichtig dabei ist die Benutzerfreundlichkeit durch geeignete Proportionen, Zeichen, Typografie und Materialwahl.

Wie kann ein Unternehmen seine Marke umsetzen und im Bewusstsein des Zielpublikums nachhaltig verankern? Grosse Dimensionen und knallige Farben bewirken nicht den Eindruck von Qualität. Dies wird unter anderem bei Schildertürmen vor grossen Einkaufszentren sichtbar: penetrant, farbig, unästhetisch. Das Problem liegt oftmals auch darin, dass jeder Mieter möglichst präsent sein möchte und dies mit Grösse und Leuchtkraft gleichgestellt wird. Die vielen Logos lassen sich kaum auf eine Linie bringen. Sollte nicht das Gebäude und das damit verbundene Einkaufserlebnis im Vordergrund stehen?

Als Vorbild für konsumorientierte Signaletik dient beispielsweise die britische Warenhauskette Tesco. Hier wird deutlich, dass bei der Umsetzung die Frage, wie das Unternehmen mit dem Kunden kommuniziert, mit einbezogen wurde. Das klare Beschriftungskonzept beinhaltet beispielsweise Sicherheitszonen, wo Kunden ihr Auto mit Einkäufen beladen können, statt diese durchs dunkle Parkhaus karren zu müssen. Die Beschriftung geht strukturell sauber in die Architektur über.

Auch in skandinavischen Ländern wirkt die Gebäudesignaletik meist sehr aufgeräumt und durchdacht. Spanien und Italien nutzen öffentliche Räume anders, werten diese mit Cafés auf. Was die Gestaltung des Öffentlichen Raums in Deutschland betrifft, so können wir uns wenig abschauen, vieles wirkt ungeplant und willkürlich ergänzt.

Die Schweiz zeigt im Vergleich mit anderen europäischen Ländern Qualitätsbewusstsein. Hier ist man offen für neue Lösungen. Verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten werden ausprobiert. Neue Technologien, wie beispielsweise mit LED hinterleuchtete Schriften, kommen vermehrt zum Zug, wenn auch die Initialkosten höher sind alsbei herkömmlichen Fluoreszenzröhren.

Vorbildrolle

Die beiden Detailhandelsunternehmen Migros und Coop haben in der Schweiz eine wichtige Rolle als Vorbild für Signaletik inne. Am Beispiel des erstgenannten soll aufgezeigt werden, wie eine Marke sympathisch sein kann. Diese Aufgabe stellte sich das Designbüro Formpol in Zusammenarbeit mit Wirz Corporate, welche für die neue Corporate Identity der Migros verantwortlich ist. Im Vordergrund stand die Ausrüstung aller Filialen mit einem neuen, einheitlichen und attraktiven Kennzeichnungssystem.

In diesem Entwicklungsprozess, welcher von der Initiierung bis zur ersten seriellen Umsetzung rund zwei Jahre beanspruchte, wurde die Übersetzung der Marke in die dritte Dimension genau definiert. Ob mit oder ohne Licht, die Umsetzung von Farbe, die Materialisierung und die Typografie – das Resultat sollte einen «konsumigen» Charakter aufweisen. Eine klare Positionierung jenseits der marktschreierischen Auftritte von Aldi und Pick&Pay, trotzdem in der Migrosfarbe Orange. Diese wirkt im Zusammenspiel mit dem verwendeten Weiss frisch, aber nicht billig, zeigt sich volksnah und betont den Qualitätsanspruch. Die dreidimensionalen Schriften wirken freundlich und weich, ohne verspielt zu sein. Die Innovation: tiefgezogene Buchstaben aus spezifisch eingefärbtem Perspex (ein glasklarer Kunststoff aus Polymethylmethacrylat) mit LED-Beleuchtung. Zur Verminderung der Lichtverschmutzung können die Leuchtelemente mit Dimmern ausgerüstet werden.

Für die serielle Fertigung wurden drei Stufen der Lesedistanz berücksichtigt: Touch Point oder Nahwirkung. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf einer hohen Qualität und einer sehr sauberen Verarbeitung. Mittelwirkung wird mit Elementen über den Eingängen erzeugt. Die Fernwirkung üben grosse, meist auf den Dächern montierte Leuchtschriften aus. Beschriftungselemente mit einer Ausdehnung von über fünf Metern Breite werden individuell dem Gebäude angepasst, damit diese ideal miteinander korrespondieren. Ein gutes Beispiel dafür ist der Migros-Hauptsitz am Zürcher Limmatplatz. Dass der grösste Schweizer Detaillist nun auch nach aussen sympathisch wirkt, ist nicht zuletzt auf die Kennzeichnung der Gebäude und Filialen zurückzuführen.

Bei der Umsetzung legt der orange Riese treu seinen Grundsätzen Wert auf ökologische Aspekte. Für die Fertigung ist die Litex AG zuständig, die Montage wird jedoch durch lokale Firmen gelöst – obwohl dadurch unterschiedliche Arten der Montage und Platzierung hingenommen werden müssen. Einige Filialen der Migros-Genossenschaft lösen die Beschriftung noch immer lokal. Dies ermöglicht es Werbetechnikern, im Rahmen des Corporate Designs aktiv zu werden.

Ganzheitliche Umsetzung

Michael Krohn, Partner von Formpol und für die Umsetzung des Migros-CI zuständig, über seine Aufgabe als Designer: «Ein Designer muss alles wahrnehmen; die kulturelle Identität eines Gebäudes, die Ansprüche von Inhaber und Nutzer, die auseinanderstrebenden Pole Kommerz und Information. Letztendlich trägt er Verantwortung für den Stadtraum.» Aus diesen Ansprüchen heraus gilt es, innovative Ideen entlang der Grenzen von Richtlinien zur Nutzung des öffentlichen Raumes zu entwickeln. Auf Widerstand treffe er bei seiner Arbeit vor allem noch, wenn es um Kosten für neue Technologien geht. Stattdessen sollte die Nachhaltigkeit stärker in Betracht gezogen werden. Die Arbeit wird erleichtert, wenn Signaletik-Fachkräfte schon in den Planungsprozess von Gebäuden miteinbezogen werden und nicht erst in der Ausgestaltung des Gebäudes zum Zuge kommen. Durch bauliche Massnahmen sind intelligente Lösungen zur Kundenführung möglich, sodass Beschriftungselemente sparsamer eingesetzt werden können. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass Fachleute, ob Werbetechniker oder Personen mit Signaletik-Weiterbildung, den späteren Kunden gegenüber dem Bauherren vertreten, womit die Ansprüche nach einfachen Wegen und einem klaren Leitsystem von Anfang an berücksichtigt werden. Bei der gemeinsamen Planung entsteht eine Einheit zwischen Innen- und Aussensignaletik und der Architektur.

Die Begegnung des Kunden und der Mitarbeiter angenehm zu gestalten, lautet das Credo. Innovative Systeme mit multimedialen und interaktiven Elementen weisen in diese Richtung. Für die Werbetechnik zeigen sich interessante Möglichkeiten mit interaktiven Beschriftungen beispielsweise in Shoppingzentren. Vermehrt gilt es dabei nicht nur Einkaufslandschaften, sondern auch angrenzende Arztpraxen, Schönheitssalons und Museen in das Beschriftungskonzept mit einzubeziehen. Michael Krohn ist davon überzeugt, dass ein Mietermix, welcher auch unkommerzielle Elemente wie eine Galerie enthält, zukunftsweisend sein wird.

Bewährte Materialien wirkungsvoll einsetzen

Abseits von Geschäftshäusern undErlebniszentren entwickeln sich Be-schriftungskonzepte in drei Hauptrichtungen: Grosse Medienfassaden mit riesigen Bildschirmen an Hauswänden, wie es in Japan und China bereits Usus ist. Projektionen wie die Beleuchtung von Fassaden oder gar diejenige des Matterhorns. Nicht zuletzt werden wirvermehrt Megaplakate zu sehen bekom-men. Zu erwähnen ist jenes mit einem Automodell, dessen Scheinwerfer sporadisch aufleuchteten. Die Beleuchtung ist hinter dem Megaplakat montiert.

Ob aus Aluminium, Edelstahl, Acryl oder PVC-Hartschaum, lackiert, eloxiert oder vergoldet, mit oder ohne Licht umgesetzt: Dreidimensionale Schriften und Logos sind Mittel, um die Identität zu prägen. Mit dekupierten Buchstaben, dreidimensionalen Schriften und Leuchtelementen kann die Werbetechnik Unternehmen optimal in der Öffentlichkeit präsentieren. Durch die bewusste Wahl von Farbe und Farbkombination, Lichttechnik, Montage-distanz, Grösse und Proportion kann der öffentliche Raum qualitativ genutzt werden – für Unternehmen genauso wie für potenzielle Kunden.

Mutige Innovationen

Formpol wurde 2001 als Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich gegründet und beschäftigt 6 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Designbüro ist stark in Produktentwicklung, konzipiert und gestaltet Räume und Informationen. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf Orientierungssystemen für Unternehmen und Organisationen, der Gebäudekennzeichnung und der Signaletik. Diese werden im Dialog mit allen Beteiligten der Architektur und den Bedürfnissen der Nutzer angepasst.

Der Geschäftsleiter Michael Krohn ist Designer und Professor an der Zürcher Hochschule der Künste. An der swiss publishing week wird er am Donnerstagnachmittag, 10. September, ein Referat zum Thema «3D in der Werbetechnik» halten.

 

Werbetechnik an der Swiss Publishing Week

In seinem Referat zum Thema «3D in der Werbetechnik» wird Michael Krohn Einblick in moderne Herstellungsverfahren geben und vielfältige Möglichkeiten aufzeigen, durch die dreidimensionale Formen effizient hergestellt werden können.

Zudem wird Philipp Jaggi das Thema «Large Format Printing» aufgreifen. Als Verantwortlicher für den Geschäftsbereich Werbetechnik bei Christinger Partner wird er die Entwicklung im Large Format Printing thematisieren und Veränderungen, die diese Technologie für die Werbetechnik hat, aufzeigen. Beispielsweise die Erschliessung von neuen Kundensegmenten im Corporate Decorating: Wo früher die Funktionalität von Beschriftungen im Vordergrund stand, können dank LFP Geschäftsfilialen flächig mit Tapeten zu Identitätsträgern umfunktioniert werden.

www.swiss-publishing-week.ch

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