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JPEG2000: Eine Bestandesaufnahme

Dateiformate

Mauerblümchen statt Thronfolger

Das Dateiformat JPEG2000 wurde vor vier Jahren eingeführt mit dem Anspruch, JPEG als Grafikformat abzulösen. In der Publishingbranche ist die Bilanz ernüchternd: Niemand interessiert sich für JPEG2000. Zu Recht?

DAVID LEE Neue Standards einführen ist so eine Sache. Selbst wenn die Neuerung offensichtlich Vorteile brächte, kann sie sich oft nicht durchsetzen, weil man den damit verbundenen Zusatzaufwand scheut. Das beste Beispiel hierfür ist die Tastatur, die wir benützen: Die Tasten wurden einst so angelegt, dass bei der Schreibmaschine möglichst kein «Verklemmen» der einzelnen Buchstaben entstand. Dies liess sich am besten erreichen, indem man eine Tastatur erfand, die schnelles Schreiben behindert.

Ähnlich ist es bei Dateiformaten in der Computerwelt. Das Bildformat PNG beispielsweise ist seit Jahren nur eine Randerscheinung, obschon es die Vorteile von JPEG und GIF in sich vereint. Und von JPEG2000 (Dateiendung jp2 oder j2k) hat man seit seiner Einführung im Jahr 2001 auch nicht mehr viel gehört. Wieso eigentlich?

Für den Anwender zu kompliziert

Der Anwender benützt JPEG2000 kaum, weil er an allen Fronten auf Probleme stösst. Softwareapplikationen behandeln das Format nach wie vor wie etwas Aussätziges. Photoshop CS2, InDesign CS2 sowie die gängigen Webbrowser bieten keine jp2-Unterstützung. Der Windows-Bildbetrachter IrfanView hat lizenztechnisch bedingte Limiten (mehr dazu weiter unten). Vorbildlich ist Apple: Die Vorschau öffnet und speichert jp2-Bilder anstandslos. Auch im Finder werden Voransichten der Bilder generiert. Photoshop kann die Bilder trotzdem auch auf dem Mac nicht öffnen. Immerhin gibt es für Photoshop Zusatzmodule, eines sogar kostenlos (www.fnordware.com). Kostenpflichtige Plug-ins gibt es bei LuraTech.

Auch für die Webbrowser gibt es kostenlose Plug-ins, aber kein Webdesigner verwendet ein Format, für das man zuerst ein Plug-in herunterladen muss, wenn praktisch dasselbe auch ohne erreicht werden kann. Für InDesign fehlen unseres Wissens Plug-ins.

Qualität ist abhängig vom Plug-in

Warum wird JPEG2000 von Softwareherstellern so stiefmütterlich behandelt? Ist der Nutzen im Vergleich zum Aufwand zu gering?

Die Qualität von JPEG2000 ist bei gleicher Dateigrösse gegenüber JPEG grundsätzlich im Vorteil. Gerne werden zwei Beispiele von sehr starker Komprimierung gegenübergestellt, wenn es darum geht, die Vorteile von JPEG2000 zu illustrieren. JPEG zerlegt die Bildteile in Klötze von 8×8 Pixeln. Bei minimaler Qualität bestehen diese Einheiten unter Umständen nur noch aus einem Farbton, wodurch Bildteile mit feinen Farbverläufen völlig verunstaltet werden. In der Praxis ist das jedoch irrelevant, da man kaum je mit Qualität 0 abspeichert. Interessanter ist das Verhalten bei niedrigen Verdichtungsraten. Bei höchster Qualitätsstufe sind weder in JPEG noch in JPEG2000 Störungen zu erkennen; JPEG2000 benötigt jedoch weniger Speicherplatz. Reduziert man die Qualität bei JPEG auf 75%, spart man zwar zwei Drittel Speicherplatz, doch machen sich hier bereits deutliche Artefakte bemerkbar. Hochinteressant ist, dass das JPEG2000, das mit dem kostenlosen Plug-in von fnord erstellt wurde, gegenüber JPEG kaum ein Gewinn ist, wohingegen mit dem Plug-in von LuraTech ein deutlich besseres JPEG2000 entsteht (siehe Abbildungen). Offensichtlich arbeiten die beiden Plug-ins mit verschiedenen Algorithmen – mit unübersehbaren Folgen.

Wo kann man JPEG2000 einsetzen?

Fürs Web ist der Nutzen für eine Umstellung auf JPEG2000 tatsächlich zu klein. Ob eine Datei nun 16 oder 20 KB gross ist, spielt bei den heutigen Übertragungsraten keine Rolle. Geschwindigkeitsmässig mehr ins Gewicht fällt der Nachteil von JPEG2000, dass der Browser viel länger braucht, um ein Bild anzuzeigen. Mozilla Firefox mit entsprechendem Plug-in lädt ein 2 MB grosses JPEG ab lokaler Harddisk ohne auffällige Verzögerung, rechnet dagegen im Fall von JPEG2000 auch auf einem Hochleistungsprozessor etwa 10–20 Sekunden.

Das alles spielt jedoch sowieso keine Rolle angesichts der Tatsache, dass von Webdesignern erwartet wird, Seiten herzustellen, die auch auf alten Browsern richtig dargestellt werden. Da sind so Kleinigkeiten, wie dass sich JPEG2000 nicht mit dem \-Tag in die Webseite einbinden lässt, gar nicht erwähnenswert.

Zur Platz sparenden Archivierung von Fotos wäre JPEG2000 dagegen sehr gut geeignet. Ein verlustfrei gespeichertes JPEG2000 braucht etwa 60% eines Tiffs mit LZW-Komprimierung und etwa 70% eines Tiffs mit ZIP-Komprimierung. Bei JPEG gibt es schon gar keine Möglichkeit, verlustfrei zu speichern. Allerdings ist beim jetzigen Stand ein effizienter Workflow mit dem neuen Format nicht ohne weiteres möglich. Digitalkameras können bis heute keine JPEG2000-Fotos speichern, was wohl mit den rechenintensiven Algorithmen des neueren Formats zu tun hat. Es ist also ein brauchbarer Batchkonverter notwendig, welcher RAW-Daten einlesen und JPEG2000 speichern kann. Denn von Haus aus verlustbehaftete JPEGs in verlustfreie JPEG2000 umzuwandeln, ergibt keinen Sinn. Die am Anfang des Artikels erwähnte Software IrfanView wäre ideal: Sie ist frei verfügbar, schnell, zuverlässig und bietet eine Batchkonvertierungsfunktion. Doch IrfanView speichert JPEG2000 nur bis 640×480 Pixel. Grund: Das Plug-in für JPEG2000 stammt von der Firma LuraTech, welche für den vollen Funktionsumfang 21,50 Euro verlangt. (Publisher-Abonnenten kriegen es gratis, siehe Kasten). Wie es um den RAW-Import von konkreten Digikameras steht, ist natürlich auch sehr wichtig, aber das konnten wir hier nicht testen.

Adobe kolonialisiert JPEG2000

Dass die Verwendung von JPEG2000 in der grafischen Branche nicht so recht vom Fleck kommt, hat auch mit der Strategie von Adobe zu tun, die darin besteht, das eigene Format PDF zu einem allumfassenden Universalformat zu machen und damit alle anderen Formate zu Randerscheinungen zu degradieren. Ein Bild, das als PDF gespeichert wird, lässt sich nämlich schon seit Acrobat 6 mit dem JPEG2000-Algorithmus komprimieren und in dieser Form von den Programmen der Creative Suite 1 problemlos verwenden. Photoshop CS2 ist nun auch in der Lage, PDFs mit einer JPEG2000-Komprimierung abzuspeichern. Einen direkten jp2-Import und -Export dagegen unterstützen die Adobe-Programme auch in der Creative Suite 2 nicht. Ein entsprechendes Plug-in für JPEG2000 hatte Adobe zwar schon für Photoshop 7 bereit, doch es gehörte nie zum Liefer­umfang. Das Plug-in war nicht einmal einzeln erhältlich, sondern nur im Paket mit dem Cameraraw-Plug-in. Mit anderen Worten: Die Technologie ist längst da, wird aber nur innerhalb von PDF zur Verfügung gestellt.

Immerhin ist PDF (bzw. PDP für die explizite Verwendung in Photoshop) je länger, je mehr eine wirklich gute Lösung auch für reine Bilddateien. Beim Speichern von PDF stehen einem in Photoshop CS2 die ganzen PDF-Einstellungen zur Verfügung, und diese können auch gespeichert werden. So bietet dieses Format nicht nur jedes wünschbare Feature, sondern es wird auch möglich, in einem Workflow sicherzustellen, dass die Files immer gleich erzeugt werden.

Ein Hinweis am Rande: Öffnet man ein Tiff direkt in Acrobat und erzeugt daraus ein PDF mit JPEG2000-Komprimierung, erhält man eine unerwartet kleine Datei. Allerdings spielt Acrobat hier mit gezinkten Karten: Beim Öffnen eines Tiffs wird dem Bild gleich mal eine mittelstarke JPEG-Komprimierung verpasst, ohne dass dies dem Benutzer mitgeteilt würde. Dieses Verhalten kann man aber in den Grundeinstellungen ändern. Danach wird das PDF sogar leicht grösser als das aus Photoshop exportierte JPEG2000.

Fazit

Der theoretische Nutzen von JPEG2000 wird in der Praxis durch Kompatibilitätshürden weitgehend wieder aufgehoben. Damit JPEG2000 sich ver­breiten kann, müsste die Verwendung des Formats genauso unkompliziert und selbstverständlich sein wie die von JPEG. Das ist aber bis heute keineswegs der Fall. Nicht nur, dass man Plug-ins braucht; es gibt dabei auch noch beträchtliche Qualitätsunterschiede, für die man bezahlt.

Mit der Creative Suite 2 bietet Adobe eine gute Lösung, die Vorteile von JPEG2000 im Publishing-Workflow zu nutzen – allerdings nur innerhalb von PDF. So toll dieses Format ist, vermisst man doch etwas die freie Wahl.

 

 

 
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