Dossiers >> Drucksachen-Webshops >> Fachartikel >> Kompromisslos zwischen Konzentration und Spezialisierung
Artikel als PDF

Kompromisslos zwischen Konzentration und Spezialisierung

Wir haben uns bei den in der Schweiz relevanten Drucksachen-Webshops bezüglich aktueller Trends und Entwicklungen umgehört: Parallel zum Konzentrationsprozess bei den 08/15-Drucksachen tun sich für kleine, agile Dienstleister interessante Nischen auf.

Martin Spaar Die Webshops prä­gen das Geschehen in der Druckindustrie immer stärker. Das Internet bietet eine nie da gewesene Preistransparenz und heizt damit den Wettbewerb gnadenlos an. Für die Auftraggeber ist das eine komfortable Situation. Drucksachen sind immer schneller und immer billiger zu haben. Unsere seit mehreren Jahren erhobenen Marktübersicht spricht da eine deutliche Sprache. ­Beispielsweise waren vor vier Jahren 500 Postkarten erst bei fünf Anbietern für unter 100 Franken zu haben, heute liegen bereits 13 unter dieser Marke (siehe Tabelle Seite 26/27).

Wer hier mithalten will, muss kompromisslos automatisieren und möglichst grosse Volumen fahren – ein klassisches Beispiel für Skaleneffekte: Die Stückkosten sind tiefer, je mehr produziert wird. In unserem Interview auf Seite 18 geht Bernd Zipper davon aus, dass die international agierenden Druckfabriken bis im Jahr 2020 die Hälfte des gesamten Druckvolumens auf sich vereinen werden.

Unsere Marktübersicht ist auf die Schweiz ausgerichtet und wir haben nur Anbieter aufgenommen, welche auf unsere Anfrage reagiert haben. Bei zwei grossen Portalen war es selbst über das Kontakt-Formular auf deren Website nicht möglich, eine Antwort zu erhalten. Auch das entspricht den Gesetzen dieses Marktes: Je tiefer die Preise, desto mehr Automatisierung, desto weniger individueller Support ist zu erwarten. Die immer noch grosse Preisspanne in diesem Markt ist auf die Dauer nur damit zu rechtfertigen, dass die teureren Anbieter ihren Kunden auch irgendwo mehr bieten; meist im Bereich Support und persönliche Be­treuung.

Internationale Anbieter im Vormarsch

Gut ein Drittel der Anbieter in unserer Übersicht produziert ganz oder zum Teil im Ausland. Auch hier ist die Tendenz klar steigend. Einer der ganz grossen europäischen Anbieter mit Schweizer Portal ist onlineprinters.ch mit über 500 000 Kunden in 30 Ländern. Produziert wird – von der Schweizer Ugra zertifiziert – in Deutschland auf einer Fläche von 42 000 Quadratmetern. Darin eingeschlossen ist eine dieses Jahr neu bezogene Halle speziell für den Grossformatdruck. Presse­sprecher Patrick Piecha sieht hier grundsätzlich ein grosses Potenzial und speziell die Möglichkeit, neue Kunden zu erreichen: «Wer beispielsweise für einen Event Roll-ups braucht und so auf uns stösst, produziert dann meist auch andere Drucksachen bei uns. Gerade Agenturen schätzen es, alles aus einer Hand beziehen zu können.»Die Schweiz ist gemäss Piecha für Onlineprinters ein wichtiger Markt. Hier läuft immer mehr auch über Wiederverkäufer: «Bei den Druckern fallen jetzt die Hemmschwellen, nicht mehr alles selbst zu produzieren, sondern zuzukaufen, was extern günstiger produziert werden kann.» Dank einer neuen Kooperation in der Logistik kann man jetzt auch Dropshipping über die Landesgrenze bieten; das heisst, den Versand in neutraler Verpackung ohne Hinweis auf den Absender auf dem Lieferschein. Die Rechnung erhält der Kunde vom lokalen Partner.

Auch für das ganz auf den Bereich Grossformatdruck fokussierte Portal ddkprintbig.com ist die Schweiz ein wichtiger Markt. Das 1994 gegründete Unternehmen verfügt über viel Erfahrung und produziert in Nürnberg. Der Webauftritt des heute zu Unitedprint gehörenden Firma wurde Anfang dieses Jahres neu lanciert. Das Angebot wird jetzt kontinuierlich ausgebaut, speziell auch bezüglich der Web-to-Print-Funktionalität.

Flyerline mit neuem Besitzer

Für Schlagzeilen hat dieses Jahr der rein schweizerische Anbieter Flyerline gesorgt: Firmengründer Steffen Tomasi hat das Unternehmen an die Wipf-Gruppe verkauft, zu der unter anderem die Marke Elco gehört. Ausschlaggebend für den Zuschlag war gemäss Tomasi der Umstand, dass der neue Inhaber Flyerline am bestehenden Standort mit bestehender Crew weiterentwickeln will. Auch Elco-CEO Hans-Jörg Aerni betont das langfristige Engagement mit gegenseitigem Know-how-Transfer als Ziel. Beispielsweise soll das Portal myelco.ch von den Flyerline-Erfahrungen profitieren, diese wiederum vom Verpackungs-Know-how der Wipf-Gruppe. Flyerline gilt heute als grösster Schweizer Drucksachen-Webshop. Steffen Tomasi sieht ein Erfolgsrezept darin, proaktiv die Kundenbedürfnisse aufzunehmen: «Als Druckdienstleister darf man nicht den Fokus haben, eigene Kapazitäten auszulasten. Das Erfüllen von Kommunikationsbedürfnissen soll im Vordergrund stehen, nicht das Drucken!» Mit diesem Ansatz ist Flyerline in jüngster Zeit speziell im B2B-Bereich sehr erfolgreich: So werden etwa für Audi Verpackungen für Zubehör wie Dachträger inklusive der Montageanleitungen produziert. Nicht das Drucken ist hier die Herausforderung, sondern die Optimierung des Prozesses angesichts von zwölf Sprachversionen und unzähligen Modellvarianten. Dank Online-Schnittstellen zum Kunden kann hier on demand am nächsten Tag geliefert werden.

Operation am offenen Herz

Zu den in der Schweiz etablierten «einheimischen» Webshops gehört onlinedruck.ch. Mitte Juni wurde ein neues Portal aufgeschaltet – auf Basis einer Eigenentwicklung, welche die ganzen Prozesse der Druckerei steuert. Inhaber Sven Sonderegger spricht von der Umstellung als einer «Operation am offen Herz», welche gut geglückt sei. Er sieht den grossen Vorteil gegenüber einer bloss aufgesetzten Shop-Lösung darin, dass seine Firma so die Schnittstellen zum Kunden frei gestalten kann.

Auf der Flexibilität dieses Systems basiert auch das von Onlinedruck neu lancierte Partnerprogramm für Wiederverkäufer. Diese können den Webshop von Onlinedruck mit Anpassungen nach Wunsch für sich übernehmen. Damit zielt Sonderegger nicht nur auf Agenturen, sondern speziell auch auf Druckdienstleister. Sein Ziel ist es, ein Netzwerk aufzubauen, bei dem jeder Partner Angebote übernimmt, jedoch auch eigene einfliessen lässt. Dazu Sven Sonderegger: «Jedes Produkt soll dort produziert werden, wo es bezüglich Infrastruktur und Know-how optimal passt – es geht nicht anders! Jeder soll sich dabei auf seine Stärken konzentrieren und seine Angebotspalette entsprechend fokussieren.

Wir sagen selten nein

Ebenfalls gut im Schweizer Online-Druckmarkt etabliert ist flyerking.ch. Das letztjährige Redesign hat die Benutzerfreundlichkeit des Portals nochmals entscheidend verbessert. Diese Anstrengungen wurden dieses Jahr mit einem «Best of Swiss Web»-Award in der Kategorie «Business Effizienz» belohnt. Die Aufträge können mit weniger Handarbeit abgewickelt werden, ohne dass dabei die Individualität oder der Service am Kunden leidet. Nach überwundenem Euro-Schock wächst man jetzt wieder gut zweistellig. Geschäftsleiter Jachin Wissmann führt das vor allem auf die grosse Flexibilität seiner Firma zurück: «Wir sagen sehr selten nein. Wenn der Kunde mit einem Spezialauftrag gut bedient wurde, kommt er in der Regel auch mit seinen Standarddrucksachen zu uns.» Gemäss Wissmann laufen im Moment Drucksachen mit speziellen Stanzungen und Personalisierungen sehr gut. Diese können über die Experten-Optionen im Portal oder per Mail sowie vor Ort bestellt werden.

Komplettangebot aus einer Hand

Schon lange im Online-Geschäft ist auch die Oetterli Druck AG mit ihren Spezialitäten-Portalen kartenkaiser.ch und posterkoenig.ch, zu denen später noch druckexperte.ch mit einem breiteren Angebot dazugekommen ist. Vor allem Kleber, die in freien Formaten bestellbar sind, laufen sehr gut.

Das Team um Marco Oetterli hat mit diesen Portalen viel Know-how aufgebaut, sodass man jetzt mit Conseo eine eigene Agentur für Online-Marketing und Webdesign gründen konnte. Der Kunde kann somit alles aus einer Hand beziehen, von der Grafik über den Druck bis zu ganzen Konzepten für das Online-Marketing inklusive Suchmaschinenoptimierung und Social-Media-Kampagnen.

Nische in Deutschland erweitern

Das Potenzial von Spezialitäten-Webshops früh erkannt hat die Bauer Media AG. Der Name der Portale macht jeweils sofort klar, worum es geht: fahnenbauer.ch, stickerbauer.ch etc. Sehr gut laufen im Moment mobile Messesysteme. Diese können über fahnenbauer.ch fertig be­druckt bestellt werden. Gemäss Klaus Bauer sind diese Systeme eine sehr kostengünstige Lösung, weil sie einfach transportiert und selbst aufgestellt werden können. Und auch hier soll das Cross-Selling spielen: Wer sich so für die Messe ausrüstet, bestellt gerne auch gleich die Drucksachen mit. Eine interessante Strategie verfolgt Klaus Bauer mit karten-bauer.de. Er wagt damit den Schritt in den hart umkämpften deutschen Markt. Seine Überlegung dabei: Die von ihm angebotenen speziellen Grusskarten etc. sind zwar nur eine kleine Nische, bei der Grösse des deutschen Marktes gibt jedoch auch das für Schweizer Verhältnisse sehr viel her. Und die Versandkosten sind dank der im liberalisierten Markt tiefen Preise auch kein Hindernis mehr. Bei allen Innovationen und Neuheiten hält Klaus Bauer jedoch von Beginn weg an einem fest: an der telefonischen Hotline bis 22 Uhr. Eine Investition, die sich seiner Meinung nach mehr als lohnt.

Der Name ist Programm

Den Namen zum Programm macht die Eggnauer Productions GmbH mit dem Portal plakatdrucker.ch und dem Motto «bis 18 Uhr bestellt – Auslieferung oder Abholung am Folgetag». Gedruckt wird mit dem schnellsten Grossformat-Digitaldrucksystem am Markt, einer HP Scitex Turbojet. Damit konnte sich die Firma vom klassischen Werbetechnik-Betrieb zum Online-Dienstleister weiterentwickeln. Gemäss Guido Eggnauer beträgt der Online-Anteil am Umsatz aktuell 20 bis 30 Prozent. Auch hier gewinnt man über das Portal Neukunden für das klassische Geschäft: «Wir kommen mit den Online-Kunden ins Gespräch, wenn Sie ihre Aufträge bei uns abholen, dabei ergeben sich immer wieder Aufträge im Bereich der klassischen Beschriftung.»

Mit neuen Ideen mehr Spass als im Offset-Preiskampf

Interessant und für das Online-Drucksachengeschäft geradezu typisch ist die Entwicklung von digitprint.ch. Werner Steiner startete damit im Jahr 2006 mit Standarddrucksachen wie Flyer und Visitenkarten. Nach einer Pionierphase musste Steiner jedoch erkennen, dass er neben den grossen Druckfabriken preislich keine Chance hat. Folglich baute er seinen Webshop Schritt für Schritt in Richtung Spezialitäten aus und um. Unterdessen hat er seine Druckerei verkauft und sein Portal als Onlineshop für personalisierte Geschenke neu positioniert. Sehr gut laufen im Moment Jassteppiche. Diese kann er mit einem Sublimationsdrucker in hoher Qualität selbst produzieren. Weiter Spezialitäten sind personalisierte Geschenke rund um das Thema Bier und Getränke sowie Fotogeschenke wie Foto-Tischsets, Foto-Memories, Tischbomben und Trinkflaschen. Dieses Angebot mit neuen Ideen ständig weiterzuentwickeln, macht Werner Steiner Spass – viel mehr als der frühere Preiskampf im Offsetdruck!

Neben den hier vorgestellten Open-Shops steigt im B2B-Bereich die Bedeutung der Closed-Shops. Bernd Zipper sieht in solchen auf den Kunde massgeschneiderten Lösungen das grösste Potenzial für Druckdienstleister, welche bis jetzt noch nicht im Online-Geschäft Fuss gefasst haben. Mehr dazu im Interview auf der nächsten Seite.

Die Marktübersicht

In unsere tabellarische Marktübersicht finden Sie die in der Schweiz relevanten Drucksachen-Webshops im Bereich der Standarddrucksachen. Wir haben dabei nur Portale berücksichtigt, welche auf den Schweizer Markt ausgerichtet sind (Preise und Lieferkosten in CHF) und auf unsere Anfrage reagiert haben.

Beim Preisvergleich ist die Spalte mit Versandkosten mit zu berücksichtigen, da dies nicht bei allen Portalen einheitlich gehandhabt wird. Dort sehen Sie, ob sich die angegeben Preise inklusive Lieferkosten verstehen oder nicht. Weiter ist zu beachten, dass alle Daten in der Tabelle auf den Angaben der Portal-Betreiber beruhen und von uns nicht im Details überprüft werden konnten.

Ergänzend zur auf Standarddrucksachen ausgerichteten Marktübersicht finden Sie auf den Seiten 22 einen Überblick des Angebotes im Bereich der Spezialitäten. Die Vielfalt der Angebote zeigt, dass das Web hier Chancen für Druckprodukte eröffnet, die man zu Offline-Zeiten gar nicht kannte. Dies nicht zuletzt auch dank der technischen Fortschritte im Large Format Printing.

Artikel als PDF