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Konvertiert � man darf dazulernen

XPress oder InDesign?

Konvertiert – man darf dazulernen

Die Kardinalsfrage, ob die Welt eher klerikühl oder fortschrittlich sein soll, ist kürzlich in Rom zugunsten des Ersten entschieden worden. Auch wir stehen vor der Glaubensfrage: XPress oder InDesign, wer wird das Oberhaupt?

RALF TURTSCHI Nachdem ich immer wieder Mails erhalte, in denen «Typopapst» vorkommt, möchte ich mich einmal dazu äussern. Ich distanziere mich in aller Form vom Typontifikat. Ich bin, weiss Gott, noch keine 70 Jahre alt, leide nicht unter mangelnder Bodenhaftung, bin weder Menschenfischer noch habe ich grosse Stellvertreterfunktionen inne, trage niemals einen Spitzhelm und komme mit weit weniger als sieben Bodyguards aus, mein Papamobil ist ein ungepanzerter Volvo. Der Vergleich ist also völlig daneben. Habe neben Typo gelernt, mit Bildern, Druck und Papier umzugehen, sogar das Wort Internet konnte ich schlank in meinen aktiven Wortschatz integrieren. Mit Flash kommt nun endlich Bewegung in die Sache.

Ich bin weiter denn je entfernt von der reinen Einheitslehre: Die unbefleckte Typografie kann es nicht geben. Ich lege Bücher im übertragenen, nicht im wörtlichen Sinn aus und verstehe unter Kommunikation nicht einfach ein sanft eingefrorenes Lächeln, das kann man mir wirklich nicht anhängen. Also bitte, den Typopontifex können Sie sich abschminken, eine Audienz bekommen Sie auch, ohne niederzuknien und Ihr Haupt zu senken. Bitte einfach gegen Voranmeldung.

Wenn wir schon beim Thema sind, ich gestehe, konvertiert zu sein, allerdings schon lange vor der Papstwahl, weil ich Unheil ahnte. Konversibel kompatibel zum Feind übergelaufen, sozusagen. Mir hat dieser Quark einfach nicht mehr geschmeckt. Jahraus, jahr­ein Jahreinheitsbrei. Es kann nicht wissen, wie Brot schmeckt, wer sich nur von Brei ernährt (alte Bauernregel).

Die Umstellung von Mac OS 9 auf Mac OS X bringt die Frage nach dem nützlicheren Layoutprogramm automatisch aufs Tapet. Quark- XPress oder Adobe InDesign? Vom Monopolisten zum Monopolyzisten? Oder umgekehrt? Weshalb eigentlich ist das eine Glaubensfrage? Gibt es nicht viel eher auf eine säkulare Frage eine monetäre Antwort? Um dem nachzuspüren, habe ich erst einmal meinen Opferstock geleert und nachgesehen, was mir meine lieben Gläubiger im letzten Jahr an Wohltätigkeit überliessen. Nach dem Zusammenklauben der letzten Münzen wäre nur ein Quark-Leasing in Frage gekommen. Und Verderbliches würde nicht verleast, teilten mir gewöhnlich gut unterrichete Kreise mit. Ein Upgrade gegen Bares in die First Class XPress 6 wäre dem Sündenfall gleichgekommen.

Ich. Gestehe. Es. Endlich. Ich kann die Schuld nicht länger unausgesprochen lassen. Ich habe letztes Jahr schwer gesündigt. Ich hab die harten Quarks in meinen Schuhen nicht mehr ertragen. Mochte den ausgedünnten Pilgerströmen nicht mehr folgen. Habe es mir aufs Alter hin in einer Suite bequem gemacht. Zünde jetzt zwölf Kerzen an, bewege mich fliessend von Photoshop über Illustrator hin zu InDesign, bete drei Rosenkränze, ganz acrobatisch. Per Copy&Papst ganze Dokumente von InDesign zu Photoshop, Damen wegsehen, völlig transparent, in allen Lagen. Der Opferstock ist zwar geleert, wir haben für das gleiche Geld wie für einen XPress-Upgrade vier neue Programme und erst noch das Betriebssystem Mac OS X erhalten. Die Umgewöhnung an die neue Umgebung kostete uns mittelintelligente User etwa eine Woche Zeit, so problemlos, wie wenn sich die Hauskatze nach dem Zügeln im neuen Revier einrichtet. Die Umstellung von XPress auf InDesign geht wirklich leicht. Man findet sich gut zurecht, die wichtigsten Funktionen sind klar und das wenige Spezielle kann mittels Online-Hilfe entdeckt werden. Der Datentransfer zu den Druckereien ging ohne Probleme von sich. Weder Kunden noch Druckereien bemerkten das Upgrade. Die alten XPress-Daten werden, sofern einsprachig gespeichert, problemlos geöffnet, Stilvorlagen und Farben mitgenommen.

Natürlich gibt es da und dort «Kleinigkeiten», die nicht so funktionieren wie gewünscht. Zum Beispiel das automatische Nachladen von Schriften, welches auf gewissen G4-Macs funktioniert, auf einem neuen G5 jedoch nicht. Suitcase oder InDesign? Unerhörte Stossgebete, da oben ist im Moment halt viel zu tun: Antrittsrede des Pontifex organisieren, Rainier als Sponsor gewinnen, Messwein vor Juhnke sichern.

Bezüglich Performance sind wir mit den neues­ten Rechnern mehr als zufrieden, die älteren Herren lassen sich etwas mehr Zeit. Da müssen wir statt der nächsten Kundensegnungen eben bare Münze nehmen, um mit der Zeit zu gehen.Viele neue Funktionen und eine grosse Flexibilität lassen XPress rasch vergessen, wir werden uns schwer tun, Tränen zu vergiessen, das lang gepriesene Programm in Ehren zu halten.

Was haben wir doch eingefleischt auf Quark gesetzt! Seit 1987 mit der Version 1.0, die damals als Konkurrenz zu Aldus PageMaker lanciert wurde. Unzählige Upgrades, mit sauer verdientem Geld erstanden, Hotlines vergeblich versucht zu erreichen, Kopf geschüttelt über die Tabellenfunktionen, gelacht über Webfunktionen, gebrüllt über die Trennprogramme, gejohlt über den Dongle.

Über 18 Jahre Entertainment sind genug, Zeit, das Ensemble zu wechseln. Zurück in Mutters Schoss. Auch bei InDesign gibts Erheiterndes zu berichten: optischer Zeilenausgleich, nett, Schriften, die nicht nachgeladen werden, ha, ha, ha, Stilvorlagen, die zwanghaft reagieren, wow, Fussnoten, brüll, brüll, Konturenführung, wir sind den Tränen nah. Die Vorstellung geht weiter, nehmen wir die nächsten 18 Jahre in Angriff, urbi et orbi.

 

 

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