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Liebe gr�ne Werbetechnik

Bei Umweltabgaben und beim Klimawandel kann die Werbetechnik nicht wegschauen. Auch wenn Farben kein Blei mehr enthalten und schwächere Lösungsmittel zum Einsatz kommen, muss die Entwicklung weiterverfolgt und entsprechend gehandelt werden.

KATRIN KOCH Folien aus Polyvinylchlorid und Polyester, Kunstharzlacke, scharfe Reinigungsmittel – wie umweltverträglich ist die Werbetechnik? Die Entwicklung von umweltverträglichen Materialien beispielsweise für den Digitaldruck ist erfreulich, dennoch ist der Markt für diese Produkte erst klein. Emissionen von Maschinen und Fahrzeugen lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen senken. Das blosse Vorhandensein von ökologischen Alternativen und Diskussionen um schädliche Inhaltsstoffe und Abgase reichen nicht, konkretes Handeln ist gefragt.

Hand aufs Herz: Wie viel Abfall fällt täglich in Ihrem Betrieb an und landet unsortiert im gleichen Container? Abfalltrennung ist ein Thema, dem sich ein Werbetechniker nicht verschliessen kann. Wo die notwendige Infrastruktur, wie beispielsweise separate Papierabfallbehälter, vorhanden ist, besteht ein grösserer Anreiz, im Interesse unserer Umwelt zu handeln.

Nachhaltige Produktion

Ökologisches Verhalten beginnt jedoch viel früher als bei der Produktion. Wo werden Waren eingekauft? Produziert der Hersteller in der Schweiz oder in den USA, importiert er die Rohstoffe aus aller Welt? Wie viele Sekundärrohstoffe, also wiederverwertbare Materialien, sind in Produkten enthalten, welche wir Tag für Tag verarbeiten? Werden Sammellieferungen gefahren oder jeweils unsinnig weite Strecken zurückgelegt?

Steigt die Nachfrage von Werbetechnikbetrieben und ihren Kunden nach ökologischen Produkten und fairem Handel, hat das Konsequenzen für das Angebot: Die Produktpalette muss mit «grünen» Produkten ergänzt werden, woraus für den Endkunden wie auch für die Umwelt ein Vorteil entsteht.

Durch die Sensibilisierung von Kunden auf umweltfreundliche Produkte entsteht für Firmen, die zertifizierte Endprodukte anbieten, ein Wettbewerbsvorteil. Kann dieser Teil der Unternehmenspolitik dem Kunden vermittelt werden, punktet die Ökologie gegenüber den prioritären finanziellen Aspekten. Nicht zu unterschätzen ist die Beeinflussung dieser Kunden durch die Medien – der Aufschrei vom April 2008, als die CS Fussbälle aus Kinderarbeit verteilte, hallt noch immer nach. Wünscht ein Kunde also ein ökologisch vertretbares Produkt, so muss vom Beginn bis zum Ende der Produktionskette gewährleistet sein, dass Emissionen wo immer möglich vermieden werden und die bei der Produktion anfallende Umweltbelastung ausgeglichen wird.

Material des täglichen Gebrauchs

Ein grosser Teil des Materialbedarfs von Werbetechnikbetrieben wird durch Produkte aus der Petrochemie gedeckt. Das Folgeprodukt Xylol wird weiter zu Polyester verarbeitet, Ethylen zu Vinyl und im Weiteren zu Polyvinylchlorid, kurz PVC. Gerade Letzteres ist eine chemisch sehr stabile Verbindung und daher extrem langlebig, wodurch es sich auch nach Jahren nicht auf natürliche Weise zersetzt. Ausserdem wird bei der Verbrennung unter anderem umweltbelastendes Dioxin freigesetzt. Auf zwei Arten kann der thermoplastische Kunststoff wiederverwendet werden:

Mittels werkstofflichen Recyclings. Die Industrie vermag heute mit einem Anteil bis zu 70 Prozent Alt-PVC einen qualitativ gleichwertigen Kunststoff herzustellen wie mit 80 Prozent Rohmaterial, also Rohöl und Kochsalz als Chlorquelle.

Mittels stofflichen Chlorrecyclings. Bei der Verbrennung von PVC wird Salzsäure (Chlorwasserstoffsäure) gebildet, die entweder in den Handel oder zurück in den PVC-Kreislauf gelangt.

Unternehmen, die grüne Flagge bekennen, sind gefordert, ihre Produktpalette kritisch zu hinterfragen und den Produktionsprozess genau zu prüfen. Konsequenterweise wird also nicht nur mit einem stromsparenden Printer umweltschonendes Bannermaterial bedruckt, sondern auch Eco-Solvent-Tinte eingesetzt. Die flüchtigen Stoffe der Lösemitteltinten belasten nicht nur die Umwelt, sondern auch die Mitarbeiter. Bei mangelnder Belüftung der Räumlichkeiten werden über die Haut und die Atmung schädliche Substanzen aufgenommen.

Mehr Umsatz ohne PVC

Die Spandex vermeldete im Juli 2009 einen wachsenden Umsatz mit PVC-freien Materialien. Zurückzuführen ist der Zuwachs auf die erweiterte Produktserie Image Perfect mit Materialien, die zu 100 Prozent PVC-frei sind. Die für das Large Format Printing entworfenen Materialien sind genauso mit Eco-solvent-Tinten wie auch mit Lösemittel- und UV-Tinten kompatibel – obwohl nur der Betrieb mit lösemittelfreien Tinten Sinn ergibt. Somit sind die Produkte auch frei von Chlor. Weichmacher, welche für eine bessere Verarbeitbarkeit von PVC sorgen, wurden ebenfalls nicht mehr verwendet. Die erweiterten Serien enthalten unter anderem weisse und transparente Digitaldruckfolien, die mit einem Eco-Laminat ergänzt werden können. Dieses gewährt eine Haltbarkeit im Aussenbereich bis zu drei Jahren. Die neuen Produkte der Image-Perfect-Serie sind die Antwort auf die erhöhte Nachfrage nach «grünen» Printmaterialien und er­schliessen der Werbetechnik das Marktsegment umweltbewusster Unternehmen.

Werden diese nach dem ISO 14001 zertifizierten Materialien der Kehrichtverbrennung zugeführt, entstehen keine Dioxine. Durch die Anpassung an die Richtlinien der EU zu Weichmachern in Kinderspielzeug und Kinderpflegeartikeln erlaubt sich der Einsatz auch für Leitsysteme in Krankenhäusern und im Lebensmitteleinzelhandel. Kunststoffe auf PVC-Basis scheitern oft an den enthaltenen Weichmachern, die das Material geschmeidiger und elastischer machen. Diese Stoffe stehen unter Verdacht, gesundheitsschädigend zu sein, weil sie unter anderem auf den Hormon­haushalt des Menschen einwirken.

Auch andere Hersteller von Materialien, die in der Werbetechnik Verwendung finden, schenken der Umwelt vermehrt Bedeutung. Bei 3M werden neue Produkte der so genannten Life-Cycle-Management-Prüfung unterzogen. Dabei werden Gesundheits- und Sicherheitsaspekte sowie der Energieverbrauch nicht nur beim Herstellungsprozess, sondern auch in der Benutzung und Entsorgung beachtet. Auch ältere Produkte müssen diesen Test bis 2010 durchlaufen. Bereits sind 100 Werke der 3M in 30 Ländern nach der Umweltmanagement-Norm ISO 14001 zertifiziert, welche einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Bezug auf die Umweltleistung von Produktions- und Dienstleistungsunternehmen anstrebt, alle weiteren verfügen über Umweltmanagement-Systeme oder sind dabei, solche zu entwickeln.

Was im Bereich der Reduktion von Umweltemissionen möglich ist, zeigen folgende Zahlen, die sich auf den Nettoabsatz von 3M zwischen 1990 und 2006 beziehen. Realisiert wurde dies unter anderem durch Gewichteinsparungen im Transport, energieeffizientere Maschinen und eine neue Produktpalette.

Durch den Einkauf von ökologischen Produkten können Werbetechnikbetriebe aktiv zum Umweltschutz beitragen.

Der Birkenstock unter den Grossformatdruckern

Auf Seite der Produktionssysteme kann schon mit geringem Aufwand zum Umweltschutz beigetragen werden, beispielsweise mit dem Umsteigen auf lösemittelreduzierte Tinten und ökologische Printmaterialien. Steht eine grössere Anschaffung an, lohnt es sich, eco-solvent- und UV-Systeme zu prüfen.

Mit dem Gerber Solara ion wurde Ende 2008 in Niederglatt der erste hybride UV-Drucker für Breitbildlösungen installiert, welcher nicht nur ohne flüchtige organischen Lösungsmittel (VOC) auskommt, sondern auch ohne Ozonemissionen arbeitet. Beides wird zu wenig thematisiert, obwohl sich sowohl Ozon wie auch VOC negativ auf die Gesundheit der Mitarbeitenden auswirken können. Die verwendete kationische UV-Tinte des Solara ermöglicht es, energieeffizient und umweltfreundlich Produkte herzustellen, die auch ohne Laminat bis zu drei Jahre witterungsbeständig sind. Auch vom ökonomischen Gesichtspunkt her ist dieser LFP eine Alternative zu gängigen Printern.

Ökologisches Zubehör für die Branche

Auch für weitere Bereiche der Werbetechnik wird die Produktpalette Richtung Umweltverträglichkeit ausgebaut. So sind beispielsweise biologisch abbaubare Reinigungsmittel und Klebebänder erhältlich. Ob sich diese im Alltag durchsetzen, wird sich zeigen. Erfahrungsgemäss wird lieber zum stärkeren Mittel gegriffen, wenn dadurch Zeit eingespart werden kann.

Teils liegt es auch am Werbetechniker, energiesparende Massnahmen zu ergreifen. Der Einsatz von Sonnenschutzfolien reduziert die Wärmeeinwirkung durch Fensterfronten in den Sommermonaten massiv und kann damit den Energieaufwand von Klimaanlagen drosseln.

Reduzieren und ausgleichen

Um klimafreundlich zu agieren, muss Energieeffizienz an erster Stelle stehen. Wie viel wird gewärmt, gekühlt, im Standby-Modus belassen? Blosse Lippenbekenntnisse schaden der Glaubwürdigkeit.

Erst wenn bereits alles unternommen wird, um Ressourcen zu schonen und Energie zu sparen, wird das Thema des Ausgleichs relevant. Wo es nicht mehr möglich ist, Energie noch effizienter zu nutzen oder Ressourcen schonender zu produzieren, kommt Climate Partner ins Spiel.

Die Spandex beispielsweise, welche ihren Versand mit der Schweizerischen Post und DHL erledigt, unterstützt mit einer Abgabe den CO2-neutralen Versand. Mit diesem Obolus werden Klimaschutzmassnahmen von ClimatePartner mitfinanziert. Weiter bietet Spandex auch elektronische Rechnungsmodelle an, ist bei der Umweltbehöre für sichere Entsorgung von Tinten und Kartuschen eingetragen und erwartet auch von ihren Zulieferern eine verantwortungsvolle und proaktive Haltung zur Umwelt.

Sensibilisierung in der Ausbildung

Bei der Umgestaltung der Ausbildung zum Gestalter Werbetechnik wurden auch Umweltthemen berücksichtigt, sodass sich künftige Berufsleute aktiv mit Umweltschutz und Abfallentsorgung auseinandersetzen müssen.

Michael Millius ist Projektleiter für die Berufsreform seitens des Verbandes Werbetechnik und Print (VWP). Zu den ökologischen Bildungsinhalten drückt er sich unmissverständlich aus: «Wir müssen uns in unseren täglichen Arbeitsabläufen bewusst werden, welche gravierenden Auswirkungen eine Nichtberücksichtigung der Ökologie und des Umweltschutzes auf unsere Arbeitswelt hat.» Werden die Auswirkungen eines fehlenden Umweltbewusstseins ignoriert, tragen wir letztlich zur Zerstörung unserer Umwelt bei, was kommenden Generationen gegenüber verantwortungslos ist und sich auch organisch und mental auf die Arbeitskräfte niederschlägt. Diese jedoch ist in unserer heutigen, von Stresssituationen beherrschten Wirtschaftswelt das höchste Gut. «Gesundheitlich angeschlagene Arbeitskräfte können die nötige Leistung nicht erbringen, sind unmotiviert, was sich wiederum auf die sozialen Aspekte wie Teamfähigkeit, Betriebsklima und Zusammenarbeit niederschlägt. Kein Arbeitgeber, keine Führungskraft und kein Ausbildner kann es sich leisten, diese Aspekte zu ignorieren», ergänzt Michael Millius.

Dass viel über Umweltschutz geredet wird, soll keinen Trend darstellen, sondern eine Priorität in unserem Handeln einnehmen.

Kein Werbetechnikbetrieb kann sich dieser Thematik langfristig entziehen. Mit dem wachsenden Kundenbedürfnis nach einem makellos umweltverträglichen Auftritt können sich grüne Betriebe einen Wettbewerbsvorteil sichern.

Bildungsverordnung Gestalter/in Werbetechnik

Wie Umweltbildung bereits im Entwurf zur neuen Bildungsverordnung einfliessen kann, zeigt das Beispiel des Berufs Gestalter/-in Werbetechnik. In Artikel 1 Berufsbezeichnung und Berufsbild heisst es:

«[…] Bei der Auftragsabwicklung berücksichtigt sie/er wirtschaftliche, ökologische und sicherheitstechnische Gesichtspunkte.» Umweltschutz wird in Artikel 4 als Fachkompetenz aufgeführt, ökologisches Verhalten in Artikel 5 als Methodenkompetenz.

Im Bildungsplan steht dazu: «Ökologisches Verhalten ist aus dem Berufsalltag nicht mehr wegzudenken. Gestalterinnen und Gestalter Werbetechnik sind bereit, betriebliche Umweltschutzmassnahmen anzuwenden und Verbesserungspotenzial zu erkennen.» Im Leistungszielkatalog werden unter anderem Leitziele in Bezug auf einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen formuliert. Konsequenterweise wird Umweltschutz auch in der Lektionentafel und im Qualifikationsverfahren aufgeführt. Generell ist die Verordnung exemplarisch in der Qualität von Darstellung und Formulierung des Bildungsplans.

Weitere Informationen

Die Website von ClimatePartner gibt detailliert Auskunft über intelligenten und akzeptierten Klimaschutz und Ausgleichsprojekte. Die Imagebroschüre «Klimaneutral drucken und nachhaltige Medienproduktion» steht zum Download bereit. www.climatepartner.ch

 

Selbstverpflichtung der europäischen PVC-Industrie:www.vinyl2010.org

Auf dieser Seite findet sich auch ein Vinyl-Game, wo spielerisch erprobt werden kann, welche Investitionen von der Produktion bis zur Wiederverwertung anfallen.

 

Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema Abfalltrennung und Wiederverwertung bieten Recyclingspezialisten. Brunner Transport GmbH aus Flawil beispielsweise führt regelmässig Kurse für Entsorgungsverantwortliche aus Gewerbe, Industrie und Gemeinden durch. www.brunner-flawil.ch / www.abfallcenter.ch

 

Der Katalog von 3M mit umweltfreundlichen Produkten kann unter folgender Adresse heruntergeladen werden: www.3M.com/EnvSolutions

Ab Seite 55 sind Digitaldruckmedien wie die ControltacTM Graphic Films Serie 180 aufgeführt (nur Englisch).

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