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Noch mehr M�glichkeiten

Im Siebdruck wird schon seit dreissig Jahren damit gedruckt, im Digitaldruck seit einem knappen Jahrzehnt: mit UV-Lacken und UV-Tinten. In welchen Anwendungsbereichen lohnt sich der Einsatz für die Werbetechnik, und wohin entwickelt sich die Technologie?

KATRIN KOCH Wir werden uns in ein paar Jahren zurückerinnern an die Zeiten, wo in Siebdruckereien noch Farben für Hart-PVC, solche für Weich-PVC und andere für Tastaturfolien herumstanden. Wo wir für den Digitaldruck noch beschichtete Materialien bestellen mussten. Werden sich UV-Farbsysteme weiter durchgesetzt und konventionelle Drucksysteme ersetzt haben? Vieles spricht dafür: Im Digitaldruckbereich beispielsweise eine höhere Effizienz und hohe Rentabilität durch weniger Tintenverbrauch und Produktionsaufwand. Siebdruckbetriebe wiederum werden sich vermehrt auch auf Veredlung mit UV-Farben spezialisieren.

Nicht von Firmengrösse abhängig

Die Anschaffung von Digitaldruckern, welche UV-Tinten verwenden, ist für Kleinstfirmen genauso wie für Printfabriken interessant: Entscheidend ist das zu bearbeitende Marktsegment. So lohnt sich die Investition vor allem da, wo es beispielsweise um Plakate für Grossverteiler geht, welche einem schnellen Turnus unterworfen sind.

Genauso interessant sind Anwendungen, bei welchen konkret an Arbeit gespart werden kann: Werden Kartons direkt bedruckt und nicht eine PVC-Folie darauf kaschiert, rechnet sich ein UV-Printer rasch. Im Bereich von starren Materialien wie Glas, Acrylglas und Displaymaterial wird eine Effizienz plus ein brillanter Farbauftrag erreicht, welcher herkömmliche Systeme in den Schatten stellt. Dadurch, dass kein speziell beschichtetes Material gefordert ist, wird weiter an Produktionskosten gespart. Ebenso interessant sind auch die Möglichkeiten des Weissdrucks für Backlit-Elemente und den «beidseitigen» Druck auf transparenten Selbstklebefolien.

In welche Richtung entwickelt sich der digitale UV-Druck?

Schon heute wird eine fotorealistische Qualität erreicht, mitverantwortlich bei der Océ Arizona ist hier die seit 2006 verfügbare variable Tropfengrösse. Die verwendeten Halbtondruckköpfe benötigen rund 30 Prozent weniger Tinte und drucken im Vierfarbenprinzip kostengünstiger als Systeme mit zusätzlichem Light-Cyan und Light-Magenta. Dabei wird der Farbraum ausreichend abgedeckt, sodass ein hexachromer Aufbau des Druckbildes kein Thema mehr ist. Veredlung mit Lackierungen und Silber – Letzteres ermöglicht Roland mit dem Soljet pro III XC-540MT mit herkömmlichen Mildsolvent-Tinten – bleiben wohl in einem Nischenmarkt positioniert.

Die Nachfrage nach UV-Drucken wird steigen. Eine Ursache dafür ist das veränderte Verhalten in der Konsumgüterindustrie: Im unteren Preissegment wie auch im Bereich von Luxusgütern ist mit einem Zuwachs zu rechnen, das mittlere Segment hingegen schrumpft. Bei der Druckgeschwindigkeit und im Bereich der Automation hingegen wird sich noch einiges verändern.

Nicht unerheblich aber ist der gesamte Workflow: Mit einer raschen Maschine kann ich nur effizient produzieren, wenn auch die Weiterverarbeitung entsprechend funktioniert. Océ beispielsweise bietet hier in Zusammenarbeit mit den Swiss Cutting Systems von Zünd Lösungen mit Schneidetischen. Dazu Renato Wyss von Océ: «Fachleute, welche im Hintergrund tätig sind und bei Problemen fundiert Auskunft geben können, sehen wir als unerlässliche Dienstleistung, gerade auch, um den Workflow zu optimieren.» So genanntes Box-Moving, das blosse Platzieren von Maschinen ohne den Support im Rücken, komme nicht in Frage. Diese lösungsorientierte Zusammenarbeit mit den Produktionsbetrieben und klaren Informationen, was möglich ist oder eben nicht, bezeichnet auch Jürg Bachmann von Océ als Quelle für den Erfolg.

UV-Farben verhalten sich anders

Das Fliessverhalten von UV-Tinten unterscheidet sich stark von demjenigen gebräuchlicher Solventtinten und steht und fällt auch mit dem Druckprofil. Aufgrund der in Solventtinten enthaltenen Lösemittel wird sozusagen in das Medium geprintet, UV-Farben liegen hingegen auf dem Material. Dies ist auch der Grund, warum Flachbettprinter mit Solventtinten scheiterten, mit ultraviolett härtenden Farben aber Erfolg haben: Es braucht seine Zeit, bis sich die Lösemittel verflüchtigt haben, der Farbauftrag mit ultraviolett härtenden Farben ist mit entsprechendem Licht sofort trocken.

Tinten im Digitaldruck beziehungsweise Lacke im Siebdruck härten unter Bestrahlung mit ultraviolettem Licht aus. Der grosse Unterschied zu herkömmlichen Mild-, Eco- und Solventtinten besteht darin, dass sie keine Lösungsmittel und somit keine flüchtigen Substanzen (VOC) enthalten. Nebst den Farbpigmenten sind unter anderem einzelne Moleküle und kurze Molekülketten enthalten, welche sich zu Polymeren verbinden können. Diese Fotoinitiatoren zerfallen bei der Bestrahlung mit ultraviolettem Licht. Die hochreaktiven Bruchstücke, welche dabei entstehen, lösen den Polymerisationsprozess aus, in welchem stabile dreidimensionale Netzstrukturen entstehen. Bei kationischen Tinten besteht das Problem, dass zwar mit geringen Temperaturen von rund 100 °C unter der UV-Lampe gearbeitet wird, bei der Polymerisation der Tinten auf dem Material kurzzeitig eine enorme Hitze entsteht. Dadurch beginnen die Weichmacher im Material zu migrieren und lassen Vinylfolien mit einer Stärke von weniger als 100 Mikron beim Dehnen leicht brechen.

Grenzen ausloten

Durch die intensive Forschung und Entwicklung im Bereich der UV-Strahler und UV-Tinten bewegt sich einiges auf dem Markt. Grössere Volumen sollen in kürzerer Zeit gedruckt werden, gleichzeitig sind jedoch Qualitätseinbussen unerwünscht.

Eine interessante Lösung für Grossformatdrucke als Print on Demand auf Normalpapier in Rekordgeschwindigkeit von 31 Sekunden pro A0 bietet die ColorWave 600 von Océ. Für die Farbe sorgen so genannte Toner Pearls, welche innerhalb des Systems zu einem Gel geschmolzen werden, nach dem Auftrag kontrolliert kristallisieren und so für eine starke Haftung sorgen. Aufgrund dieser gelartigen Konsistenz beim Auftrag können auch hochwertige Drucke auf Recycling-Papier aufgebracht werden, was die Umweltbelastung enorm senkt. Weitere Pluspunkte in der Nachhaltigkeit und einfachen Handhabung ist die Rollenladestation mit sechs Kernen, die mit verschieden breiten Rollen bestückt werden kann – dadurch entsteht weniger Aufwand und Verschnittmaterial. Nicht verwendeter Toner landet wieder als Festkörper im Restbehälter und kann problemlos dem Haushaltsabfall zugeführt werden.

Mit dem hybriden Inkjet-System Oryx geht auch SwissQprint einen Schritt weiter. Roll-to-Roll-Anwendungen und auch übergrosse starre Materialien gehören in sein Repertoire. Die einsetzbaren Registerpins können als zusätzliche Anschlagpunkte eingesetzt werden, um mehrere kleinformatige Elemente gleichzeitig und randabfallend zu bedrucken. Dabei lässt sich der CMYK-Standard mit Light-Farben und Weiss auf bis zu acht Farben erweitern.

UV-Farben im Siebdruck

Im Siebdruck entwickelte sich die UV-Technologie stetig. Anwendungen auf nicht saugenden Oberflächen wie beispielsweise Glas überzeugen durch gute Haftung, wie auch der UV-Druck auf Hart- und Weich-PVC, PET, Metalle, Papiere und Karton, Frontplatten und Veredelungen von Offsetdrucken. Wichtig ist die Technologie bei Roll-to-Roll-Anwendungen für den industriellen Druck auf CDs und Verpackungen aufgrund der hohen Produktionsgeschwindigkeit.

Im Bereich der Veredlung werden gemäss Olaf Muff von der Firma Serilith 99 Prozent der Aufträge im UV-Druck abgefertigt: Im Gegensatz zu lösemittelbasierten Lacken tritt bei UV-Farben kein Schwund auf, weswegen ein so hoher Glanzgrad und dreidimensionale Strukturen erreicht werden können. Im grafischen Siebdruck sei es, so Olaf Muff, eine Philosophiefrage, ob vom konventionellen Siebdruck zu einem UV-System gewechselt wird. Anfängliche Schwierigkeiten der UV-Lacke wurden ausgemerzt. Heute existieren kaum mehr Anwendungen, für die sie nicht einsetzbar sind. So sind einige dieser Farben bis zu 300 Prozent tiefziehfähig. Nebst den Anschaffungskosten ist beim Wechsel von konventionellen Solvent- zu UV-Druckern zu berücksichtigen, dass UV-Systeme eine genaue Einstellung der Härtungsparameter und einen regelmässigen Austausch der UV-Strahler erfordern. Ausserdem muss dieses Licht immer wieder gemessen und die Durchlaufzeiten eventuell angepasst werden. Gerade für Nachfolgeaufträge ist es wichtig, immer mit denselben Parametern arbeiten zu können.

Optimierungsbedarf für bestimmte Anwendungsbereiche und in der Arbeitssicherheit besteht hingegen immer. Auch sind neue und bessere Rohstoffe ein Thema. So wird der Anteil an hautreizenden Inhaltsstoffen nach Möglichkeit weiter verringert werden. Das allergene und sensibilisierende Potenzial ist ein kritischer Faktor der eingesetzten Rohstoffe für UV-Farben und kann bei unsachgemässer Handhabung zu Hautirritationen führen. Gewisse Fragen zur Migration von UV-Farben sind noch nicht gelöst, was in der Lebensmittelindustrie zu Verunsicherungen führen kann. Für Farbenhersteller heisst die Zukunft eindeutig UV. Gemäss Olaf Muff entfallen 80 Prozent der Entwicklungskosten auf den UV-Bereich, und nur 20 werden in die Weiterentwicklung konventioneller – auf Lösemittel basierender – Systeme investiert. Dies rechtfertigt sich auch dadurch, dass der Anteil des UV-Drucks am Gesamtvolumen steigt, der herkömmliche Druck mit Lösemitteltinten aber tendenziell rückläufig ist.

Auch im Bereich der Härtung ist ein Trend zu besseren Arbeitsbedingungen auszumachen, ozonfreie Strahler gewinnen an Bedeutung. Trocknungssysteme auf LED-Basis bieten grosses Energiesparpotenzial und sind auch wegen nicht vorhandener Wärmestrahlung ein Thema. Ein Aspekt, welcher dazu beiträgt, dass diese Systeme den Markt jedoch nur langsam erobern, sind die hohen Anschaffungskosten.

Im Siebdruck legte die Sparte Veredlung – wie zum Beispiel das Doming oder die Hervorhebung einzelner Flächen mit Matt- oder Glanzlack – stark zu. Der Werbeklebermarkt hingegen brach ein. Genau hier liegt die Chance auch für Siebdruckereien: Durch die Bearbeitung solcher Nischen und durch die Produktion grosser Volumen haben sie ihre Berechtigung neben dem Digitaldruck.

Herausforderungfür die Werbetechnik

Es sind neue Materialien, mit denen gearbeitet werden kann, und somit neue Erfahrungen, die es zu machen gilt. Der Schritt von einem Solvent- zu einem UV-Drucker ist grösser als ein Wechsel innerhalb derselben Technologie. Es ist wichtig zu wissen, welche Kosten für die Anschaffung und den Unterhalt der Maschine anfallen. Auch gilt es die Einführung der Mitarbeiterund die Umstellung des Arbeitsprozesses zu berücksichtigen, da die Funktionsweise eines UV-Druckers anders ist als diejenige eines Solvent-Druckers. Für Werbetechnikbetriebe, welche stark im Vinylbereich arbeiten, lohnt es sich noch nicht, in den UV-Bereich zu investieren. Wo es aber um die kurz- bis mittelfristigen Verarbeitungen beispielsweise für feste Lastwagenaufbauten geht, ist der Blick über den Zaun empfehlenswert. Schon heute ist der Vinylmarkt aufgrund von kurz- und mittelfristigen Anwendungen im Direktdruck rückläufig, weil die Verwendung UV-härtender Tinten mindestens einen Arbeitsgang spart (weniger Materialaufwand: keine Folie, kein Kaschiermaterial wie doppelseitige Kleber usw.) und somit wirtschaftlicher ist.

Den Siebdruck wird der Digitaldruck trotz neuer Möglichkeiten nicht so leicht verdrängen, eine Mischrechnung von Digital- und Siebdruck ist gerade bei Massenaufträgen attraktiv. Zudem verteilt sich ein gleichbleibendes Auftragsvolumen auf eine sich verringernde Anzahl von Produzenten.

Weitere Informationen

Siebdruck mit UV-Farben: Eine Marktübersicht zu UV-­härtenden Farben mit Herstellerverweisen als Download findet sich auf www.sip-online.de (Ausgabe 1/2009).

Auch vor Spritzlacken macht die UV-Technologie nicht halt. So zeigte Akzo Nobel mit Sikkens an der frühjährlichen Kundenpräsentation eine

UV-Trocknungseinheit von 81 LED-Leuchten, welche an der Spritzpistole befestigt werden kann. Der Lack ist beim Auftreffen auf das Blech also schon aktiviert und nach wenigen Minuten trocken.

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