Operation Zukunft: Quark macht mit der 10 den Schnitt
Quark betont beim neuen Startbild das X. X steht in der IT für neu, einzigartig und für 10, wie uns Apple zeigte. X steht für extragross und extraschnell, wenn wir der Konsumgüterwerbung glauben. X steht auch für den Cut in Text und Film.
Detlev Hagemann Seit Anfang 1988, also seit einer halben DTP-Ewigkeit, arbeite ich mit XPress – zuerst nur am Mac, später auch parallel unter Windows. Quark war alle Jahre immer ein zurückhaltender Upgrader, was die Anzahl der kostenpflichtigen Up-dates betraf. Die genannte Zurückhaltung hat zur Folge, dass wir erst nach über 25 Jahren in den zweistelligen Versionsnummernbereich gelangen, während zum Beispiel der gleich alte Illustrator von Adobe nun bei Version 17 angelangt ist.
Über 20 Jahre verfasse ich mittlerweile Artikel zu XPress – und zum ersten Mal frage ich mich vorher intensiv: «Womit beginne ich den Beitrag?», und noch viel wichtiger, «für wen schreibe ich eigentlich den Beitrag? Für die Anwender von alten XPress-Versionen? Für die bewussten Adobe-Creative-Cloud-Abstinenzler? Für Print-Layouter und Print-Designer oder doch schon für multimediale Publisher? Für Macianer oder Windows-User?»
Warum mich diese Fragen so bewegen und warum ich am Anfang die Historie bemühe? XPress 10 hat das Zeug, um InDesign-Jünger und XPress-Veteranen wieder in einem Programm zu vereinen. Quark schneidet dazu viele alte Zöpfe ab und löst Knoten auf. An mehreren Stellen und Dimensionen. Das Ergebnis von 10 Eingriffen und 2 Zwischenschritten: das neue XPress.
Zuerst gab es XPress nur auf dem Mac. Alle Features von Apples Betriebssystem wurden intensiv genutzt. XPress für Windows entwickelte Quark dann so, dass die seinerzeitigen Schwächen von Windows für Anwender erträglich wurden. Quark stützte sich bis zur Version 6.5 aber weiterhin sehr stark auf die Eigenschaften des Mac-Betriebssystems. Ab Version 7 bis 9 fiel der Unterschied zwischen XPress für Mac oder Windows eigentlich nur noch bei einigen Tastenkürzeln auf. Damit ist jetzt Schluss!
XPress 10 für Mac und für Windows unterscheidet sich in der Bedienung nun sehr stark: Quark steigt mit XPress 10 in neuer Generation direkt wieder in den Apple-Schoss hinein! Die neue Version für Windows ist hingegen «nur» eine Weiterentwicklung der Version 9.5. Aber keine Angst in gemischten Umgebungen: Die XPress-10-Dateien aus den verschiedenen Betriebssystemen sind gleich. Die Unterschiede der Bedienung sind sogar so gross, dass ich als Trainer keine gemischten Anfängerkurse für XPress 10 anbieten werde. Gemeinsame Upgradekurse verbieten sich vollständig, wenn von den Kursteilnehmern auch geübt und nicht nur zugehört werden soll.
XPress 10 kann am Mac nur auf Lion (10.7.5) und Mountain Lion (10.8.x) installiert und betrieben werden – Microsoft-basiert nur auf Windows 7 und 8. Vista und XP sind perdu.
Die grossen Bedienunterschiede zwischen Windows 7 und 8 erlauben für den PC noch keine so weitgehende Rundumerneuerung wie für den Mac.
Qualitativ gab es eigentlich am PDF-Export aus XPress 9 nicht viel zu mäkeln, ausser dass XPress keinen validierten PDF/X-4-Export ermöglichte. Aber massiv zu bemängeln war, dass XPress beim Importieren von transparenten PDF-Dateien die Transparenz sofort verflachte.
Quark ersetzt die zugekaufte Importtechnologien durch eine vollkommen neue Bild-Engine, Xenon genannt. Was hat der Benutzer für Vorteile? – Sehr schneller PDF-Import und rassiges Rendern, sehr gute Vorschau-Ergebnisse. Vorschauansichten mit niedriger Auflösung gehören der Vergangenheit an. XPress kennt deshalb auch keinerlei Vorschauverbesserungsoptionen mehr. Es macht jetzt einfach Spass, auch mit Bildern in guter Vorschauqualität in XPress zu hantieren: Bilder lassen sich sogar mit der Maus ohne spürbares Nachrendern verschieben. Im Weiteren: Die Hausarbeiten für transparente PDF sind erledigt.
Mit der neuen Bilder-Engine wäre es jetzt möglich – und Quark will im Lebenszyklus der Version 10 schnell davon Gebrauch machen –, dass XPress echte X4-PDFs erzeugen kann.
Kurzfazit: Mit dem neuen Bildimport öffnet Quark die Türen für die modernen Technologien – auf Praxisergebnisse sind wir sehr gespannt.
Nicht ganz in die Wirkungsweise der neuen Xenon-Graphic-Engine passt die XTension Vista. Momentan ist sie komplett der Oberfläche beraubt. Durch Vista (= Bildeffekte) temporär abgeänderte TIFF-Bilder aus XPress 5 bis 9 werden wieder in den Originalzustand zurückversetzt – der Effekt auf dem Bild wird entfernt.
Damit wird leider auch die Möglichkeit entfallen, Pixel-Bilder fertig beschnitten aus XPress zu exportieren – hoffentlich ist hier nicht das letzte Wort in Denver gesprochen.
Nach diesen neuen und sehr wichtigen technischen Änderungen können wir uns nun dem Aufzählen der plattformübergreifenden Features widmen:
Mit XPress 10 werden Sie keine Dateien mehr öffnen können, die mit XPress 3 bis 6 zuletzt abgespeichert wurden. Wenn die ganz alten Dateien jedoch wenigstens einmal in XPress 7 bis 9 «zwischengespeichert» wurden, dann lassen sie sich auch in XPress 10 öffnen.
Die XPress-Spezialität, dass alte Umbruchalgorithmen in neuen Programmversionen weiterhin aktiv sein konnten, wird sinnvollerweise eingeschränkt. Der Uraltumbruch aus der Version 1 bis 6, der in XPress 7 bis 9 noch erhalten blieb, wird nicht mehr unterstützt. Der kurzlebige Trennalgorithmus Verbessert aus XPress 4.11 mit all seinen Fehlern kann endlich nicht mehr ausgewählt werden.
Zuerst kurz und knackig eine Aufzählung einiger Nur-Mac-Verbesserungen:
Die drei letzten Punkte lesen sich viel zu trocken. Mich hat das Zusammenspiel von Xenon und den sich wegblendenden Menüs à la Dock schlicht und einfach begeistert. Ohne Eingewöhnung erhielt das Layouten meine volle Aufmerksamkeit – kein Suchen im zu vollgestopften Cockpit. Segelfliegen statt Steuerinstrumente-Controlling.
«Alte» Technologien wie Flash und HTML4 werden von Quark nicht mehr unterstützt, Quark setzt voll auf HTML5 in Apps, Web Apps und ePubs. Also entfernt man die HTML- und Flash-Layout-Möglichkeiten aus XPress 10. Mit Konsequenzen: Alte Dateien mit diesen speziellen Layouttypen müssen noch vor dem Öffnen in XPress 10 von diesen «Altlasten» befreit werden.
Schon mit XPress 9 wechselte Quark die Technologie für die App-Produktion auf HTML5. Nun wird dieser Wechsel konsequent fortgeführt. XPress 10 bietet keine Export-Unterstützung und keine Paletten mehr. Für Anwender der AVE-Funktionalität gilt: In XPress 9 bleiben. Auch der in Europa bedeutungslos gebliebene Blio-Reader-Export passt nicht in die HTML5-Welt.
Richtig rund lief sie nie und benutzt wurde sie nur selten – die Buchfunktion in XPress. Nun wird sie aus XPress entfernt. XPress-Dateien, die zu einem Buch gehören, lassen sich aber weiterhin bearbeiten und ausgeben.
An zwei weiteren ausgaberelevanten Stellen geht Quark ebenfalls neue Wege: Der ICC-Support wird nicht mehr durch fremde Bibliotheken geleistet, sondern ist ebenfalls Bestandteil der neuen XPress-Graphic-Engine Xenon.
XPress greift jetzt auch am Mac nativ auf die Schriftenfunktionen zu: Fehlende Schriften sollte es nicht mehr geben. Alle Schriften, die in der Schriftensammlung (Font Book) zu sehen sind, stehen auch in XPress zur Verfügung. Sind für eine XPress-Datei nicht alle Schriften geladen, werden diese Textstellen im Layout markiert.
Beginnen Sie Ihren Preisvergleich mit Adobes CC-Abo-Modell gegenüber QuarkXPress doch einmal so: Für den einmaligen Upgrade-Preis von rund 550 Franken erhalte ich circa 3 Jahre lang kostenlose Zwischenupdates mit ständig erweitertem Funktionsumfang. Nach dieser Zeitspanne ist diese Version zwar nicht mehr die aktuellste, ich darf sie aber ohne zusätzliche Kosten weiternutzen. Ist das am Ende günstiger oder teurer als ein CC-Abo bei Adobe ?
Der mit XPress 8 begonnene Umbau der Bedienphilosophie wird am Mac mit der Version 10 perfekt weitergeführt. Im Zentrum der Innovationen stand dieses Mal nicht der App-Bereich mit HTML5, sondern das Arbeiten mit XPress: egal ob Print oder App, egal ob InDesigner oder XPressler. Mit allen Neuerungen ist XPress schon jetzt fit für Mavericks (Mac OS X 10.9).
Detlev Hagemann ist Autor zahlreicher Artikel und Bücher über XPress, PDF-Erzeugung und die Medienproduktion im Allgemeinen. Er konzipierte für Ringier und die SMI Schulungskonzepte. Heute berät und betreut er Verlage.