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Papier zum Begreifen




Anwendungsbeispiele

Papier zum Begreifen

Papier birgt ein haptisch-kreatives Erlebnis, Papier bedeutet Mehrwert, Papier gilt als Kostenfaktor. In diesem Dreieck gilt es, im Grafik­design den Konsens zu suchen.

RALF TURTSCHI Papier steht bei je­der konzeptionellen Gestaltungsaufgabe im Bereich Print bei den Überlegungen ganz zuvorderst. Leider ist dies in der Praxis in den wenigsten Fällen so, da wird vielfach zuerst fotografiert, dann gestaltet und gesetzt, und wenn das Gut zum Druck nach einigen Korrekturläufen endlich vorliegt, schlägt der Drucker mit der Offerte ein Papier vor. Bei vielen Projekten geht das ja auch gut, doch im Papier liegen ein paar Tücken, die man erkennen und begreifen sollte.

Opazität

Die Eigenschaft des Papiers, Licht mehr oder weniger durchzulassen, nennt man Opazität. Ein dickes Papier lässt weniger Licht durch, ist also opak. Am anderen Ende der Skala gibt es transparente Papiere oder sogar Folien, welche praktisch alles Licht durchlassen. Die Opazität entsteht vor allem durch die Zusatzstoffe im Papier und den «kreideartigen» Oberflächenstrich. Ein Problem mit der Opazität entsteht erst im Druck, wenn beidseitig gedruckt wird. Die Rückseite schimmert durch und stört die Leserlichkeit auf der Vorderseite. Dies ist bei jeder Zeitung feststellbar, die etwas gegen das Licht angehoben wird. Papiere für Zeitschriften und Magazine weisen ein Flächengewicht im Bereich von etwa 90–120g auf und bieten meist genug Opazität. Unter 100 Gramm muss man die Opazität bei der Gestaltung sorgfältig beachten. Farben, Flächen, Texte und Titel können durch das Durchschimmern un­schön in Erscheinung treten.

Volumen

Ein grosses Papiervolumen macht aus leichten Papieren dicker scheinende. Das macht sich die Buchindustrie zunutze, indem zum Beispiel ein schmalbrüstiger Roman von 200 Seiten so aussieht wie ein Simmel mit 600 Seiten und doch weniger Gewicht aufweist. Vergleichbar mit der frisch aufgeschüttelten Daunendecke. Voluminöses Papier bietet Stabilität und Kostenvorteile im Versand, ist aber meist naturbelassen und weist keinen oder wenig Strich auf.

Oberfläche

Man unterscheidet grob zwischen Naturpapieren und gestrichenen Papieren, wobei die Grenzen fliessend sind.

Naturpapiere

Natur- oder Offsetpapiere bestehen im Grunde nur aus Faser- und Zusatzstoffen (Papierbrei). Die Papierbahn kann anschliessend noch geglättet (satiniert) werden. Manchmal führt Glanz in die Irre, man kann nicht entscheiden, ob es sich um ein Naturpapier handelt oder um ein gestrichenes. Bücher- oder Zeitungspapiere sind typische Vertreter, aber auch die wunderbar haptischen Designerpapiere. Aus der Sicht der Gestaltung wirken Naturpapiere sehr speziell, edel, hochwertig oder naturverbunden, je nach Art. Im Druck jedoch «saugen» diese Papiere die Farbbrillanz weg. Der Glanz entfällt, Bilder wirken stumpf und matt. Das hängt mit der Struktur der Oberfläche zusammen: je rauer sie ist, desto mehr streut oder bricht sie das Licht, welches so weniger ins Auge reflektiert wird.

Wer in der Gestaltung auf hervorragende Bilder in einer bestechenden Farbbrillanz setzt, ist mit einem Naturpapier schlecht beraten. Die Enttäuschung wird gross sein, denn jeder Bildschirm und jeder Billig-Tintenspritzer setzt die Bilder farbiger und leuchtender um. Auch die Digitalproofs sind genauso wenig in der Lage, die Mattigkeit und die Haptik des Naturpapiers zu simulieren.

Gestrichene Papiere

Gestrichene Papiere weisen eine b­e­handelte Oberfläche auf. Nach der Pa­piermaschine wird die Papierbahn mit einer Schicht verschiedener Zusatzstoffe veredelt. Dabei werden die «Poren» des Papiers geschlossen, die Oberfläche wird feiner und regelmässiger. Auch Farbe, von hochweiss bis bunt, kann beigemischt werden. Im Druck wirkt ein farbiges Bild auf glänzend gestrichenem Papier am besten, schon matt gestrichene Papiere können da nicht mithalten. Glänzend gestrichene Papiere weisen in der Regel auch die besten Trocknungseigenschaften auf. Beim Nass-in-nass-Druck, d.h. wenn alle vier Grundfarben CMYK nacheinander auf den Bogen gedruckt werden, kann die Farbe zwischen den Druckwerken nicht trocknen, aber im Papierstapel. Für den rückseitigen Druck (Widerdruck) und weitere Fertigungsschritte wie Schneiden, Falzen, Rillen oder Perforieren ist eine minimale Trocknung unumgänglich, um das gefürchtete Abziehen zu vermeiden. Von Abziehen spricht man, wenn der Druck von der Vorderseite im Stapel auf die Rückseite abfärbt, also gleich, wie wenn man nach dem Mahl zwei Teller mit Resten von Spaghetti Napoli aufeinander stapelt.

Glänzend gestrichene Papiere haben ein besseres Trocknungsverhalten als matt gestrichene. Wenn der Auftrag pressiert, wählt man besser ein solches. Bei matt gestrichenen Papieren ist es angebracht, den Auftrag vor den Buchbindearbeiten einen Tag lang liegen zu lassen, damit die Farbe gut trocknet. Allerdings kann man auch zusätzlich einen Drucklack aufbringen, der das Druckbild minimal scheuerfest macht. Das kostet einen Druckgang mehr, und die Oberfläche wird verändert, das matte Papier glänzt oder umgekehrt, was nicht unbedingt erwünscht ist.

Papier und die Schwärzung

Druckerschwärze verhält sich anders, als man dies vom Laser- oder vom Tintenstrahldrucker gewohnt ist. Dort ist das Schwarz hoch gesättigt und auf dem Laserdrucker sogar ölig-glänzend. Das Schwarz des Offsetdruckes wirkt im Vergleich stumpf. Der Farbauftrag im Schwarz beschränkt sich auf 100% Flächendeckung. Im CMYK-Offsetdruck kann man heute bis 280% Flächendeckung in allen vier Farben erreichen. Im Zeitungsdruck ist es bedeutend weniger, nämlich 220%. Auf glänzendem Papier erzielt man eine höhere Farbdichte als auf Naturpapier, d.h. 100% Schwarz wirkt satter.

Reproduktion und Druck

Die Bildreproduktion muss auf das Papier zwingend Rücksicht nehmen. Bei einem standardisierten Arbeitsablauf wird ein Bild auf ein weisses Papier gedruckt. Die gleiche Reproduktion wird auf Zeitungspapier oder Naturpapier vergleichsweise stumpf aussehen. Mit anderen Worten muss man in der Reproduktion Gegensteuer geben, generell das Bild kontrastreicher und farbiger halten, um ein ähnliches Resultat wie auf weissem Papier zu erhalten. Diese Kompensation kann an verschiedenen Stellen des Workflows geschehen: bei der Bildreproduktion in Photoshop, mittels Farbprofil beim Rippen oder in der Druckmaschine.

Beispielhafte Hilfe bietet der schwedische Papierhersteller Munken mit einem Büchlein, welches gratis über den Papierhandel bezogen werden kann: «Munken Guide». Hier werden Beispiele einer papiergerechten Reproduktion auf Munken-Papiere (Munken Pure, Munken Lynx) gezeigt, es ist sichtbar, was passiert, wenn normal gefertigte Bilder auf Naturpapier gedruckt werden.

Metalleffekte

Metallische Effekte im Papier sind en vogue. Es gibt Papiere mit Glimmereffekten in allen Farbnuancen, silberfarbene Papiere mit mattem Charakter und solche, die aussehen, als hätte man eine Chromoberfläche vor sich. Im Beispiel der Verpackungen von Ceylor-Präservativen verwendeten wir eine hochglänzendes, chrombedampftes Papier. Im Druck sind spezielle Folienfarben gefordert, die über die Luft trocknen, die «Papieroberfläche» ist versiegelt und kann keine Farbe aufsaugen. Bei einem ersten Andruck trocknete die Farbe auch nach zwei Tagen nicht, obwohl nachträgliche Untersuchungen weder beim Papier noch bei der Farbe Unstimmigkeiten ergaben. Vielleicht lag es am Feuchtwasser in der Druckmaschine, so richtig fand man es nie heraus. Erst ein Wechsel zu einer ähnlichen Papiersorte brachte die gewünschte Trocknung, die für eine industrielle Fertigung unerlässlich ist. Spezielle Papiere bringen zwar sehr schöne Effekte, man muss dabei jedoch häufig alle Standards vergessen. Die Gestaltung ist auf einem Digitalproof nicht so darstellbar, wie sie im Druck herauskommt. Eine bestimmte Pantonefarbe wirkt auf Weiss ganz anders als auf Chrom oder Gold. Spiegelglänzendes Papier kann man nicht auf dem Bildschirm darstellen. Als Proof kommt nur ein Chromalinproof in Frage, und in der Datei muss der Silbereffekt als Grundierung definiert sein. Für einen Andruck hingegen braucht es diese Grundierung nicht, man hat also zwei verschiedene Dateien zu verwalten und zu korrigieren – bei 30 Verpackungssorten keine Kleinigkeit. Und der Umgang mit Deckweiss ist im Workflow ein einziges Fragezeichen. Experimentelle Papiere bedingen Erfahrung, Lust zum Neuen, Zeit und Geld.

Der Preis des Papiers

«Designerpapiere» sind einiges teurer als normale weiss gestrichene Papiere, was sich in grossen Auflagen besonders stark auswirkt. So kommt viel Kreativität unter die Räder, weil die Kunden den Mehrwert des Papiers des Öfteren nicht so hoch einschätzen. Wenn der Papierpreis einen Drittel des Druckauftrages ausmacht, überlegt sich manch einer, ob es nicht auch etwas günstiger geht. Es geht. Im Fall des oben erwähnten Munken Pure gibt es zum Beispiel das Z-Offset von Ziegler Papier mit einer ähnlichen Haptik, das aber einiges günstiger ist. So lohnt es sich auch für Gestalter, sich im Markt umzusehen und die Drucker um Alternativen anzufragen. Die Papierhändler führen ausserdem einen Musterservice mit Beratung, wo man sich Papiere bemustern lassen kann.