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Photoshop CS2: Optimierte Bildoptimierung

Serie Photoshop CS2, Teil 1: Features für die Bildbearbeitung

Optimierte Bildoptimierung

Frisch gepresst und ausgeliefert: Mit CS2 steht eine neue Version des Bildbearbeitungs-klassikers vor der Tür. Vor allem im Bereich der Bildbearbeitung bringt sie einige neue Funktionen. Günter Schuler hat sich die Details genauer angesehen.

GÜNTER SCHULER Die Welt der digitalen Bildbearbeitung befindet sich im Umbruch. Gelegentliche Turbulenzen gehörten zwar bereits in der Vergangenheit zum digitalen Lifestyle. Der weiterhin anwachsende Markt für Digitalkameras verändert die Arbeitsbedingungen allerdings auf eine nachhaltigere, tiefer gehende Weise als andere Innovationsschübe. Bemerkbar macht sich diese Veränderung vor allem in den Berufsfeldern: Waren Fotografie und digitale Bildbearbeitung noch in den Neunzigern weitgehend getrennte Sektoren, verschwimmen diese Grenzen nunmehr zusehends. Fotografen machen auch Bildbearbeitung, und umgekehrt. Ein weiterer Veränderungsstrang – der Weg zu (noch) mehr Farbtiefe – steckt gegenwärtig noch in den Kinderschuhen. 16 Bit sind, auch dank Raw, aktuell der Standard. Darüber hinaus werden jedoch neue Ansätze und Techniken diskutiert; teilweise ranken sie sich um Begriffe wie HDR-Farben und gehen nicht ohne Grund synchron mit ähnlichen Entwicklungen im Bereich der TV-Technik einher. Interessant ist daher auch, wie die neue Photoshop-Version mit diesen Herausforderungen umgeht.

Umbruch auch in Photoshop

Adobe hat die neue Welt der Bildbearbeitung in ihrem Pixelklassiker nicht in einem grossen Schub, sondern in mehreren entscheidenden Schritten implementiert und auch entscheidend mitverändert. Einstellungsebenen, 16 Bit Farbtiefe als Bearbeitungsstandard, Arbeiten mit Raw-Daten, Bildbrowser sowie eine als Creative Suite verpackte Medienproduktionsplattform markieren auch in der Standardanwendung Nummer eins eine deutliche Scheidelinie zur herkömmlichen, noch Ende der Neunziger vorherrschenden Bildbearbeitung. Der aktuelle Programmverbund aus InDesign, Illustrator, Photoshop, GoLive und Acrobat Professional bedeutet einen weiteren kräftigen Schritt in diese Richtung. Die Neuigkeiten im groben Überblick: ein nunmehr programmübergreifend nutzbarer Dokumentbrowser namens Bridge, mehr Optionen beim Import von Raw-Daten, ein neuer Funktionsbereich zum Bearbeiten von sogenannten HDR-Bilddaten und schliesslich ein üppig bestückter Korb an Bildbearbeitungsfunktionen. Insbesondere im Bereich der Brot- und Butterfilter für Scharfzeichnung, Weichzeichnung, Linsenkorrektur und Rauschunterdrückung hat sich einiges getan.

Bildbearbeitung bleibt Photoshops Hauptaufgabe

In einem Punkt können insbesondere Traditionshardliner aufatmen. Versiertes Korrigieren und Optimieren von Bilddaten gehört nach wie vor zu Photoshops Kernkompetenz. Unter Beweis stellte dies bereits die Vorversion CS1. Die nicht zu Unrecht als «digitaler Aufhellblitz» bezeichnete Schattendetail-Korrekturfunktion Tiefen/Lichter unterstützt ab CS2 auch Bearbeitungen im CMYK-Modus. Dies klingt an sich nicht spektakulär; schliesslich konnte man sich auch mit der Vorversion bereits behelfen und die Funktion eben auf einzelne Kanäle (zum Beispiel den Schwarz-Kanal) anwenden. Workarounds dieser Art sind nunmehr nicht mehr nötig. Was diesem effizienten Tool in der Zweierversion allenfalls noch fehlt, ist ein Pop-up-Menü, mit dem sich Kanäle direkt ansteuern lassen – ähnlich wie in Gradationskurven oder Tonwertkorrektur.

Echten Anlass zum Klagen bietet das Highlight-Tool der CS1-Version jedoch kaum; Bildbearbeiter waren mit Tiefen/Lichter bereits in der Vorversion gut bedient. Neben einem funktionserweiterten Tiefen-/Lichter-Tool enthält das Menü Anpassen einen nagelneuen Befehl: Exposure, was wörtlich übersetzt Belichtungskorrektur heisst. Hinter Exposure verbirgt sich auf den ersten Blick «nur» eine zusätzliche, mit drei unterschiedlichen Reglern aufwartende Bearbeitungseinheit für Bildhelligkeit und Kontraste. Die Funktion konkurriert zwar erkennbar mit den beiden Platzhirschen Tonwertkorrektur und Gradationskurven; die Regularien orientieren sich jedoch weitaus stärker an den Korrekturfunktionen im Raw-Importdialog. Die dahinter steckende Philosophie ist eindeutig: Exposure wartet nicht unbedingt mit neuen, spektakulären Algorithmen auf, sondern liefert vielmehr ein eingängiges, einfaches Zusatztool für die grundlegenden Bearbeitungsschritte. Darüber hinaus ist Exposure eines der wenigen Anpassen-Tools, welches in der neuen Version die neu aufgegleiste Farbtiefe 32 Bit unterstützt (separater Beitrag zum neuen Funktionsbereich 32-Bit-Modus und HDR-Farben im nächsten Publisher). Der Rest der neuen Bildbearbeitungsfunktionen sind: Filter, Filter, Filter ...

Neue Brot- und Butterfilter

Die Frage «Wie zeichne ich ein Bild möglichst professionell und optimal scharf?» gehört in der Bildbearbeitung bekanntlich zu den Dauerbrennern. Nachdem sich der Adobe-Standard lange Jahre mit dem (zugegebener­massen sehr guten) Filter Unscharf maskieren begnügte, offeriert Photoshop CS2 einen echten Neuzugang: Smart Sharpen. Mit Einstellungsreglern für Stärke und Radius enthält Smart Sharpen zwar durchaus bekannte Regularien. Die restlichen Einstellungen sowie zwei separate Fortgeschrittenenreiter für die Schärfung von Bildtiefen und Bildlichtern verdeutlichen jedoch, dass es sich hier weniger um eine Alternative handelt als vielmehr um eine Ergänzung für das ambitioniert-fortgeschrittene Scharfzeichnen von Bildern. Variabel ist Smart Sharpen zum einen im Hinblick auf die Art und Weise der Unschärfemaskierung. Eine Pop-up-Liste präsentiert unterschiedliche Methoden der Scharfzeichnungsgenerierung; sie unterscheiden sich allerdings nur in minimalen Details. Gute Algorithmen sind zwar auch in Unscharf maskieren enthalten; der Unterschied besteht allerdings darin, dass die Wahl der Unschärfemethode dort nicht variabel ist.

In der Praxis scheinen die drei unterschiedlichen Methoden auf unterschiedliche Bildunschärfen anzuspringen. Hier wird sich wohl erst nach ausführlicheren Tests wirklich Präzises sagen lassen; die eingestellte Standardmethode gausscher Weichzeichner ähnelt, was nicht überrascht, den aus Unscharf maskieren bekannten Ergebnissen am meisten. Praxisrelevantere Auswirkungen scheinen die beiden zunächst verborgenen Reiter zur Modifizierung der Scharfzeichnung in den Tiefen und Lichtern zu haben. Sie enthalten jeweils drei Regler: eine Radiuseinstellung zum Feintunen eines Dimmeffekts (die Scharfzeichnung wird in diesem Bereichen zurückgenommen), einen zum Festlegen eines Schwellenwerts (ab wann besagter Dimmeffekt einsetzt) und einen schliesslich zur Festlegung der Effektgesamtstärke (da in den beiden Reitern die Scharfzeichnung zurückgenommen wird, müsste man eigentlich von Effektzurücknahme oder von partiellem Verblassen reden). Nützlich erweist sich diese Modifikationsmöglichkeit vor allem dann, wenn es darum geht, die berüchtigten Scharfzeichnungs-Hallos in Konturbereichen zu vermeiden. Fazit: Eine Beschränkung der Scharfzeichnung in festlegbaren Tonwertbereichen bringt hier ersichtlich bessere Ergebnisse.

Drei neue Weichzeichner

Unter den Weichzeichnungsfiltern finden sich gleich drei Neuzugänge. Basicsorientierte Bildbearbeiter werden sich hier mit Sicherheit fragen: Braucht man die alle? Sicherlich fallen Surface Blur, Box Blur und Smart Blur nicht in die Kategorie der zum Insel-Notpaket gehörenden Basicsfilter. Andererseits: Surface Blur kombiniert die Wischfingermethode von Helligkeit interpolieren mit einem einstellbaren Schwellenwert, Box Blur offeriert einen zusätzlichen Filter zur Simulation von Bewegungsunschärfe; Smart Blur schliesslich ermöglicht es, die Verteilungsmethode der Unschärfe über das Auswählen von Vektorformen festzulegen. Brot und Butter sind, siehe auch Artikeleingang, Definitionssache. Was Bildbearbeiter aus dem Prepress-Bereich vielleicht kalt lässt, ist Fotografen, welche ihre Bilder liften, unter Umständen sehr willkommen.

JPEG-Artefakte beseitigen

Auf die Klientschaft der Digital- und Profifotografen sind auch die restlichen Filter-Neuzugänge versiert. Reduce Noise (Rauschreduzierung), gelegen bei den Störungsfiltern, offeriert ein recht umfangreiches Tool für das professionelle Unterdrücken von Rauschen und JPEG-Artefakten. Einzelne Regler-Einstellungen erinnern zwar an ähnliche Funktionen im Raw-Importdialog. Insgesamt jedoch ist das Instrumentarium von Reduce Noise dem in Camera Raw implementierten eindeutig überlegen. Auch die vorletzte Innovation im Filter-Menü wird wohl vor allem von Fotografen begrüsst werden. Lens Correction, auf deutsch Linsenkorrektur, kann weitaus mehr als nur Linsenverzerrungen korrigieren. Vielmehr handelt es sich um ein Modul, dessen Funktionen sich bei voll ausgefülltem Bildschirm am mondänsten einstellen lassen. Horizontbegradigungen, Perspektiv-Shifting, Vignettenbeseitigung, Linsenkorrekturen und das Korrigieren aufnahmebedinger Farbhallosäume an den Konturen (Chromatische Aberation): Die beschriebenen Missstände können zwar auch mit herkömmlichen Photoshop-Funktionen gemildert oder eliminiert werden; konsultiert werden müssen dafür jedoch fünf Programmbereiche: Drehen zum Horizontbegradigen, Freiverzerren zum Shiften ungerader Fluchtpunktlinien, Auswählen plus Bildbearbeitungsbefehle zum Aufhellen von Vignetten, der Filter Distorsion für Linsenkorrekturen und schliesslich Verschieben-Operationen in Einzelkanälen zum Beseitigen von Farbhallos. Fazit: Lens Correction wäre doch mal eine Funktion, bei der das Prädikat «eierlegende Wollmilchsau» ernsthaft zu vergeben wäre.

Zusätzliche Stockwerke stempeln

Eher zwiespältig fällt die Wertung des letzten Filterneuzugangs aus. Bereits die englischsprachige Bezeichnung Vanishing Point (wörtlich übersetzt etwa: verschwindender Punkt) verleitet kaum zu Assoziationen, dass es sich hierbei um eine bildbearbeitungsrelevante Funktion handeln könnte. Der Filter, nach demselben üppigen Schema aufgebaut wie die benachbarten Tools Extrahieren, Verflüssigen und Mustergenerator, ermöglicht es, Bildbereiche unter Einbeziehung eines perspektivischen Rasternetzes anzustempeln und auf diese Weise etwa Hochhäuser zu verlängern und ähnlich spassige Dinge anzustellen. Fun-Filter haben zweifels­ohne ihre Berechtigung. Allerdings: In der Praxis erweist sich Vanishing Point als eine eher gewöhnungsbedürftige als leicht zu beherrschende Angelegenheit – zumindest dann, wenn man Ergebnisse erzeugen will, die einigermassen glaubhaft wirken.

Zum Zuge kommt bei Vanishing Point eine neue Stempelmethode. In der Werkzeugpalette ist sie unter dem Namen Spot Healing Brush präsent. Kennzeichen: Im Unterschied zu anderen Stempelwerkzeugen, welche einen Aufnahme-Referenzpunkt benötigen und/oder Referenz und Ziel miteinander vermischen, sucht sich die neue Funktion selbsttätig Pixel aus der Umgebung und bringt den ausgestempelten Zielpunkt zum Verschwinden. Besonders Staub und Kratzer bei Scans lassen sich mit diesem Werkzeug sehr mondän angehen. Last but not least: Im Gepäck der Werkzeugpalette befindet sich nunmehr auch ein neues Instantwerkzeug zur Korrektur des Rote-Augen-Effekts.

Neuheiten sind gekennzeichnet

Auch die Ebenenpalette hat, wie zu erwarten, einige Neuerungen erfahren. Gruppieren lassen sich Ebenen nunmehr unabhängig von der Nachbarschaft zueinander. Für ein auflösungsunabhängiges Halten von Vektordaten in Photoshop sorgt ein neuer Ebenentyp namens Smart Objects. Der Nachteil dieses neuen Vektorebenentyps allerdings ist, dass in ihm nur wenige, rudimentäre Bearbeitungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Für Bildbearbeiter eher peripher wird auch ein neuer Transformationsmodus sein: Warpen, sprich: mit unterschiedlichen Hüllenformen arbeitendes Verzerren. Substanziell brillieren kann Photoshop CS2 schliesslich im Bereich des Arbeitsinterfaces sowie bei der Zusammenarbeit mit anderen Programmen. Zwei davon – der zu einem eigenständigen Tool namens Bridge avancierte Dateibrowser sowie die erweiterten Raw-Funktionen – werden in den kommenden Publisher-Ausgaben separat vorgestellt. Ebenso auch der neue 32-Bit-Modus, welcher auf unterschiedliche Funktionen verteilt ist.

Ansonsten spürt man die verstärkte Synchronisation und Vereinheitlichung im Gesamtkonzept der Creative Suite an allen Ecken und Enden. Neben programmübergreifend synchronisierten Optionen für den PDF-Export macht sich die neue Linie im Bereich Arbeits-Interface vor allem im Bereich variabler Arbeits-Layouts bemerkbar. Ermöglichte bereits Photoshop CS1 userdefinierte Shortcut-Belegungen, geht CS2 einen Schritt weiter und erlaubt auch das Einfärben sowie Unsichtbarmachen von Menüpunkten. Praktisch erweisen sich eingefärbte Menüpunkte vor allem in der Arbeitslayout-Liste von Photoshop CS2: Sie enthält unter anderem eine Konfiguration, welche neue und relaunchte Funktionen in den Menüs blau einfärbt. What‘s new in Photoshop CS2: Mit dieser speziellen Konfiguration hat man die Neuigkeiten auch visuell im Blick.

Aktivierung auch auf dem Mac

Last but not least, eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute lautet: Der maximal verwendbare Arbeitsspeicher für Photoshop hat sich auf dem Mac ungefähr verdoppelt. Mit rund 3,5 Gigabyte RAM ist Photoshop zwar noch nicht ganz an der Auslastung dran, welche aktuelle G5-Rechner ermöglichen; besser als zwei sind dreikommafünf jedoch allemal. Die schlechte Nachricht hat bereits im Vorfeld für Unmut gesorgt: Die bereits von der Windows-Plattform bekannte Aktivierungsprozedur wird nun, da bleibt der kalifornische Hersteller hart, auch auf dem Mac obligatorisch. Die Zeiten, in denen man mit Software ohne grösseren Aufwand loslegen konnte, scheinen sich so langsam, aber sicher ihrem Ende zuzuneigen. Zumindest, und dies trifft auf die Programme der Creative Suite zweifellos zu, wenn es sich um hochkarätige Profianwendungen handelt.

Im nächsten Publisher:

Photoshop CS2: HDR & 32 Bit – Was ist dran an der neuen Farbtiefe?

 

 

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