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Photoshop CS2: Vielseitiger Dateibrowser

Serie Photoshop CS2

Vielseitiger Dateibrowser

Trotz neuen Bildbearbeitungsfunktionen, 32-Bit-Modus und relaunchtem Camera-Raw-Modul: Das Herzstück der neuen Photoshop-Version ist die Adobe Bridge. Was Bridge besser kann als der alte Dateibrowser, beschreibt Günter Schuler im folgenden Beitrag.

GÜNTER SCHULER Betrachtet man die neue Photoshop-Version rein aus Marketing-Gesichtspunkten, kommt man nicht umhin, Photoshop CS2 als einen rundum gelungenen Coup zu betrachten. Die Neuerungen im klassischen Bereich der Bildbearbeitung (Publisher 3-05) sind oberflächlich gesehen zwar klassische Optimierungs­features. Auf den zweiten Blick jedoch offenbart sich ein Instrumentarium, dass vor allem auf professionelle Digitalfotografen zugeschnitten erscheint. In dieselbe Richtung gehen auch die neuen Modus-Experimente in Sachen 32 Bit und die stark ausgebauten Fähigkeiten im Bereich Camera Raw (Publisher 4-05 und 5-05). Dass der Klassiker unter den Bildbearbeitungsprogrammen zunehmend auf digitale Massenware eingestellt ist, erscheint angesichts des weiterhin boomenden Digitalkamera-Marktsegments nur folgerichtig.

Schaltzentrale der Suite

Nirgendwo werden die veränderten Rahmenbedingungen beim Umgang mit digitalen Bilddaten deutlicher als beim neuen, im Lieferumfang der aktuellen Suite bzw. Photoshop CS2 enthaltenen Bilddatenbrowser Adobe Bridge. Bridge schafft Ordnung und Übersicht, wo die herkömmlichen Öffnen-Dialoge hoffnungslos überfordert sind. Dass sich die Zeit der überschaubaren, jobbezogenen Bildordner langsam ihrem Ende zuneigt, zeigte bereits der Vorgänger, die Dateibrowser-Palette in Photoshop CS1. Die neue Steuereinheit wird jedoch nicht nur professionelle Digitalfotografen erfreuen. Als eigentliche Zentrale der aktuellen Creative Suite lässt sie sich auch von InDesign- und Illustrator-Usern gewinnbringend nutzen. Zudem ist bei der Bridge als Browser im wörtlichen Sinn die Reichweite nicht auf die eigene Festplatte beschränkt. Eingebaut ist ein neuer Bildorder-Service namens Adobe Stock Photos. Über diesen können Suite-User Stock-Bildmaterial ansehen, Probe laden und schliesslich lizenzieren. Zudem offeriert Bridge Funktionen, die schon im alten Photoshop-CS1-Dateibrowser zur Verfügung standen – nur besser, umfangreicher und intuitiver: Durchforsten und Ansehen von Bilddatenbeständen, Ansicht und Eingabe von Suchbegriffen und Metadaten, Eingeben von Rankings, Features für das Suchen und Umbenennen von Dateien sowie, last but not least, erweiterte Möglichkeiten zur Anwendung von Stapelverarbeitungsbefehlen.

Der intuitivere Dateibrowser

Die wichtigste Neuigkeit: Der ehemalige Dateibrowser wurde aus Photoshop komplett ausgegliedert und funktioniert nunmehr als Stand-alone-Applikation. Befehle zum schnellen Umschalten von Photoshop zu Bridge und umgekehrt sind zwar vorhanden, aber eigentlich gar nicht nötig. Als eigenständige Dateibrowser-Anwendung verfügt Bridge über eine eigene Menüleiste. Die wichtigsten Befehle sind zwar nach wie vor im Bridge-Fenster präsent. Die im Hauptfenster zur Verfügung stehenden Bearbeitungsfunktionen konzentrieren sich jedoch vor allem auf diverse Ansichtsmodi und die Steuerung des Interfaces. Stapelverarbeitungsbefehle, das Anbringen von Rankings, dezidiertere Öffnen-Befehle sowie die Suchen- und Umbenennungsfunktionen verbergen sich allesamt in den Menütiefen.

Das eigentliche Bridge-Fenster präsentiert sich im Wesentlichen wie der Dateibrowser der Vorgängerversion. Kleiner, aber feiner Unterschied: Anders als der Dateibrowser erlaubt Bridge das Öffnen mehrerer Bridge-Fenster gleichzeitig. Praktisch ist dies etwa beim Verschieben von Dateien in den Tiefen der Ordner-Hierarchien. Angezeigt wird die Festplattenhierarchie nach wie vor im links angesiedelten Reiterbereich. Zu den vier bereits bekannten Reitern Ordner, Vorschau, Metadaten und Stichwörter ist ein fünfter namens Favoriten getreten. Gedacht ist er vor allem als Schnellzugang zu den wichtigsten Brigde-Brennpunkten: dem Bridge Center, der Festplatten-Hierarchie (Computer), dem Projektmanagement-Tool der Suite, Version Cue sowie selbst angelegten Favoriten. Kritisch zu vermerken bleibt an dieser Stelle, dass die Schreibtischoberfläche (zumindest auf dem Mac) nur über Umwege ansteuerbar ist – beispielsweise über Schreibtisch-Ordner, die behelfsmässig in den Favoriten-Bereich gezogen werden.

Flexible Bildvoransicht

Was das eigentliche Interface angeht, präsentiert sich Bridge von ihrer besten Seite. Die Grösse der Miniaturvorschauen muss nicht mehr via Voreinstellungen festgelegt werden, sondern lässt sich on the fly regulieren – durch einen Schieberegler im unteren Fensterbereich. Die Voreinstellungen offerieren unter Allgemein einen zusätzlichen Interface-Punkt: einen Schieberegler zum Einstellen des Hintergrund-Grautons im Ansichtsbereich. Gleich rechts neben dem Vorschaugrössen-Regler präsentiert Bridge die unterschiedlichen Ansichtsmodi: Miniaturansicht, Listenansicht sowie die neu hinzugekommene Filmstreifenansicht. Im oberen Bereich befinden sich die obligatorischen Ansichtsauswahl-Funktionen, die Buttons zum Kippen hochkantiger Bilder, zum Anlegen neuer Ordner sowie zum Löschen von Bilddateien und Verzeichnissen. Neu ist der Button ganz oben links. Mit ihm lässt sich per Klick zwischen grosszügig ausgebreitetem Normalmodus und stark komprimiertem Kompaktmodus hin- und herswitchen. Der Rest – die drei Reiter für Vorschau, Stichwörter und Metadaten – unterscheidet sich nicht wesentlich von den gleichnamigen Funktionen im ehemaligen Dateibrowser.

Werkzeuge und Batchfunktion

Die grossen Potenziale des neuen Browser-Zusatztools werden beim Blick in die einzelnen Menüpunkte sichtbar. Beschriftung enthält die Befehle zum Anbringen zweier unterschiedlicher Markierungs- und Rankingformen. Sternchen von eins bis fünf waren bereits vorhanden; ergänzend hinzu kommen nunmehr Etikettenfarben. Um die Befehle nicht jedes Mal aufwändig in den Menütiefen aufrufen zu müssen, sind auch die Shortcuts entsprechend einfach gehalten: Befehlstaste plus 1 bis 5 für Sterne, oder plus 6 bis 9 für Etikettenfarben. Komplizierter als die Rankingzuweisungen verhalten sich die Befehle im Menü Werkzeuge. Dieses enthält diverse Stapelverarbeitungs- und Batchkonvertierungsbefehle für die Programme InDesign, Illustrator und natürlich Photoshop. Photoshop-Usern präsentieren sich hier die altbekannten Automatisierungstools und Stapelverarbeitungsfeatures ebenso wie neue, vorgefertigte Batchkonvertierungsbefehle. Das Konvertieren markierter Bilddateien in Standardformate wie Tiff, JPEG oder PSD funktioniert angenehm unkompliziert. Ebenso das Aufrufen der alten Photoshop-Schnittstelle Stapelverarbeitung. Photoshop-Aktionen lassen sich wie bereits in der Vorversion von zwei Stellen einrichten: in Photoshop selbst oder eben vom ins Menü umgezogenen Bridge-Befehl Stapelverarbeitung.

Dateitypzuordnungen

Etwas komplizierter als die alte Dateibrowser-Palette verhält sich Bridge beim Umgang mit Formaten. Mit welchem Programm etwa soll eine Gruppe markierter EPS-Dateien geöffnet werden? Handelt es sich um Bilder, erscheint der Fall meist klar; hier ist wohl Photoshop zuständig. Was aber, wenn es sich bei den EPS-Daten um Vektorgrafiken handelt? Ob Illustrator oder doch lieber Photoshop – Entscheidungen wie diese können in dem neuen Voreinstellungen-Punkt Dateitypzuordnungen genauer spezifiziert werden. Allerdings: Zumindest in der vorliegenden Version und auf dem Mac garantiert eine entsprechende Vorgabe nicht, dass das gewünschte Verhalten tatsächlich eintritt. Als eindeutig erkennt Bridge in der gegenwärtigen Version lediglich das Suffix – also Dateiendungen wie .eps, .psd und so weiter. Dies heisst: Soll verhindert werden, dass die markierte Bildauswahl von alternativen Programmen (wie etwa der noch auf dem Rechner befindlichen Photoshop-Vorversion oder GraphicConverter) geöffnet wird, ist es gegenwärtig die sicherste Lösung, alle Dateien mit einem Suffix zu versehen.

Voransicht funktioniert nicht immer

Vereinzelte Schwächen zeigt die aktuelle Bridge-Version auch bei einem weiteren programmübergreifenden Punkt: dem Anzeigen von InDesign-Layouts und PDF-Dokumenten. Ähnlich wie der Öffnen-Dialog in Photoshop selbst erlaubt auch der Filmstreifen-Ansichtsmodus in Bridge ein Blättern in mehrseitigen PDF-Dokumenten und Layouts. In der Praxis allerdings erscheinen PDF-Dokumente oft nur mit dem altbekannten Icon. Dasselbe gilt für InDesign-Layouts. Hier scheinen von der Bridge-Vorschauschwäche insbesondere InDesign-Dokumente der Vorversionen betroffen zu sein. Auch bei Layoutdokumenten der Konkurrenz QuarkXPress wird lediglich das Dokumentsymbol angezeigt – was jedoch nicht wirklich verwundert. Kleine Schnitzer erlaubt sich Bridge schliesslich auch beim Öffnen von Raw-Dateien (siehe auch Publisher 5-05): Ob die Einstellung 16 Bit in Photoshop tatsächlich umgesetzt wird, entscheidet hier schlichtweg die Wahl des richtigen Befehls. Lediglich bei Illustrator-Grafiken und entsprechenden EPS-Dateien sind bislang keinerlei Aussetzer zu beobachten. Entwarnung kann natürlich bei der Unmasse von Pixelformaten gegeben werden; in dieser Domäne verhält sich das vom Photoshop-Dateibrowser zur programmübergreifenden Applikation gewandelte Tool wie erwartet untadelig.

Last but not least: Mehr Wahlmöglichkeiten als bislang bietet Bridge auch im Hinblick auf das Volumen der im Metadaten-Reiter angezeigten Metadaten. Der Punkt Metadaten ermöglicht nämlich das An- und Ausklicken der unterschiedlichen Metadaten-Typen. Gut ist diese Beschränkung etwa dann, wenn man die wesentlichen Exif-Daten für das Camera-Raw-Format im Blickfeld behalten möchte, ohne ständig in der Palette hoch- und herunterzuscrollen.

Farbeinstellungen, Adobe Stock Photos und der Rest

Über die aufgeführten Ansichts- und Verwaltungsfunktionen hinaus offeriert Bridge zwei weitere programmübergreifende Funktionen. Über den Punkt Creative Suite-Farb­einstellungen lassen sich die Farbmanagement-Funktionen sämtlicher Suite-Programme vereinheitlichen. Vorhanden ist diese Funktion allerdings nur, wenn Bridge im Rahmen des CS2-Komplettpakets lizenziert wurde. Allerdings: Da der Dialog dieses Features lediglich die obligatorischen Standardeinstellungen enthält, welche auch in den restlichen Adobe-Programmen angeboten werden, sollte man beim Arbeiten mit eigenen Profilen und selbstangelegten Sets ein verstärktes Augenmerk darauf legen, welche Einstellungen hier genau zum Zuge kommen.

Kein Bildmaterial vorhanden, und die Deadline naht? Für diese nicht ganz unalltägliche Situation stellt Adobe nun einen ganz eigenen Service zur Verfügung: Adobe Stock Photos. Hierbei handelt es sich um ein Online-Portal, unter dessen Dach unterschiedliche Stock-Anbieter ihr Bildmaterial zur Verfügung stellen. Adobe Bridge erfüllt in diesem Zusammenhang die Funktion eines Webbrowsers, mit dem sich die unter dem aufgeführten Portal versammelten Bildbestände durchforsten und gegebenenfalls lizenzieren lassen. Um die Suche effektiver zu gestalten, lassen sich wie bei Bildsammlungen üblich Suchbegriffe verwenden – beispielsweise «Palmen», «Urlaub», «Models» oder «Architektur». Die Ausgangsseite bietet bereits ein üppig bestücktes Auswahlverzeichnis von Begriffen und Unterbegriffen. Low-Res-Versionen der angezeigten Bilder lassen sich per Doppelklick oder über den Button Komposition herunterladen auf den eigenen Rechner spielen. Das Aktivieren des Buttons Preis und Stichwörter abrufen offeriert zusätzlich eine Preisliste. Download und Bezahlung werden schliesslich über den Button In den Warenkorb initiiert. Allerdings: Angesichts der im dreistelligen Euro-Bereich angesiedelten Einzelbild-Preise dürfte sich das neue Angebot fast nur für professionelle Agenturen und Reinzeichnerbüros als nützlich erweisen.

Fazit

Das neue Zusatztool Adobe Bridge wird auch gehobenen Ansprüchen gerecht. Für Anwender mit umfangreichen Bildbeständen wurde bereits der Dateibrowser der Photoshop-Vorgängerversion schnell unentbehrlich. Was den Arbeitskomfort angeht, ist Bridge nochmals deutlich besser. Dies gilt auch für die Möglichkeiten im Bereich Markierung, Stapelverarbeitung, Batchkonvertierung und Metadatenanzeige. Eine gewisse Umstellung für all diejenigen, die Bilder noch auf den herkömmlichen Wegen öffnen, soll dabei nicht verschwiegen werden. Allerdings: Wer mit umfangreichen Bildbeständen zu tun hat und diese organisieren und auf einen Blick sichten will, für den führt an einem Bildverwaltungstool wie Bridge kaum mehr ein Weg vorbei. Die Detailschwächen der derzeitigen Version im Bereich der Vektorformate sind zwar nicht gänzlich ohne Belang. Allerdings handelt es sich hierbei um typische Startfehler einer Neuapplikation, wie sie Bridge nun einmal – Dateibrowser hin oder her – ist. Wer eine perfekte Brücke haben möchte, wird auf CS3 warten müssen. Was die grundlegenden Funktionen eines Bilddatenbrowsers angeht, befindet sich bereits die aktuelle Version auf dem neuesten Stand. Auch ohne die Zusatzfunktionen fürs Farbmanagement und das integrierte Online-Portal Adobe Stock Photos ermöglicht Bridge eine enge Anbindung an Photoshop – und ein Arbeiten mit Bildern, wie es angesichts der aktuellen Entwicklung im Digitalbildbereich mehr und mehr zum Standard wird.

Photoshop-Serie

Dieser Artikel ist der vierte und letzte einer Serie von Günter Schuler über Photoshop CS2.

Heft 3-05 Features für die Bildbearbeitung
Heft 4-05 HDR & 32 Bit – Was ist dran an der neuen Farbtiefe?
Heft 5-05 Neues beim Raw-Format
Heft 6-05 Dateibrowser programmübergreifend – Adobe Bridge

 

 

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