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Photoshop CS2: Was bringt der neue 32-bit-Modus?

Photoshop CS2

Tiefgreifende Farbanpassungen

Da reibt man sich die Augen: Kaum lassen sich 16 Bit durchgehend nutzen, verdoppelt Photoshop die Farbtiefe und stellt einen 32-Bit-Modus zur Verfügung. Reine Rechenspielerei oder tatsächlich ein Durchbruch zu besseren Bildern?

GÜNTER SCHULER Der Begriff HDR-Farben stellt so etwas wie eine magische Zielmarke dar. HDR (High Dynamic Range) bezeichnet einen grösseren Farbraum, da für jeden Farbkanal 32 Bit Information zur Verfügung stehen statt wie bisher 8 Bit.

HDR-Bilder: Braucht es überhaupt mehr Farbtiefe?

Zweifellos ist Auflösung der wichtigere Faktor als Farbtiefe, um mehr Bilddetails herbeizuführen. Da Kameras und Scanner jedoch Pixel im Überfluss anliefern, welche von den Bildbearbeitungsprogrammen selbst lediglich weiterverarbeitet werden, konzentriert sich die aktuelle Photoshop-Version CS2 folgerichtig auf den zweiten Qualitätsfaktor: das Aufstocken der Farbtiefe.

12, 16 oder noch mehr Bit Farbtiefe bei der Bilderfassung sind oberhalb des Consumer-Marktsegments fast Standard. Digitalkameras operieren gegenwärtig im Bereich zwischen 12 und 16 Bit; High-End-Scanner können bis zu 32 Bit Farbtiefe anliefern. Vorteile bringt diese Farbtiefe vor allem bei der Bildbearbeitung. Mit 30000 oder mehr Nuancen pro Farbkanal lassen sich ausbrechende oder zulaufende Tonspektren weitaus effektiver verhindern als mit 256. Kurzum: Obwohl zu Ausgabezwecken nach wie vor auf 8 Bit reduziert werden muss, ist 16-Bit-Bildmaterial bei der Bearbeitung eindeutig robuster.

Aufgegleist haben die Adobe-Entwickler deshalb eine komplette kleine Funktionssektion: einen neuen Modus-Befehl (32-Bit-Kanal), ein Feature zum Einstellen von Optionen für die Abwärtskonvertierung von 32-Bit-Bilddaten (HDR-Konvertierung) sowie einen Automatisierungsbefehl namens Zu HDR zusammenfügen. Unterstützt wird der neue 32-Bit-Modus in der aktuellen Version allerdings lediglich durch drei Anpassen-Funktionen (Kanalmixer, Fotofilter und das neue Feature Belichtung) sowie ein gutes Dutzend Filter.

32 Bit als Arbeitsmodus

Die Menge der unterstützten Photo­shop-Funktionen ist auf den ersten Blick nicht gerade berauschend. Die eigentlich relevante Frage lautet jedoch: Bringt das Arbeiten mit 32 Bit in der gegenwärtigen Konstellation tatsächlich sichtbare Qualitätsgewinne? Praktisch interessant ist diese Frage beim Hochkonvertieren «normaler» 8- oder 16-Bit-Bilder. Da beim Hochkonvertieren nicht wirklich neue Farbnuancen entstehen, ist die Vorgehensweise unter Bildbearbeitern nicht unumstritten. Zumindest in der Theorie. In der Praxis indes ermöglichen hochkonvertierte 8- und 16-Bit-Bilder durchaus mehr Spielraum bei der Bearbeitung. Dies betrifft fast alle der im 32-Bit-Modus zugänglichen Anpassen-Befehle und Filter. Kanalmixer und Fotofilter eröffnen ein weitaus akzentuierteres Regler-Feintuning. Deutlich wird dies insbesondere beim Monochrom-Modus des Kanalmixers. Das Regler-Spektrum für die Generierung eigener Schwarzweissbilder kann bis hin zum Wert 200 ausgeschöpft werden. Verdoppelt hat sich jedoch nicht nur das Intervall des Regler-Spektrums; auch die Bild-Ergebnisse wirken – zumindest vom subjektiven Eindruck her – durchzeichneter.

Mehr Basis fürs Bild-Feintuning bringen 32 Bit auch bei der neuen Anpassen-Funktion Belichtung. Die drei Regler Belichtung, Verschiebung und Gamma orientieren sich sichtbar an den auch in Camera Raw zum Zuge kommenden Bearbeitungsmethoden. Belichtung verändert – ähnlich wie bei fotografischen Über- oder Unterbelichtungen – Helligkeit und Kontrast gleichzeitig. Verschiebung hingegen verändert lediglich die Helligkeit, Gamma schliesslich nur den Kontrast. Einsetzen lässt sich dieses Tonwertregularium, das etwas differenzierter arbeitet als der altbekannte Befehl Helligkeit/Kontrast, natürlich auch im 8- oder 16-Bit-Modus. Die wenigsten sichtbaren Unterschiede bringen 32 Bit bei den diversen Filtern. Unterstützt werden bislang: Unscharf maskieren, der neue Scharfzeichnungsfilter Selektiver Scharfzeichner, rund die Hälfte der in CS2 deutlich aufgestockten Weichzeichnungsfilter, der Störungsfilter Störungen hinzufügen sowie Hochpass und Verschiebungseffekt in der Gruppe Sonstige Filter.

Optimierung bei Abwärtskonvertierung

Interessant ist das Arbeiten mit 32 Bit auch wegen der Optionen bei der Abwärtskonvertierung. Werden 32-Bit-Bilder in 8 oder 16 Bit umgewandelt, erscheint das Funktionsfeld HDR-Konvertierung. Der Sinn der hier angebotenen Optionseinstellungen besteht darin, das vorliegende 32-Bit-Farbspektrum für die reduzierten Farbtiefen 8 oder 16 Bit zu optimieren. Hierfür stellt HDR-Konvertierung vier Methoden zur Verfügung. Zwei davon – Lichterkomprimierung und Histogramm equalisieren – ermöglichen keine weiteren Parametereinstellungen. Zwei Parameter offeriert Belichtung und Gamma. Die differenzierteste Methode kommt unter der Bezeichnung Lokale Anpassung. Die Auswirkungen der beiden Regler Radius und Schwellenwert erinnern nicht von ungefähr an den «digitalen Aufhellblitz» Tiefen/Lichter. Zusätzlich lässt sich das Tonspektrum über eine Gradationskurve beeinflussen. Über den Button Toning-Kurve und Histogramm steht sie – theoretisch – zwar auch bei den drei anderen Umsetzungsmethoden zur Verfügung; tatsächlich verändern lässt sie sich jedoch nur bei Belichtung und Gamma.

Einzelbilder zu HDR zusammenfügen

Richtig interessant wird die Hand voll der vorgestellten 32-Bit-fähigen Befehle natürlich dann, wenn echte 32-Bit-Bilder bearbeitet werden können. In der Praxis ist das eher selten der Fall. Einige Scanner sind in der Lage, diese Farbtiefe zu erzeugen. Bei Digitalkameras sind 16 Bit jedoch aktuell die Obergrenze. Um auch dem Marktsegment der Profi-Digitalfotografen eine praktisch verwendbare HDR-Funktion in die Hand zu geben, haben die Photoshop-Entwickler einen zusätzlichen Automatisierungsbefehl aus der Taufe gehoben. Bei herkömmlichen Einzelbild-Aufnahmen ergibt die Anwendung von Zu HDR zusammenfügen allerdings keinen Sinn. Sinnvoll einsetzbar ist diese Funktion lediglich bei Belichtungsserien, die mit Stativ und Fernauslösung aufgenommen wurden. Die Befehlsabfolge ermöglicht das Auswählen mehrerer Bilder, welche dann in einem einzigen optimierten 32-Bit-Bild zusammengefasst und präsentiert werden.

Verwendbar ist Zu HDR zusammenfügen also nur für ein sehr enges Spektrum von Aufnahmen. Auch bei den Ergebnissen erweist sich die neue Automatisierungsfunktion nicht unbedingt als Wunderwaffe. Die abgebildete Belichtungsreihe mit Marmorstatue, harten Schatten, weisser Wand und dunklem Tor enthält motivtechnisch gesehen zwar ein sehr grosses Tonspektrum. Für eine Belichtungsreihe ist die Szene also prädestiniert. Technisch gesehen ergibt die Anwendung des Befehls zwar ein zusammengefasstes Bild mit 32 Bit Farbtiefe. Bildästhetisch gesehen weist die Umsetzung allerdings deutliche Mankos auf: Die Lichter brechen noch immer aus; anscheinend hat sich Zu HDR zusammenfügen vor allem am Tonwertspektrum der Überbelichtungen orientiert. In den Schatten würde man sich mehr Detaildifferenzierung wünschen. Résumé: Auch fortgeschrittene Computer-Intelligenz macht manuelle Bearbeitungsmethoden keinesfalls überflüssig. Eine herkömmliche Verfahrensweise brächte bei den Beispielaufnahmen wohl bessere Ergebnisse. Mögliches Alternativszenario: Öffnen der fünf Bilder im 16-Bit-Modus, Übereinanderlegen von fünf Ebenen und Hervorarbeiten der dunklen und hellen Bildpartien durch weiche Auswahlen.

Fazit

Insgesamt prescht Photoshop mit dem neu implementierten 32-Bit/HDR-Funktionssektor (wieder einmal) in bislang wenig begangene Bildbearbeitungsbereiche vor. Die Beschränkung auf vorerst nur wenige Bearbeitungsfunktionen ist, für sich gesehen, erst einmal ärgerlich. Sie erinnert an die ebenfalls in Etappen vollzogenen Funktionserweiterungen für den 16-Bit-Farbmodus. Offenbar brauchen Veränderungen ihre Zeit; 16-Bit-Bildbearbeitung scheint sich mittlerweile – immerhin – als neuer Bildbearbeitungsstandard herauszuschälen. Dass nunmehr gleich die nächste Marge in Angriff genommen wird, spricht für einen recht ungebrochenen Innovationsgeist. Was nicht das Schlechteste ist. Die praktischen Einschränkungen sind so weniger Argument gegen die Funktio­nen an sich, sondern werfen vielmehr ein Licht auf die tatsächliche Dauer von Innovationsschüben. Fakt dabei ist, dass sich die Medienproduktionsbranche nur sehr langsam und zögerlich vom liebgewonnenen Farbtiefen-Standard 8 Bit verabschiedet. In diesem Umfeld betrachtet, sind 32 Bit fast ein Zukunftsszenario. Möglich, dass ultrahohe Farbdynamikbereiche mit Millionen von Abstufungsmöglichkeiten irgendwann Realität werden – sogar bei der Ausgabe. Möglich, dass vor Details strotzende Bilder in zehn Jahren nicht «high end» sein werden, sondern die Regel. Bis dahin heisst es, Bilder zu optimieren: je nach Fall in 8, 16 oder 32 Bit. Dass Photoshop Letztere schon einmal zur Verfügung stellt, macht gespannt darauf, wie die Entwicklung in der digitalen Bildbearbeitung tatsächlich weitergehen wird.

Im nächsten Publisher:

Photoshop CS2: Neue Funktionen in Camera Raw 3

Kasten: Deutsche Bezeichnungen

Der im letzten Publisher abgedruckte Beitrag basierte noch auf der englischsprachigen Beta-Version. An dieser Stelle darum ein Nachtrag, unter welchen deutschen Bezeichnungen die besprochenen Bildbearbeitungsfunktionen zu finden sind:

Menü / Ort
Englisch
Deutsch
Bild > Anpassen Exposure Belichtung
Filter > Scharfzeichnungsfilter Smart Sharpen Selektiver Scharfzeichner
Filter > Weichzeichnungsfilter Surface Blur Matter machen
Filter > Weichzeichnungsfilter Box Blur Feld weichzeichnen
Filter > Weichzeichnungsfilter Smart Blur Form weichzeichnen
Filter > Störungsfilter Reduce Noise Störungen reduzieren
Filter > Verzerrungsfilter Lens Correction Blendenkorrektur
Filter Vanishing Point Fluchtpunkt
Werkzeugleiste, Korrekturwerkzeuge Spot Healing Brush Bereichsreparatur-Pinsel-Werkzeug
Ebenen-Palette Smart Objects Smart Objects
Bearbeiten > Transformieren Warpen Verkrümmen

Last but not least – umbenannt wurden in CS2 auch bereits vorhandene Funktionen. Das «Farbe-ersetzen-Werkzeug» kommt nunmehr unter dem Namen «Rote-Augen-Werkzeug». Die bereits in der Vorversion für Irritation sorgende Bezeichnung «Verwackeln» für den neuen Blendenweichzeichnungsfilter ist nunmehr der – sachlich ebenfalls nicht gerade erhellenden – Bezeichnung «Tiefenschärfe abmildern» gewichen.

Kasten: Autor & Buch

Als Buchautor und Fachjournalist verfolgt Günter Schuler die Entwicklungen in der digitalen Medien­produktion und Bildbearbeitung bereits seit Jahren. Bekannt wurde er durch seine mit vielen unkonventionellen Tipps und Tricks aufwartenden Kreativ-Kochbücher zu Photoshop und Illustrator.

Neu auf dem Markt: «Digital gestalten» (rororo Computer, Februar 2005) und «Profikurs Photoshop für Fotografen» (rororo Computer, Juni 2005). Bei Letzterem handelt es sich um einen weiterführenden Aufbaukurs zu dem ebenfalls bei Rowohlt erschienenen Erfolgstitel «Photoshop für Fotografen» aus dem Jahr 2003.

Erhältlich im Publisher-Shop: www.publisher.ch/shop

 

 

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