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Schrift und Experiment: Kreative Typografik


Schrift und Experiment

Kreative Typografik

Mit einfachen Mitteln experimentelle Grafiken herstellen. Das Rezept dazu: duplizieren, schneiden, verdichten, vereinen, trennen. Werden Sie zum Künstler!

RALF TURTSCHI Alle Jahre wieder werden die gleichen im Grunde genommen zum Gähnen langweiligen Neujahrswünsche per Post oder E-Mail verschickt. Mit Engelchen, Bäumchen, Schlitten, Häuschen, Schneemännern, Schneeflocken usw.

Es geht auch anders. Unsere Schrift besitzt grossartige Formen, ob gezeichnet oder konstruiert. Mit Hilfe eines Programms wie Illustrator, Photoshop oder InDesign kommt man in Kürze zu professionell anmutenden Typografiken. Die Gestaltungsbeispiele sind in weniger als zwei Stunden entstanden. Es sind dabei unterschiedliche Typen verwendet worden, eine Schreibschrift, eine Pixelschrift mit Punkten und eine Serifenlose. Für die prägnanten Muster kann man auch nur runde oder eckige Buchstaben oder solche mit Schrägen verwenden. Das einzusetzende Programm sollte über folgende Funktionen verfügen: Anlegen von Ebenen, Pathfinder und Transparenz. Natürlich geht es auch ohne, die drei erwähnten lassen aber tolle Effekte zu.

Inspiriert worden bin ich durch das wunderbare Buch «Trytype» der Fachhochschule Wiesbaden, die darin experimentelle Schülerarbeiten vorstellt (s. Kasten). Für das Experiment gilt: Einfach alle Regeln vergessen und aus dem Bauch heraus drauflos gestalten. Wer mit Ebenen arbeitet oder wenigstens die Zwischenresultate aufbehält, der kann immer wieder nachbessern und auf Vorversionen zurückgreifen. Die wesentlichen Funktionen, die man dazu braucht, sind: Skalieren, Duplizieren, Spiegeln, Verzerren und die Funktionen von Pathfinder.

Die ganze Gestaltung wird intuitiv und experimentell erarbeitet: das Einfärben mit oder ohne Transparenz, das Verdichten, die Konturenstärke, das Weglassen oder Hinzufügen. Es braucht ein bisschen Mut, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und Neues zu wagen. Die Funktion der Schrift, nämlich Leserlichkeit, steht nicht im Vordergrund, es geht nur um Formen und Farben. Versuchen Sie gar nicht erst, irgendetwas darzustellen. Ein Grusstext oder anderes kann zuletzt im Layoutprogramm eingefügt werden. Die Grafik ist eine Typografik und nicht eine Grussbotschaft.

Wenn die Buchstaben in einem Vektorprogramm in Pfade umgewandelt vorliegen, können sie auch vergrössert und zum Beispiel als B4-Plakat ausgegeben werden, man muss dabei etwa mit 100 Franken rechnen. Eine Serie von solchen selber gestalteten Plakaten ist ganz hübsch im Korridor oder im Empfang anzuschauen, die Bilder sind zeitresistent, weil auf einer abstrakten Ebene gestaltet. Wie schon Joseph Beuys formulierte: «Jeder ist ein Künstler.» So schnell haben Sie noch nie richtig gute Resultate erzielt.

 

 

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