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Seilziehen f�r Fortgeschrittene

Illustrator kennt seit vielen Versionen fünf Pinselarten. Der aufwendigste, aber auch eindrücklichste ist der Musterpinsel. Dieser wiederholt ein Musterelement entlang eines Pfads. Das Zeichnen eines Seils zeigt die Vorgehensweise.

Andreas Burkard Kürzlich wur-de ich in der freien Weiterbildung an der Berufsschule für Gestaltung in Zürich gefragt, wie man am besten ein Seil zeichnet. Vor allem die fortgeschrittenen Kurse sind Treffpunkte, wo man immer wieder auf sehr engagierte Talente trifft, welche spannende Projekte erarbeiten und nicht sparsam mit herausfordernden Fragen sind.

Die Antwort auf die Seilfrage steckt im Musterpinsel. Doch bei der Anwendung gibt es eine ganze Menge zu beachten. Ein nahtloses Muster entlang eines Pfads benötigt als Erstes ein exaktes Musterelement.

Die exakte Konstruktion des Musterelements ist entscheidend. Nur so ist ein nicht sichtbares Aneinanderfügen der Elemente möglich. Je nach Mustergestaltung benötigen sogar die Ecken eine besondere Beachtung. Ein nahtloser Musterpinsel kann als die anspruchsvollste Pinselart in Illustrator bezeichnet werden.

Im Folgenden wird die Vorgehensweise erläutert. Diese soll auch Sie ermutigen, selbst in Illustrator zu experimentieren und die faszinierenden Musterpinsel zu entdecken.

Der Seiltyp

Wie sieht ein Seil eigentlich aus? Ein klassisches Seil besteht aus gedrehten Strängen. Einfache Seile haben zwei gedrehte Stränge, wobei jeder Strang wieder aus einer Vielzahl von Fasern besteht. Stärkere klassische Seile haben bis zu vier Stränge. Diese eigentlich einfache Bestandesaufnahme hilft schon mal weiter.

Am besten schaut man dazu vorweg Bilder verschiedener Seile an und versucht dadurch eine Ahnung der bevorstehenden Konstruktion zu erhalten. Wird das Seil in einer Grafik eher klein integriert, so ist ein Seil mit zwei gedrehten Strängen eine gute Wahl.

Das Bild

Grundsätzlich kann Illustrator seit Version CC ein in Illustrator eingebettetes Bild als Spezial-, Bild- oder Musterpinsel verwenden. Man könnte also einfach ein Bild eines Seils in das Bedienfeld Pinsel ziehen und ihn als Musterpinsel definieren – fertig. Doch ganz so einfach ist diese Methode dann doch nicht. Sie hat sogar Nachteile.

Ein Bild als Musterelement wird nicht ohne Nachbearbeitung nahtlos repetierend sein. Man müsste also erst in Photoshop aufwendig die Seil­enden gleichmässig anpassen und, um keinen weissen Hintergrund zu erhalten, diesen in Transparenz umwandeln. Die Folge davon wäre letztlich ein aus Pixel bestehender Musterpinsel. Je nach Verwendung kann das Pixelseil innerhalb einer Vektorgrafik unpassend aussehen. Da ein pixelbasierender Musterpinsel immer der Auflösung des Musterelementes unterliegt, ist er unflexibel in der Handhabung.

Die Welle

Als Erstes muss man in Illustrator einen Strang in Wellenform zeichnen. Man zeichnet also eine waagrechte Linie. Danach wählt man aus dem Menü Effekt > Illustrator Effekte > Verzerrungs- und Transformationsfilter > Zickzack. Hier wird über ein Aussehen die Linie in Anzahl Wellen und Grösse unterteilt. Damit nicht Zacken entstehen, muss der Punkttyp auf Übergang eingestellt werden.

Anschliessend muss sich das Aussehen auf die Grundform auswirken und dann zu einer Fläche werden. Dazu wählt man zuerst im Menü Objekt > Aussehen umwandeln und gleich danach nochmals aus dem Menü Objekt > Pfad > Konturlinie. Der Fläche gibt man eine Farbe, und schon ist der erste Teil der Konstruktion fertig.

Das Duplikat

Als Nächstes muss mit dem Auswahlwerkzeug und dem Ziehen mit gedrückter Alt-Taste ein Duplikat erstellt und anders eingefärbt werden. Dieses Duplikat muss so verschoben werden, dass die Vertiefung exakt unter der Erhöhung steht. Hier ist Präzision gefordert. Die Pfadansicht und die Option aus dem Menü Ansicht > Intelligente Hilfslinien helfen dabei. Der Endpunkt der einen Form soll exakt in der Delle der anderen Form liegen. Beim Auswählen des Ankerpunkts und der Erklärungshilfen durch die eingeschaltete Funktion Intelligente Hilfslinien sollte dieses genaue Positionieren recht einfach sein.

Zum Schluss werden die aussen liegenden Reststücke abgeschnitten. Dazu erstellt man ein Rechteck über den einen, aussen liegenden Bereich, wählt beide Formen aus, öffnet das Bedienfeld Pathfinder und klickt auf Vorderes Objekt abziehen. Dann wiederholt man den Vorgang für die andere Seite. Da ein Musterelement keine Übergangsprobleme aufweisen darf, ist auch hier absolute Präzision gefordert.

Die Farbfelder

Spätestens jetzt sollten die beiden Flächenfarben im Bedienfeld Farbfelder abgelegt werden. Am einfachsten geht das mit dem Auswählen der beiden Formen und dem Befehl Ausgewählte Farben hinzufügen aus den Optionen des Bedienfeldes Farbfelder.

Die Illusion

Nun muss noch die Illusion der Drehung erstellt werden. Dazu müssen die Überlappungsbereiche abwechselnd die Farbe des anderen Strangs aufweisen. Hier gibt es verschiedene Lösungsansätze. Einerseits kann der Pathfinder mit Flächen aufteilen Überlappungsbereiche zu eigenständigen Formen umwandeln. Ein anderer Ansatz bietet die interaktive Malgruppe. Der Unterschied ist, dass bei der interaktiven Malgruppe die Flächen nicht wirklich getrennt sind. Die Überlappungsbereiche können entweder mit dem Werkzeug Interaktiv malen oder mit einem eigens dazu ge­-schaffenen Auswahlwerkzeug gefüllt werden. Ein Musterpinsel kann also aus einer interaktiven Malgruppe erstellt werden.

Das geht so: Man aktiviert die beiden Flächen. Dann wählt man aus dem Menü Objekt > Interaktiv malen > Erstellen, sodass sich eine interaktive Malgruppe bildet. Nun kann man mit dem Interaktiv-malen-Auswahlwerkzeug einen Überlappungsbereich auswählen und die Flächenfarbe der anderen Form zuweisen. Dadurch entsteht der Eindruck eines gedrehten Strangs.

Das Speichern

Das Speichern als Musterpinsel ist einfach. Man zieht die gesamte Konstruktion in das Bedienfeld Pinsel. Im Fenster der Pinselwahl klickt man dabei auf Musterpinsel. Danach erscheinen vielseitige Optionen, die aber im Wesentlichen für die Definition der Ecken, Kanten und Enden verantwortlich sind. Diese Einstellungen sind dann zu beachten, wenn ein Musterpinsel für einen Rahmen mit individuellen Ecken verwendet wird. Für die Anwendung auf einen offenen Pfad sind die Standardeinstellungen des Musterpinsels genügend.

Das Zeichnen

Das Zeichnen des neuen Musterpinsels wird vorzugsweise mit dem Werkzeug Pinsel vorgenommen. Hier lohnt es sich, zuerst die Voreinstellungen des Werkzeugs zu betrachten. Ein Doppelklick auf das Werkzeug Pinsel führt zu diesen Optionen.

Genauigkeit bestimmt, wie weit die Maus oder der Stift bewegt werden muss, bis Illustrator dem Pfad einen neuen Ankerpunkt hinzufügt. Je höher der Wert, desto glatter und weniger komplex ist der Pfad.

Neue Pinselkonturen füllen wendet eine Fläche auf den Pfad an. Diese Option kann beim Zeichnen von geschlossenen Pfaden hilfreich sein.

Es ist ratsam, Auswahl beibehalten zu aktivieren. Dadurch kann man am Endpunkt eines erstellten Pfads weiterfahren, um so letztlich einen gesamten Pfad zu erhalten. Ansonsten entstehen bloss einzelne Pfadsegmente.

Ist das Pinselwerkzeug für die eigenen Bedürfnisse optimal eingestellt, wählt man den neuen Musterpinsel aus und zeichnet damit das gewünschte Seil. Alternativ können Sie den Musterpinsel jedoch auch auf einen beliebigen Pfad anwenden.

Nach einer exakten Konstruktion wird das Musterelement nahtlos zusammengesetzt. Allfällige feine weisse Streifen, welche bei den Übergängen auftreten können, kann man ignorieren. Diese haben ihre Ursache in der Kantenglättung, die für eine weichere Darstellung am Monitor sorgt.

Das Editieren

Oftmals stimmt nach dem Zeichnen die Grösse oder die Farbe nicht mit den eigenen Vorstellungen überein. Grundsätzlich liegt die geniale Eigenschaft von Vektorgrafiken in der Editierbarkeit. So auch beim Musterpinsel.

Die Grösse kann man nachträglich über das Bedienfeld Pinsel ändern. Dort befindet sich unten Optionen für ausgewähltes Objekt. Alternativ kann man auf ein erstelltes Pfadmuster einen Doppelklick machen, um im Isolationsmodus eine Skalierung vorzunehmen. Mit der ESC-Taste wird der Isolationsmodus beendet. Neue Musterpfade werden dann automatisch in dieser Grösse erstellt. Die Skalierung im Isolationsmodus passt auch den im Bedienfeld Pinsel gespeicherten Musterpinsel an.

Eine Anpassung der Farbe eines Musterpinsels kann sehr leicht über den Befehl aus dem Menü Bearbeiten > Farben bearbeiten > Bildmaterial neu färben erfolgen. Alternativ befindet sich ein kleines Farbrad in der Steuerung unterhalb der Menüeinträge. Im Fenster Bildmaterial neu färben wählt man vorzugsweise den Modus Bearbeiten aus und zieht danach im Farbkreis die zugewiesene Farbe an eine gewünschte Stelle.

Ein Musterpinsel kann auch ein Profil enthalten. Profile sind dann interessant, wenn die Breite entlang des Pfads nicht gleichmässig verlaufen soll. Profile sind in der Steuerung oder im Bedienfeld Kontur ersichtlich.

Die Schattierung

Manchmal wünscht man sich eine plastischere Darstellung. Verläufe können hier helfen. Beim Musterpinsel stösst man damit aber an seine Grenzen. Verläufe werden nicht akzeptiert. Man muss Verläufe umwandeln.

Erst müssen die beiden Formen einzeln im Menü Objekt > Zusammengesetzter Pfad erstellt werden. Dann müssen die Verläufe im Menü Objekt > Umwandeln in Flächen umgewandelt werden. Doch damit nicht genug. Durch die Flächenumwandlung entsteht eine Maskierung, das heisst, die einzelnen Farbflächen eines Verlaufs sind im Strang eingefügt. Hier hilft der Pathfinder > Überlappungsbereich entfernen. Dann steht der Verwendung mit umgewandelten Farbverläufen als Musterpinsel nichts mehr im Weg.

Das Knifflige

Ein Seil kann man auch anders zeichnen. Mit dem Zeichenstift erstellt man eine geschwungene Form, dem Blatt einer Blume ähnlich. Diese Form dupliziert man und achtet dabei darauf, dass das Duplikat exakt auf der rechten Kante des Originals liegt. Dann wird es knifflig. Erstellt man von den beiden Objekten einen Musterpinsel, so treten beim Zeichnen Lücken zwischen den Elementen auf.

Hier hilft ein alter Trick, welchen man in früheren Versionen auch von nahtlos repetierenden Flächenmustern kannte. Man erstellt ein leeres Objekt und achtet darauf, dass die Breite exakt eine Repetition abdeckt. Dazu muss man unter Umständen links und rechts die Distanzen ausmessen. Dieses leere Objekt muss nach hinten gestellt werden. Zusammen mit den beiden Musterelementen werden die drei Objekte dann als Musterpinsel definiert. So wird die lückenlose Zeichnung entlang eines Pfads ermöglicht.

Die Königsdisziplin

Zur Königsdisziplin der Musterpinsel gehören Pfadmuster, welche auf eckige Formen aufgetragen werden und unterschiedliche Eckendesigns aufweisen. Dazu müssen nebst dem Musterelement auch ein oder mehrere Eckenelemente erstellt werden.

Das Grundprinzip ist, dass diese Elemente zuerst dem Bedienfeld Farbfelder hinterlegt werden müssen. Dieses Bedienfeld kann bekanntlich auch Muster beinhalten. Zieht man beispielsweise einen roten Kreis in das Be­dienfeld Farbfelder, so erhält man bereits ein Kreismuster, welches für eine Fläche zur Verfügung steht.

Hier ein einfaches Beispiel für Musterpinsel mit Ecken. Die Ecken sollen aus einem schwarzen Quadrat bestehen, die Geraden rot sein. Man zeichnet erst die beiden Elemente und zieht diese dann einzeln in das Bedienfeld Farbfelder. Danach wählt man im Bedienfeld Pinsel > Neuer Pinsel > Musterpinsel. In den Musterpinsel-Optionen wählt man für die Ecke und die Gerade die entsprechenden Muster aus den Farbfeldern. Danach kann dieser Musterpinsel auf einen Rahmen aufgetragen werden.

Dieses einfache Beispiel soll das Grundprinzip verdeutlichen. Wie man mit unterschiedlichen Ecken wirklich eindrückliche Musterpinsel erstellt, zeige ich in einem Beitrag in einer kommenden Ausgabe.

Der Autor

Andreas Burkard ist leidenschaftlicher Anwender und Trainer von Adobe Illustrator. Er unterrichtet seit nunmehr 10 Jahren an der Berufsschule für Gestaltung in Zürich. In Abendkursen zeigt er unter anderem den Adobe Illustrator in unterschiedlichen Anforderungsstufen.
info@Burkard-Publishing.ch
www.medienformfarbe.ch
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