Dossiers >> InDesign >> Fachartikel >> Toolbox f�r das digitale Publishing
Artikel als PDF

Toolbox f�r das digitale Publishing

ePUB in Reinkultur, barrierefreie PDFs und eine einfach zu erstellende Dokumentstruktur sind im Fokus der Zwischenversion von InDesign. Die neuen Funktionen im Überblick.

HAEME ULRICH Wie die gesamte Adobe Creative Suite 5.5 widmet sich auch InDesign CS 5.5 primär dem Publishing für digitale Lesegeräte. Dass dies aber keine Verabschiedung aus dem Printmarkt ist, kommuniziert InDesigns Produktmanager Chris Kitchener im Hinblick auf künftige Entwicklungen in aller Deutlichkeit.

«Das letzte Upgrade ist kaum ein Jahr her, und schon ist das nächste da. Warum?» Diese Bemerkung lese ich täglich in meiner Inbox. «Und die neuen Funktionen betreffen meinen Alltag wenig», geht es weiter. Das ist genau der Punkt: InDesign muss den Spagat schaffen zwischen Support für neue Technologien und Geräte sowie einem Profiwerkzeug, das sich nicht alle Tage ändert. Der Hype um das digitale Publishing ist erst nach Erscheinen von InDesign CS 5 losgegangen. Damit InDesign nun dem Anspruch «Hub für jegliche Art von Publishing» genügen kann, waren Wartungsarbeiten notwendig. Genau diese sind InDesign CS 5.5 realisiert worden: Anpassung an die neuen Marktbedürfnisse. Bedürfnisse, die Sie heute vielleicht noch gar nicht haben, die in drei Jahren aber Ihren Alltag bestimmen könnten.

ePUB für digitale Bücher

Der Hauptfokus bei InDesign CS 5.5 liegt bei ePUB. ePUB ist das Standardformat für digitale Bücher. ePUB ist eigentlich eine ZIP-komprimierte Website. Darum betreffen die hier beschriebenen Neuerungen auch den HTML-Export von InDesign. Konsumiert wird ePUB in Browsern, den ePUB-Readern.

Amazon verkauft schon seit Längerem mehr digitale als gedruckte Bücher. Amazons Format ist zwar nicht direkt ePUB, es wird aber daraus konvertiert. Mit InDesign CS 5.5 ist es problemlos möglich, ein digitales Buch zu erstellen, das es ohne Eingriff in den Code direkt in die Stores der grossen Buchhändler schafft.

Moment mal, jetzt gibt es ePUB und dann auch noch die neue Digital Publishing Suite mit dem .Folio-Format. Steht sich da InDesign auf den eigenen Füssen? Nein, ePUB ist für Bücher, für Romane, einfach für alles, was viel Text hat. Und .Folio ist für gestaltete Magazine, wo das Design im Vordergrund steht. Die neueste Version 3.0 von ePUB hat zwar durch HTML 5, CSS3 und JavaScript-Integration auch den Anspruch an ein Format für aufwändiges Design.

Jedoch können wir bei ePUB in das alte «Weblied» einstimmen: In jedem Browser, auf jedem Betriebssystem sieht die Website anders aus. Dies, weil alle Hersteller und Plattformen ihre eigenen ePUB-Reader verwenden, die halt alle den Code etwas unterschiedlich interpretieren.

Alles, was in InDesign mit ePUB zu tun hat, wurde für CS 5.5 komplett neu programmiert, früher waren es bloss JavaScripts. Das schafft ein solides Fundament für künftige Weiterentwicklungen wie die volle Unterstützung von HTML 5.

Struktur-Tags den Formaten hinterlegen

In InDesign CS 5.5 können Absatz- und Zeichenformaten Tags hinterlegt werden. Tags beschreiben die Struktur im ePUB oder in der exportierten HTML-Datei. Werden sinnvolle Standard-Tags verwendet, hat man in InDesign bereits Einfluss auf das optische Erscheinungsbild der ePUB-Datei. Zwar wird die Formatierung in ePUB über CSS erzeugt, aber nicht alle ePUB-Reader berücksichtigen diese. Apples Reader für das iPhone und das iPad, iBooks, verwirft CSS-Definitionen, kennt aber HTML-Standard-Tags.

Hinterlegt werden die Tags ganz unten in den Definitionsdialogen der Absatz- und Zeichenformate. Schneller geht das Zuweisen über die Mapping-Tabelle Alle Exporttags bearbeiten … aus dem Menü der Zeichen- und Absatzformat-Panels.

Wer sich mit Webtechnologie auskennt, hat auch die Möglichkeit, eigene CSS-Klassen für die Formatierung anzulegen. Der Klassenname wird in der Abteilung Tagsexport in der Format­definition zugewiesen, die Formatierung wird aus dem Zeichen- oder dem Absatzformat abgeleitet.

Adobe empfiehlt übrigens ausdrücklich, für Listen und Aufzählungen die automatisch generierten Vorgaben zu verwenden.

Optionen für den Objektexport

Da ein ePUB-Dokument für unterschiedliche Display-Auflösungen funktionieren muss, sind Zeilenfall und damit Anzahl Seiten dynamisch. Über die Objektexportoptionen (im Menü Objekt) kann nun auch das Verhalten von Bildern im ePUB gesteuert werden: Soll sich ein Bild der Breite des Displays anpassen, wie soll es ausgerichtet sein, soll davor oder danach ein Abstand eingefügt werden?

In den Objektexportoptionen lässt sich auch einstellen, dass beim Export gewisse Objekte gerastert werden. Dies ist sinnvoll für grafische Elemente, die zwar aus Text bestehen, aber sich optisch den Einstellungen auf dem Lesegerät nicht anpassen dürfen.

Soll eine Option gleich für das ganze exportierte ePUB greifen, lässt sich dies im ePUB-Exportdialog einstellen, es muss nicht jedes einzelne Objekt angefasst werden. Leider ist es heute noch nicht möglich, die Exportoptionen einem Objektformat zu hinterlegen.

Artikelfluss unter Kontrolle

Multi-Channel-Publishing – also ein InDesign-Dokument für unterschiedliche Ausgabekanäle wie Print, barrierefreies PDF, digitale Magazine – dorthin wollen die Entwickler von InDesign, und in diese Richtung entwickelt sich auch der Markt. Nehmen wir eine für den Druck aufwändig gestaltete Magazinseite. Die soll nun für ePUB aufbereitet werden. Ein mehrspaltiges Layout mit mehreren Artikeln und Kästen soll mit einem einspaltigen Umbruch in einem Fluss für das digitale Lesegerät exportiert werden. Die unlösbare Aufgabe für InDesign ist es nun, die einzelnen Objekte der Seite in der korrekten Reihenfolge zu exportieren: Kommt das Bild vor oder nach dem Artikel? Ist der Kasten Einleitung oder Abschluss? Unmögliche Entscheidungen für eine Software, die nur 1 + 1 zusammenzählen kann.

InDesign CS 5.5 trennt erstmals sauber Layout und Struktur. Das Layout ist das, was auf der InDesign-Seite gestaltet wird, die Struktur, also die Reihenfolge und die Verschachtelung, wird im neuen Artikel-Panel zusammengestellt (Fenster > Artikel). In diesem Panel legt man Artikel an und zieht per Drag&Drop die Layoutelemente da hinein. Über einen Menübefehl zum Panel – oder bei gedrückter cmd-Taste und Klick auf das Symbol für einen neuen Artikel – werden alle noch in keinem Artikel befindlichen Layout­elemente in einem Wisch in das Artikel-Panel aufgenommen.

HTML 5 im ePUB

In ePUB 3 (basiert auf HMTL 5) gibt es Video- und Audio-Tags, über die Videos und Audiodateien direkt eingebunden werden können. Für das Abspielen wird kein Browser-Plug-in wie Flash oder QuickTime benötigt. InDesign CS 5.5 ist nun eine der ersten Softwares, die auf diese Audio- und Video-Tags zurückgreift. Im Layout platzierte Filme und Audiodateien werden beim Export zu HMTL oder ePUB entsprechend integriert. Aber Vorsicht: Ausser iBooks von Apple gibt es heute keine ePUB-Reader, die damit umgehen können.

ePUB lesen

Wie schon erwähnt, braucht es zum Lesen von ePUB entsprechende Reader. Für sämtliche Plattformen gibt es unzählige solcher Reader. Die meisten sind kostenlos. Auf dem Mac verwende ich gerne den «ePUB Reader», eine freie Browsererweiterung für Firefox. Auf den mobilen Apple-Geräten gehört iBooks dazu, und wer bei Amazon einkauft, liest sowieso in der Kindle-Reader-App.

Seit Jahren gibt es den ePUB-Reader Adobe Digital Editions. Dieser kann mit der Konkurrenz allerdings nicht mehr mithalten, weshalb eine Rundumverjüngungskur dringend notwendig wäre.

Preflight für ePUB-Datei

Damit ein ePUB in die elektronischen Bücherläden aufgenommen wird, muss es einem bestimmten Qualitätsstandard genügen. Darum müssen ePUBs validiert werden. Als Standard hat sich Googles ePUB-Validator durchgesetzt. Der ist in der Bedienung komplex und eigentlich für Programmierer gedacht. Auf www.threepress.org gibt es diesen Google Validator als fixfertige Browserapplikation zur freien Nutzung.

Barrierefreie PDFs besser

Über das bereits beschriebene Artikel-Panel lässt sich auch die Lesereihenfolge in barrierefreien PDFs bestimmen. Das heisst, der Screenreader hält sich beim Vorlesen des PDF an die Reihenfolge der Objekte, wie sie im Artikel-Panel einsortiert wurden. Damit dies auch wirklich klappt, muss im Menü des Artikel-Panels die Option Leserichtung in PDFs mit Tags verwenden… aktiviert sein.

Auch bei barrierefreien PDFs helfen die den Absatzformaten hinterlegten Struktur-Tags. Anhand der hinterlegten Tags können Sehbehinderte im PDF sinnvoll navigieren.

In barrierefreien PDFs werden nun auch mehrstufige Aufzählungen und verschachtelte Tabellen korrekt umgesetzt. Dies geschieht im Hintergrund beim Export zu PDF.

Verankerte Objekte per Drag&Drop

Zwar wissen viele InDesign-User, dass Objekte im Text verankert werden können und diese so im Textfluss mitlaufen. Die komplizierte Bedienung der dafür benötigten Dialogfelder hat aber bisher viele vor deren Verwendung zurückschrecken lassen. InDesign CS 5.5 bringt da willkommene Vereinfachung. Jeder Rahmen im InDesign-Layout besitzt ein kleines blaues Quadrat. Wird dieses mit dem schwarzen Pfeil in den Text gezogen, ist das Objekt direkt verankert.

Familiensippe bei Texten

Im digitalen Publishing für unterschiedliche Monitore werden gleiche Texte oft mehrmals platziert. Gibt es Korrekturen, müssen diese für jedes Vorkommen eingearbeitet werden. Das ist mühsam und auch fehleranfällig. InDesign CS 5.5 hat mit verknüpften Textrahmen darauf eine Antwort. Ist ein Text (Verkettung oder einzelner Rahmen) ausgewählt, kann von diesem über Bearbeiten > Textabschnitt platzieren und verknüpfen… ein Kind-Textrahmen erstellt werden. Das heisst, der Kind-Rahmen übernimmt automatisch die im Mama-Rahmen vollzogenen Änderungen. Für mich ist die Implementierung dieser Funktion in InDesign CS 5.5 ein Wegweiser, wo es hingehen muss: Ein InDesign-Dokument ist Datenquelle für ein anderes InDesign-Dokument. Leider lassen sich heute die Textrahmen nur innerhalb des gleichen Dokumentes verknüpfen. Und beim Aktualisieren werden am Kind-Text gemachte Änderungen von der Mama überschrieben. Die Richtung stimmt, funktionell ist es für die Praxis noch nicht allzu relevant. Verwaltet werden die verknüpften Textrahmen im Verknüpfungen-Panel, wo Bilder und andere platzierte Elemente aufgeführt sind.

OpenSource-Rechtschreibung

Dass die Qualität der in InDesign verwendeten «Proximity»-Wörterbücher für Deutsch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, ist allgemein bekannt. Mit InDesign CS 5.5 bietet Adobe nun die Wahl zwischen den Proximity- und den quelloffenen HunSpell-Wörterbüchern. Was diese taugen, wird die Praxis zeigen.

PDF/X-4 mit Ebenen und Transparenzen

PDF/X-4 erlaubt im Gegensatz zu X-1a und X-3 Ebenen und Transparenzen. Bis anhin hat InDesign solche PDFs nicht normgerecht exportiert. Neu hält sich InDesign an die ISO-Vorgaben und exportiert PDFs mit Ebenen und Transparenzen nach Schulbuch.

Für und wider

Wer Printpublishing macht oder mit der Digital Publishing Suite elektronische Publikationen erstellt, erhält mit dem Upgrade auf CS 5.5 keine weltbewegenden Neuerungen.

InDesign CS 5.5 ist jedoch ein Must-Have für alle, die in den ePUB-Markt einsteigen wollen. Ein ePUB-Projekt, und die Kosten für das Upgrade sind alleweil amortisiert.

Artikel

Digital Publishing Suite

Mit der Digital Publishing Suite (DPS) von Adobe (www.adobe.com/de/products/digitalpublishingsuite) lassen sich über InDesign digitale Magazine für Tablets (iPad, Android …) erstellen. Die DPS besteht aus kostenpflichtigen Services zur Erstellung und zur Distribution von Apps und enthält kostenlose InDesign-Erweiterungen (Folio Producer Tools) für die Kreativarbeit. Die Erweiterungen sind in InDesign CS 5.5 bereits integriert, für ­InDesign CS5 können sie kostenlos von der Adobe-Website geladen werden. Die Tools bestehen aus diesen Komponenten:

Folio-Builder-Panel: Darin wird das digitale Magazin angelegt und verwaltet.

Overlay Creator: Darüber werden die interaktiven Elemente erstellt.

Content Viewer: Ein eigenständiges Programm für die Vorschau der digitalen Magazine.

Der Autor

Haeme Ulrich, ulrich-media.ulrich-media ist bekannt für InDesign- und Photoshop-Wissen.www.ulrich-media.chwww.e-college.ch

Kostenloser Tricks-Blog: http://blogs.ulrich-media.ch

Artikel als PDF