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Grafikstudium von damals bis heute

Alessia Meyer studiert seit kurzem an der Hochschule Luzern Graphic Design. Theres Jörger hat (fast) denselben Studiengang im Jahr 2001 abgeschlossen. Ein Gespräch mit zwei Frauen über die Grafik, das Studium und die Zukunft.  

Anna-Barbara WinzelerWer heute irgend ein Studium absolviert, macht vielleicht einen Vorkurs, dann einen Bachelor- und anschliessend einen Masterabschluss. Alessia Meyer strebt solche Abschlüsse an. Sie hat ihr Bachelorstudium in Visueller Kommunikation mit dem Schwerpunkt Graphic Design im Sommer 2017 begonnen, nachdem sie den gestalterischen Vorkurs absolviert hat.

Vor der Bolognareform war der Aufbau dieses Studiums anders. Theres Jörger hat im Jahr 2001 einen HF-Abschluss in Luzern gemacht. Dieser wird heute nicht als Master of Arts anerkannt, obwohl die Abteilung für Gestaltung und Kunst in Luzern bereits im Jahr 1995 Hochschulstatus erreichte.

Theres Jörger studierte sieben Jahre an der Hochschule Luzern. Die Forschungsarbeit «Typografie und Raum», mit welcher sie 2001 ihr Studium abgeschlossen hat, wurde für den Design Preis Schweiz nominiert. Theres Jörger arbeitet selbstständig als Visuelle Gestalterin in Sagogn und Zürich und ist seit 2008 auch als Dozentin an der Hochschule Luzern Design & Kunst tätig.

Die Hochschule für Gestaltung Luzern ist die älteste Kunsthochschule der Schweiz. Sie wurde 1877 als Zeichnungsschule der Kunstgewerbeschule Luzern gegründet. Über die Jahre verschob sich der Fokus, zeitweise hiess sie Schule für Gestaltung Luzern, zeitweise hatte die Bildungseinrichtung den Status einer höheren Fachschule. Seit 2007 gehört sie zur Hochschule Luzern. Neben dem gestalterischen Vorkurs werden diverse Bachelor- und Masterstudiengänge angeboten. Aktuell studieren über 700 Studenten an der Hochschule für Design & Kunst Luzern.

Sie haben beide den gestalterischen Vorkurs absolviert. War ihnen von Anfang an klar, dass es in Richtung Graphic Design gehen sollte?

Theres Jörger: Gar nicht. Für mich war der Vorkurs eine Möglichkeit, Einblick in die verschiedenen Studienrichtungen zu erhalten, und zu schauen, was mir am meisten entspricht. Ich interessierte mich für den Studiengang «Zeichnungs- und Werklehrer», sowie für Textildesign und Visuelle Gestaltung. Das Kommunizieren mit grafischen Mitteln und das angewandte Arbeiten hat mich dann zur Wahl von letzterem bewogen.

Alessia Meyer: Als ich den Vorkurs angefangen habe, wusste ich noch nicht, was ich machen würde. Ich fand Film immer sehr interessant, aber auch Graphic Design. Während der Zeit des Vorkurses habe ich bemerkt, dass es mich zur Grafik zieht. Und ich hatte auch Dozenten, die mir bestätigt haben, dass ich klar grafisch arbeite. So bin ich durch den Vorkurs zum Graphic Design gekommen.

Wäre es überhaupt möglich gewesen, ohne den Vorkurs in das Graphic-Design-Studium zu gelangen? Immerhin haben so gut wie alle Studenten dieser Richtung einen Vorkurs absolviert.

A. M.: Ohne Vorkurs hat man fast keine Chance, in das Studium hineinzukommen. Auch wenn ich von Anfang an gewusst hätte, dass ich Graphic Design studieren will, hätte ich vermutlich trotzdem den Vorkurs besucht.

T. J.: Zu meiner Zeit war der Vorkurs üblich. Der Vorkurs wurde nicht in Frage gestellt. Mein Eindruck war, dass alle Studierenden dieses Jahr als grossen Erfahrungsraum und als Orientierung sehr schätzten.

Theres Jörger, Sie absolvierten den grafischen Vorkurs, das Vorstudium, in den Jahren 1995 und 1996. Damals war Grafiksoftware noch nicht Standard. Womit wurde gearbeitet?

T. J.: Wir haben erst im Grundkurs, also während der ersten zwei Studienjahre, begonnen, mit Computern zu arbeiten. Die Computer waren noch sehr langsam. Wir mussten oft warten, bis der Computer einen Befehl ausgeführt hatte. Und wir haben diese grossen Datendiscs mit wenig Speicherplatz mit uns herumgetragen. Wir arbeiteten mit QuarkXpress. InDesign gab es noch nicht. Ausserdem haben wir mit FreeHand gearbeitet, und mit Photoshop.

Wie viel Zeit haben Sie während ihres Studiums am Computer verbracht?

T. J.: In den ersten zwei Jahren haben wir sehr viele Basissachen von Hand gemacht. Der Computer wurde sehr punktuell eingesetzt. Im Hauptstudium wurde er dann von Jahr zu Jahr wichtiger. Das Verhältnis war vielleicht halbhalb, vielleicht sogar etwas mehr Arbeit am Computer.

Alessia Meyer, wie viel machen Sie heute noch analog in Ihrem Studium?

A. M.: Ich würde sagen, um eine Idee experimentell umzusetzen, macht man anfangs noch viel analog. Gerade im Vorkurs habe ich viel analog ausprobiert. Am Ende komme ich aber sehr häufig auf eine digitale Lösung zurück. Wenn ich also den Schattenwurf eines Stoffes analog sehe, setze ich das dann digital um. Es kann auch sein, dass ich ein Foto mache, und das dann in eine digitale Sprache übersetze. Ausschliesslich analog mache ich aber praktisch gar nichts mehr.

Welche Programme nutzen Sie hauptsächlich?

A. M.: Am wichtigsten ist sicher InDesign. Dann Illustrator und Photoshop. Wir nutzen praktisch nichts anderes. Die Nutzung dieser Programme nimmt einen grossen Teil des Studiums ein.

Fühlen Sie sich in Ihrer Kreativität eingeschränkt, wenn sie ständig digital mit immer denselben Programmen arbeiten?

A. M.: Nein, ich habe das Gefühl, mir hilft das. Ich entscheide mich ja immer noch aktiv dazu. Es ist nicht so, dass man uns sagt, wir dürften nicht mehr analog arbeiten. Der Findungsprozess ist in diesem Sinne auch kreativ. Es gibt nie nur eine Lösung. Ich würde aber behaupten, man ist schneller, wenn man einige Tricks kennt. Das haben sie uns auch an der Schule gesagt: Gesucht werden vor allem Leute, die schnell sind. Es muss nicht nur gut aussehen, sondern auch effizient sein.

Wer sucht denn diese Leute? Was kann man mit einem Abschluss in Graphic Design machen?

T. J.: Man kann in eine Werbeagentur gehen und dort als Grafiker/in arbeiten; dort fängt man unten an und arbeitet sich allenfalls zum Art oder Creative Director hoch, das ist ein eher hierarchischer Weg. Es gibt auch Designagenturen, deren Schwerpunkt nicht in der Werbung liegt. Und schliesslich gibt es noch die Möglichkeit, den selbstständigen Weg einzuschlagen, allein oder im Kollektiv.

A. M.: Ich würde später gerne in einer Graphic-Design-Agentur arbeiten. Dort könnte ich für Privatkunden oder Firmen arbeiten. Das würde mich mehr reizen, als in die Werbung zu gehen.

Was muss denn ein Graphic Designer können?

A. M.: Das wurde ich bei meinem Bewerbungsgespräch in Luzern auch gefragt. Am wichtigsten sind wohl der Computer und die Adobe-Programme. Ich würde behaupten, in der heutigen Zeit wird nur noch relativ wenig analog gestaltet, während man viel mehr am Computer macht. Dann muss man abstrahieren können. Sehr oft muss man Sachen vereinfachen, simpler und logischer darstellen.

Frau Jörger, hat sich Graphic Design seit ihrem Studium verändert?

T. J.: Graphic Design verändert sich konstant. Wie in allen Design-Bereichen gibt es Strömungen. Die politischen, sozialen und kulturellen Bedingungen und die kommunikativen Bedürfnisse verändern sich stets und widerspiegeln sich in der Grafik und generell im Design. Während meines Studiums war David Carson sehr angesagt. Er brach mit allen typografischen Regeln. Heute ist die Typografie wieder stärker an den klassischen Regeln orientiert. Manchmal werden die Regeln spielerisch oder konzeptionell gebrochen. Das Aufkommen des Computers hat viele Innovationen angeschoben. Die Vektorgrafik und die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung wurden ausgelotet. Später griff man wieder vermehrt auf die analogen Gestaltungswerkzeuge zurück und kombiniert diese heute mit den digitalen.

Ein vorherrschender Stil ist aktuell wohl weniger auszumachen. Durch das Internet ist alles überall gleichzeitig einsehbar und das verändert natürlich die Grafik. Einerseits gleichen sich die Arbeiten an, andererseits ist eine enorme Breite an Ausdrucksmöglichkeiten da.

Wird es Graphic Design in zehn, zwanzig Jahren in dieser Form noch geben?

A. M.: Ja, weil es mit Kreativität zusammenhängt. Einfache Aufgaben wie etwas einpacken werden verschwinden, das kann man schnell einem Roboter beibringen, aber um etwas Kreatives zu produzieren … das ist wohl schwierig, bis die Technik das beherrscht. Man muss sich aber selbstverständlich auch immer weiterbilden. ↑

Dieser Beitrag entstand aus zwei getrennt voneinander geführten Interviews. Beide Interviewpartner haben ihr Einverständnis zu dieser konstruierten Gesprächsform gegeben. Sämtliche Fragen wurden beiden gestellt.